Jeder Jäger ist für seinen Schuss selbst verantwortlich – auch in der Fasanerie

Fasanerie · Alles eindeutig geregelt

Die Idylle trügt: Das parkähnliche Gelände am Georg-Pickl-Weg wird schon seit den 60er-Jahren bejagd. Foto: gf

Die Idylle trügt: Das parkähnliche Gelände am Georg-Pickl-Weg wird schon seit den 60er-Jahren bejagd. Foto: gf

Fasanerie · Die Mitglieder des Bezirksausschusses Feldmoching/Hasenbergl (BA 24) trauten ihren Ohren nicht. In blumigen Worten schilderte eine Anwohnerin des Georg-Pickl-Weg bei der jüngsten BA-Sitzung die parkähnliche Situation an der Grünfläche zwischen Feldmochinger Straße und Lassallestraße. »Hier spielen Kinder, Leute gehen mit ihren Hunden gassi und Radler sausen vorbei.« Bis sie plötzlich den Satz sagte, der sogar den BA-Vorsitzenden Dr. Rainer Großmann zu einem spontanen »Wie bitte?« hinriss: »Wir haben da jetzt schon öfter Schüsse gehört.«

Der Hintergrund: Die Wiese ist ein Jagdrevier. Was auf der Sitzung keiner glauben wollte, ist nicht nur groteske Realität, es ist auch noch völlig legal, dass auf dem Anwesen gejagt wird. Denn die Deutsche Bahn hat den Grund seit 1995 zur gewerblichen Nutzung verpachtet und »weil das Areal größer als 81,557 Hektar ist, schreibt das Bayerische Jagdgesetz die Bejagung vor«, stellt Anton Fellner von der unteren Jadgbehörde des Kreisverwaltungsreferats nüchtern fest. Das Jagdrevier sei darüber hinaus nur eines von 14 Jagdrevieren innerhalb der Stadt München. Und spätestens jetzt beginnt der Amtsschimmel zu wiehern. Denn rein rechtlich ist die Sachlage eindeutig. Zwingend notwendig sei die Jagd allerdings nach Einschätzung Fellners – gewollt werde sie von den Anwohnern dagegen »immer nur dann, wenn sich irgendwo ein Fuchs tummelt«. Selbst Ingo Schüttke, Sprecher der Deutschen Bahn AG, räumt ein: »Würde uns die Stadt anweisen, die Verpachtung einzustellen, würden wir uns daran halten.« Das kann sie aber nicht tun, weil die Bahn den Grund schließlich als Ausgleichsfläche für den Rangierbahnhof München Nord halten muss und damit per sé machen kann, was sie will.

Sie könnte das Grundstück also auch »umwidmen«, wie Fellner zu Bedenken gibt. »Wenn die Wiese als öffentlicher Park ausgewiesen wäre, würde die Gesetzesklausel nicht greifen.« Doch zu einer solchen Umdeutung sieht sich die Bahn bislang nicht veranlasst: »Es gibt keinen Grund, die bestehenden Pachtverträge zu ändern«, so Bahnsprecher Schüttke. Das sieht übrigens auch der Jäger selbst so: »Seit 1968 wird hier gejagt«, so Jagdpächter Helmut Heindl aus Moosburg, der die Pacht an der Fasanerie seit über zehn Jahren inne hat. Dass davon selbst die BA-Mitglieder nichts gemerkt haben, zeige im Prinzip das ganze Dilemma. »Wir versuchen die Jagd auf Zeiten zu verlegen, in denen keiner spazieren geht. Wenn es dunkel ist, bei schlechtem Wetter oder zu späten Stunden«, beschreibt Heindl. Unauffällig genug, dass das Treiben in schöner Regelmäßigkeit in Vergessenheit gerate.

»Es kann doch keine Ausrede sein, solange zu warten, bis etwas passiert«, beschwert sich ein Anwohner, der nicht genannt werden will. Den Jäger zuerst bemerkt habe seine 19-jährige Tochter am 23. September um 19.20 Uhr, als beim Spaziergang mit dem Hund eine Schrot-Ladung nur knappe zehn Meter neben ihr eingeschlagen haben soll.

»Ich bin fürchterlich erschrocken und sofort nach Hause gerannt«, erzählte die Abiturientin gegenüber der Nord-Rundschau. »Wenigstens eine Warnung muss angebracht werden«, fordert jetzt BA-Vorsitzender Dr. Rainer Großmann. Doch auch hier ist alles klar geregelt: »(...) Die Frage nach Sicherungsmaßnahmen (...) kann nur dahingehend beantwortet werden, dass jeder Jagdausübungsberechtigte für seinen Schuss selbst verantwortlich ist«, heißt es in einer E-Mail des KVR zu dem Vorfall vom September, die der Redaktion vorliegt. gf

Artikel vom 31.10.2005
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...