Fortbildungsveranstaltung im Kulturhaus Milbertshofen

Milbertshofen · »Betreuung - das ›A‹ und ›O‹«

»Mangelware Pflegefamilie – ein Deutsches Phänomen«: Roger Scharlach-Stahl von Neue Wege und Referentin Dr. Carole Gammer. Foto: gf

»Mangelware Pflegefamilie – ein Deutsches Phänomen«: Roger Scharlach-Stahl von Neue Wege und Referentin Dr. Carole Gammer. Foto: gf

Milbertshofen · Die aktuellen Ereignisse haben sie eingeholt. Denn eigentlich plante die Neue Wege Jugendhilfe bereits seit Wochen an der Seminarveranstaltung vom vergangenen Mittwoch und Donnerstag, 2./3. Mai, im Kulturhaus Milbertshofen. Die Fortbildung »Patchwork-/Pflegefamilie« für Fachkräfte von Jugend- und Familieneinrichtungen gewann durch die jüngsten Enthüllungen um verwahrloste Kinder in Berlin traurige Brisanz.

Auch in München steige der Bedarf an aktiver Familienhilfe, vor allem jedoch der Bedarf an Pflegefamilien stetig an, meint Roger Scharlach-Stahl (Neue Wege): »Das Problem dabei ist eigentlich nicht die Kompetenz der Helfer, sondern die Zeit.« Denn immer weniger Fachkräfte, Psychologen, Sozialpädagogen, Familientherapeuten und Erzieher öffentlicher Träger und privater Einrichtungen stünden einer wachsenden Zahl an Betreuungsbedürftigen gegenüber.

Vor allem Pflegefamilien sind Mangelware. Ein Deutsches Phänomen, wie die Gastrednerin Carole Gammer in ihrem Vortrag im Kulturhaus Milbertshofen vor rund 70 Fachleuten feststellte. Die Familientherapeutin und Buchautorin (»Die Stimme des Kindes in der Familientherapie«) lebt in Frankreich, »da werden sogar professionelle Familien ausgebildet, die dann traumatisierte Kinder aufnehmen.«

Denn ein gutes Herz alleine reiche nicht aus, eine gute Pflegefamilie zu stellen. Für viele Kinder ist eine Pflegefamilie die einzige Alternative zur Heimunterbringung. So eine Familienintegration werde vom Jugendamt initiiert, müsse jedoch von anderen familienaufsuchenden Jugendhilfeorganisationen weiter betreut werden, erklärte Michael Rupp von Neue Wege Jugendhilfe. »Diese Betreuung ist das ›A‹ und ›O‹«, betonte Gammer immer wieder. Denn oft hätten die Kinder Traumatisches erlebt, etwa eine völlig überforderte Mutter – ähnlich wie bei den jüngsten Fällen in Berlin, als eine Frau ihre vier Kinder allein in der Wohnung zurück ließ und zu ihrem neuen Freund zog.

Doch auch andere Dramen haben manche Kinder hinter sich: Drogenabhängigkeit der Eltern, Alkoholsucht in der Familie oder sogar Tötungsdelikte im Geschwisterkreis – es gibt viele Gründe, die das Jugendamt dazu veranlassen, ein oder mehrere Kinder von ihrer Familie zu trennen. Alle haben eines gemeinsam: Sie sind traumtisierend. Wege und Möglichkeiten damit umzugehen, vermittelte Gammer jetzt in ihren Vorträgen. Theoretische Grundlagen, praktische Übungen zu Patchwork- und Pflegefamilie, sogar Videobänder mit Familientherapiesitzungen und Praktische Übungen zu »Therapeutischen Interventionsmöglichkeiten« standen auf dem üppigen Seminarprogramm. »Eigentlich bräuchte es mehr solcher Veranstaltungen um die Soziale Familienarbeit zu schärfen«, meinte Rupp am Ende des perfekt organisierten Seminarmarathons. Entsprechend soll die jüngste Fortbildung, nach der Vorstellung Rupps, auch nicht die letzte ihrer Art gewesen sein. Gerald Feind

Artikel vom 09.05.2007
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