Weihnachtsbräuche aus zwei Kulturen im brasilianisch-deutschen Kindergarten

Haidhausen · »Schönste Zeit im Jahr«

Baby Matthiesen (ganz rechts) vom Kindergarten »Estrelinha« mit ihren Schützlingen und den Erzieherinnen Silmara Jahn (ganz links) und Bruna Camerlingo (Mitte) in einheitlicher »Kindergartenkleidung«, wie in Brasilien üblich.	 Foto: pa

Baby Matthiesen (ganz rechts) vom Kindergarten »Estrelinha« mit ihren Schützlingen und den Erzieherinnen Silmara Jahn (ganz links) und Bruna Camerlingo (Mitte) in einheitlicher »Kindergartenkleidung«, wie in Brasilien üblich. Foto: pa

Haidhausen · Der süß-würzige Geruch von Lebkuchen, Schnee auf den Baumwipfeln, bei Kerzenschein kuschelig warm auf dem Sofa sitzen, im Kreis seiner Lieben, während es draußen dunkel und kalt ist. All das macht für Baby Matthiesen, Leiterin des brasilianisch-deutschen Kindergartens »Estrelinha« (brasilianisch für »Sternchen«) in der Belfortstraße 4, die Weihnachtszeit aus.

»Der Advent ist für mich die schönste Zeit des Jahres in Deutschland«, sagt die 33-Jährige, Tochter eines Deutschen und einer Brasilianerin, die bis zu ihrem 18. Lebensjahr in Brasilien gelebt hat, seit 13 Jahren in München wohnt, mit einem Deutschen verheiratet ist und zwei Kinder hat. »Aber ich habe den Eindruck, viele Deutschen genießen die Advenstzeit gar nicht so richtig, sind grantig, jammern über den Stress. Dabei hätten sie allen Grund, zu feiern und sich zu freuen. Im Vergleich zu Brasilien geht es den Menschen hier doch sehr gut.«

Im Kindergarten, den es bereits seit fünf Jahren gibt, werden deutsche und brasilianische Traditionen und Bräuche gepflegt. Speziell auch zur Adventszeit. So feiern die Zwergerl, die zu 90 Prozent aus deutsch-brasilianischen Familien stammen und zweisprachig aufwachsen, auch Sankt Martin und Nikolaus, obwohl es das in Brasilien nicht gibt. Auch bei sich zuhause versucht Matthiesen beide Kulturen unter einen Hut zu bringen. Aber bei einem so traditionsbehafteten Familienfest wie Weihnachten sind Kompromisse unvermeidbar. Auch wenn es scheinbar um Kleinigkeiten geht. Das heißt bei Familie Matthiesen heuer: dieses Jahr kommt an Heiligabend das »deutsch-bayerische« Christkind und der Christbaum steht nach brasilianischer Manier schon seit Anfang Dezember im Wohnzimmer. Denn statt wie hier am frühen Abend des 24. Dezember, bringt in Brasilien ein eher amerikanisch angehauchter Weihnachtsmann die Geschenke – zudem erst Punkt Mitternacht, also am 25. Dezember.

Santa Claus oder Truthahn als Festtagsschmaus: Insgesamt kommt Weihnachten in Brasilien eher bunt-USA-mäßig daher, wundert sich Matthiesen selbst, obwohl das größte Land Südamerikas mit etwa doppelt so vielen Einwohnern wie Deutschland zudem das einzige auf dem Kontinent ist, in dem portugiesisch gesprochen wird. Die Sache mit dem Baum jedenfalls, das sei zur Adventszeit alljährlich »das größte Problem« in deutsch-brasilianischen Familien, erzählt Matthiesen. In Brasilien wird der nämlich bereits zum ersten Advent aufgestellt, mit gemeinsamem Essen und in großer Runde. Hierzulande ist es ja ganz klassisch üblich, dass die Familie den kunstvoll dekorierten Baum erst am Weihnachtsabend nach dem Klingeln eines Glöckchens zu sehen bekommt. Darunter liegen bereits die Packerl zur Bescherung.

»Es gibt aber kein besser oder schlechter«, meint Matthiesen, und das könnte auch als Motto im Umgang mit fremden Kulturen gelten, »sondern es ist eben einfach nur anders.« Wenn die Kinder aber mit Inbrunst die brasilianischen Weihnachtslieder singen, packt Matthiesen dann aber doch ganz schön das Heimweh... Michaela Schmid

Artikel vom 20.12.2005
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