Fußball für Toleranz – bundesweites Projekt erstmals in Neuperlach

Neuperlach · Cool down, kick off!

Bei »Cool down, kick off« wird ohne Schiedsrichter gespielt, für besondere Fairness gibt es Sonderpunkte. Foto: Hirt

Bei »Cool down, kick off« wird ohne Schiedsrichter gespielt, für besondere Fairness gibt es Sonderpunkte. Foto: Hirt

Neuperlach · Furious Styles, Streetsoccers – der Fantasie bei der Namensgebung für die Teams bei »Cool down, kick off!« im Wohnring am Theodor-Heuss-Platz waren keine Grenzen gesetzt. Acht Teams in zwei Altersklassen traten am vergangenen Freitag beim Turnier »Straßenfußball für Toleranz« gegeneinander an.

Gemeinsam mit Streetwork Neuperlach und dem Kirchlichen Jugendzentrum Neuperlach (KJZ) hatten die Postbank und die Aktion Mensch das Turnier auf die Beine gestellt. »Cool down, kick off!« basiert auf dem Konzept von »Straßenfußball für Toleranz«, das für Straßenkinder in Südamerika entwickelt wurde. Es vermittelt Kindern und Jugendlichen, wie man Konflikte friedlich löst und Schwächere ins Team einbindet. Das geschieht, indem sie Fußball nach ganz besonderen Regeln spielen.

Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die erzielten Tore. Fairness, Teamgeist und gegenseitige Rücksichtnahme sind für den Mannschaftssieg genau so wichtig. So können Vorurteile gegen Menschen anderer Herkunft, Religion, Hautfarbe oder anderen Geschlechts abgebaut werden. »Hoffen wir, dass es was wird«, sagte der 15-jährige Aaron, der zur Mannschaft der Streetsoccer vom Südpol gehört. Fairness sei o.k., aber bei einem Spiel gehörten taktische Fouls einfach dazu. Nicht für den eigenen Erfolg, aber für die Mannschaft wolle man gewinnen. Doch bei diesem Turnier waren Fouls nicht angesagt. Bevor es in dem speziellen Soccer-Court, den die Organisatoren mitgebracht hatten, losgehen konnte, wurden die Mannschaften erst einmal in die Regeln eingeweiht: gespielt wird vier gegen vier ohne Torwart mit »fliegendem Wechsel«. Ein Match dauert maximal acht Minuten und alle Mannschaften treten gegeneinander an. Es gibt keinen Schiedsrichter, die Spieler müssen alles selbst regeln.

Ein so genannter Teamer beobachtet lediglich das Spiel und macht sich Notizen, um es hinterher mit der Mannschaft zu besprechen. Für besonders faires Verhalten gibt es Sonderpunkte, ebenso für die Einhaltung von bestimmten Regeln, die die Mannschaft vorher selbst bestimmt. So zählten in Neuperlach beispielsweise Mädchentore doppelt. Die Sonderpunkte können über den Gewinn des Spiels entscheiden, so dass nicht unbedingt die stärkste Mannschaft gewinnt. Seit fünf Jahren gibt es »Cool down, kick off«, pro Jahr werden Turniere in zehn Städten organisiert. Dazu müssen sich interessierte Einrichtungen bewerben. Voraussetzung für den Zuschlag ist die Arbeit in einem sozialen Brennpunkt und die Bereitschaft, während des Turniers Mitarbeiter der Einrichtung in die Methode »Straßenfußball für Toleranz« einarbeiten zu lassen. So kann die Methode später eigenständig genutzt werden und bleibt kein einmaliges Ereignis. Streetwork Neuperlach bekam den Zuschlag.

Streetworker Helmut Baumann saß am Freitagnachmittag an einem kleinen Klapptisch und hatte alle Hände voll zu tun, die Namen der Spieler in die vorbereiteten Listen einzutragen. Ihm zur Seite standen praxiserfahrene Spielleiter des Projekts, so genannte Teamer. In Zukunft wird Streetwork weitere Turniere für Toleranz organisieren. »Es finden ja bereits verschiedene Turniere im Stadtteil statt, z.B. Nightball freitags im Heinrich-Heine-Gymnasium, da werden wir das Konzept mit den neuen Regeln öfters einführen«, erklärt Helmut Baumann. Bei einer Nachbesprechung zu »Cool down, kick off« seien sich alle Beteiligten einig gewesen, dass der Unterschied deutlich spürbar gewesen sei. »Nicht nur bei den Spielen waren die Kids bemüht, fair zu sein, auch die Stimmung allgemein war besser, es herrschte ein viel freundlicherer Umgangston«, so Baumann. Markus Bloch, Leiter des KJZ, hätte gerne einen Soccer Court für das KJZ, »aber sowas ist teuer«, sagt er bedauernd. Im Vorfeld hatten Baumann und Bloch Jugendliche im Stadtteil zu dem Turnier eingeladen und so kamen die »Streetsoccer« von der Südpolstation, Spieler des SV Neuperlach, die KJZ power Kicker und viele weitere Mannschaften verschiedener Jugendeinrichtungen, aber auch Freunde und andere Kinder und Jugendliche von zehn bis 17 Jahren, die in keiner festen Mannschaft spielen.

Und dann begann das erste Spiel: EC Soccer Kids gegen NPL Styler. Den Anstoß übernahm Stadträtin Birgit Volk (SPD), die in Vertretung des Oberbürgermeisters gekommen war. Die Spieler kämpften sportlich und fair – das war das Urteil des Teamers Wolfgang Kubutsch, auch wenn hier und da über ein kleines Foul gemurrt wurde. Und dem gestrauchelten Mitspieler hätte man ruhig wieder auf die Beine helfen können, meinte der Teamer. Zwei Sonderpunkte für beide Mannschaften, einen Sonderpunkt für beide dafür, dass alle Spieler zur Nachbesprechung gekommen waren und sich nicht einfach aus dem Staub gemacht hatten, und für die NPL Styler einen Sonderpunkt dafür, dass sie ihre eigene Regel eingehalten haben, nach dem Spiel die La-ola-Welle zu vollführen. Seit dem Startschuss von »Cool down, kick off!« im Jahr 2004 kickten knapp 2.800 Spielerinnen und Spieler um die Wette, 40 Fußball-Nachmittage wurden in insgesamt 37 Städten bundesweit durchgeführt, in München zuletzt im September 2004 in Sendling.

S. Föll

Artikel vom 01.10.2008
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...