Spurensuche in Haimhausen: Gab es das Wasserschloss »Favorita«?

Haimhausen · Ein Schloss zu viel?

So wie auf diesem Kupferstich von Michael Wening soll es ausgeschaut haben, das Wasserschloss »Favorita« von Haimhausen.Foto: sh

So wie auf diesem Kupferstich von Michael Wening soll es ausgeschaut haben, das Wasserschloss »Favorita« von Haimhausen.Foto: sh

Haimhausen · Die Geschichte klingt fast wie ein Weihnachtsmärchen: Das kleine Haimhausen soll in seiner Erde ein Geheimnis bergen, das vom 18. Jahrhundert bis heute unentdeckt blieb – ein drittes Schloss, genannt »Favorita«. Historikerin Gabriele Donder-Langer traute zunächst ihren Augen nicht, als sie bei Forschungsarbeiten über die Geschichte Haimhausens im Staatsarchiv in Sigmaringen ein kleines handgeschriebenes Buch aus dem Jahre 1718 fand.

Es stammt aus dem Privatarchiv der Grafen Butler von Clonebough und trägt den Titel »Inventarium Unnd Beschreibung deß hochgräfl. Schloß Haimbhausen«. Datiert ist es auf den »28. January Anno 1718«. Darin: Zum einen die Aufzählungen des Mobiliars und des Hausrats im damaligen Schloss Haimhausen. Sie geben Aufschluss über die damaligen Raumeinteilungen und Einrichtungen, über die bisher nur sehr wenig bekannt war.

Die eigentliche Sensation des Fundes aber: Ein schlüssiger Beweis für die Existenz von »Favorita«, eine genaue Beschreibung von Zimmern und deren Möblierungen sowie eine Aufzählung aller Haushaltsgegenstände dieses geheimnisvollen dritten Schlosses. Der Bauherr war vermutlich Franz Ferdinand von Haimhausen. Allein die Bezeichnung, »Geliebte«, spricht für die besondere Bedeutung des Schlösschens. Umgeben von einer Wasserfläche, konnte Favorita ganz romantisch auf dem Wasserweg oder über zwei Brücken erreicht werden. Bereits bei der Beschreibung der Schlossanlage als Einleitung des Inventariums ist von einer »Tafl mit weissen Rhamen« die Rede, auf der »dass Schlosß Haimbhaußen sambt der favorita« abgebildet ist. Von einem großen Repräsentationssaal mit vier Eckzimmern schreibt der damalige Chronist.

Laut Inventarium hingen im großen Saal vier Spiegel, acht Lüster und acht Wandlüster. Weiterhin gab es nach dieser Beschreibung acht Kanapees und eine große ovale Tafel. Ähnlich, nur weniger offiziell, waren angeblich die Eckzimmer ausgestattet. Sogar, welche damaligen Persönlichkeiten auf den einzelnen Gemälden dargestellt waren und wo jedes Bild gehangen haben soll, ist beschrieben. Dieser Aufzählung folgt eine penible Auflistung des Hausrats, angefangen bei der Anzahl der Ober- und Unterbetten und Polster bis hin zu Weißzeug, Leinen, Tassen, Teller und Besteck. Daran, dass sich jemand die Mühe einer solchen Detailarbeit für etwas gemacht hat, das gar nicht existierte, mag kaum ein Forscher wirklich glauben.

Anders Ulrike Kretzschmar, heutige Abteilungsleiterin für Ausstellungen des Deutschen Historischen Museums in Berlin, die bereits 1986 in ihrer Magisterarbeit dem Wasserschloss »Favorita« ein ganzes Kapitel widmete. Sie ging von einem »Wening-Stich« (Michael Wening, 1645 bis 1718, Hofkupferstecher bei Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern) aus, der 1977 bei einer Versteigerung auftauchte und erstmals eine konkrete Abbildung der »Favorita« zeigt. Wegen topografischer Unstimmigkeiten kam Kretschmar damals zu dem Schluss, es handle sich eher um ein geplantes, aber nie errichtetes Gebäude. Dennoch datiert sie die Errichtung des angeblich nicht existenten Schlosses laut Untertitel des Stichs auf das Jahr 1712. Architekt soll der Münchner Hofmaler Andreas Wolff gewesen sein.

Doch auch wenn es das Schloss tatsächlich gegeben hat – der genaue Standort des Schlosses ist immer noch nicht eindeutig geklärt. Dr. Manfred Moosauer, Arzt und Archäologe in Haimhausen, vermutet den Standort der Favorita südwestlich des noch bestehenden Cuvillies-Schlosses. Weitere Wening-Stiche von Haimhausen bestätigen die Lage durch landschaftliche Merkmale wie eingezeichnete Tiergärten oder Weiher. Für die Archäologie ist die Standortbestimmung eine besonders schwierige Aufgabe, da der Schlosspark in Haimhausen an vielen Stellen mit jahrhundertealtem Bauschutt immer wieder aufgeschüttet wurde.

Die archäologische Mitarbeiterin Moosauers, Traudl Bachmair, wartet auf die Entdeckung von Grundmauern des Schlosses. »Bevor wir nicht wenigstens ein Mauerfragment gefunden haben, bleibe ich trotz des Inventariums bezüglich der tatsächlichen Existenz der ›Favorita‹ vorsichtig«, sagt sie zur Münchener Nord-Rundschau. Etwa zwanzig Mal pro Jahr begeht sie seit 15 Jahren einzelne Stellen im Schlosspark und Umgebung, wo sie bereits anderweitige interessante Entdeckungen machte. »Dort, wo Manfred Moosauer den Standort des Schlosses vermutet, werden wir möglicherweise im kommenden Jahr weiter suchen.

Das hängt jedoch von der Initiative Manfred Moosauers ab. Aber so ohne direkten Lagebeweis kann man nicht auf Privatgrund graben und es muss auch Rücksicht auf die Ernte und Frostperioden genommen werden«, fügt Bachmair hinzu. Der Archäologe selbst ist überzeugt: »Ich bin sicher, dass die ›Favorita‹ existiert hat. Eine Auflistung der im Schloss befindlichen Gegenstände bis zu jeder Kleinigkeit wäre sonst unlogisch. Wen würde bei der Planung eines Schlosses schon die Anzahl der Messer oder des zur Weiterverarbeitung gelagerten Leinens interessieren?«

Auch Dr. Rainer Braun, leitender Archivdirektor im Staatsarchiv München, bestätigt, dass ein Inventarium gemeinsam mit dem Namen eines Schlosses und einer Jahreszahl des Baubeginns durchaus ein Nachweis für dessen Existenz sein kann. Allerdings schränkt auch er ein, dass erst der genau bestimmte Standort letztlich die Beweiskette schließen könne. Siglinde Haaf

Artikel vom 16.12.2008
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