München gedenkt seinem ersten Stadtschreiber

Destouches sei Dank

Alles ist festgehalten in der Münchner Stadtchronik.	Fotos: Stadtarchiv

Alles ist festgehalten in der Münchner Stadtchronik. Fotos: Stadtarchiv

Tagebuch geschrieben hat wahrscheinlich fast jeder Münchner schon einmal. Aber dass ein Tagebuch über und für die Stadt München und deren Einwohner existiert, ist den Wenigsten bekannt. – Seit dem 19. Jahrhundert werden in der Stadtchronik täglich die Ereignisse des Tages notiert.

Mit 74 laufenden Regalmetern und 700 Einzelbändern ist die Münchner Chronik bis heute eine Einrichtung mit der keine andere Großstadt konkurrieren kann.

„Das Tagebuch der Stadt München – Die offiziellen Aufzeichnungen der Stadtchronisten 1818-2000“, so der Titel des am Montag erschienenen Buches, gibt einen Einblick in Aufzeichnungen der vergangenen 200 Jahre. Ausgewählt von der derzeitigen Stadtchronistin Brigitte Huber finden sich repräsentative Einträge ebenso wie die Geschichte der Chronik und eine genaue Bestandsaufnahme der Bandserien.

Auf Wunsch König Ludwig I., der München zu einer Kunststadt und Hochburg der Wissenschaft ausbauen ließ, beschloss das Münchner Magistrat 1845 die Einrichtung einer Stadtchronik nach mittelalterlichem Vorbild. Im selben Jahr begann der somit erste Stadtchronist der „Neuzeit“ und Bibliothekar Ulrich von Destouches zu schreiben. Zusätzlich ließ man ihn die Chronik rückwirkend ab 1818 rekonstruieren, das Jahr in dem die Bayerische Verfassung eingeführt wurde. Wichtige und weniger bedeutende Ereignisse aus dem städtischen Leben werden seitdem vermerkt. Oft sind so genannte Beilagen wie Flugblätter oder Zeitungsartikel zu einem Eintrag beigefügt.

Dokumentiert wurde das Zufrieren der Isar 1879 in gleicher Weise wie die Gedenkfeier an den Hitler-Putsch 1938. Obwohl sich die Sprache der einzelnen Chronisten unterscheidet, ist ihnen allen die Perspektive der Berichterstattung gemein. Als neutraler Beobachter ist allein die inhaltliche Gewichtung Möglichkeit einer Wertung seitens des Chronisten. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung in den letzten 200 Jahren ging der einzelne Münchner in den Einträgen unter.

Wurde 1829 noch vom Tod des „Finessensepperl“, Kutschersohn und Münchner Original berichtet, werden heute nur noch prominentere Personen vermerkt. Der Sensationsgrad eines ersten Stadtbesuchs von Indianern 1890 oder des ersten Oktoberfests mit elektrischer Beleuchtung 1901 kann heutzutage schwer überboten werden, denn manche Dinge passieren eben nur einmal.

Ein kleiner Einblick

17. November 1949 – Italien-Flair auf Münchens Straßen „Gegenwärtig sieht man in den Straßen Münchens neuartige italienische Kleinmotorräder, ‚Vespa’ genannt. Das Kleinfahrzeug soll mit 2 Personen eine Spitzengeschwindigkeit von 70 kmh erreichen, bei 1,5 Litern Benzin auf 100 Kilometer. Die Vespa kostet in Italien 177.000 Lire, in der Schweiz 1.800 Franken. Gegen DM ist sie noch nicht zu haben.“

6. Juli 1954 – München empfängt die „Helden von Bern“ „Buchstäblich ganz München bereitete der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, dem Weltmeister von 1954, einen Empfang, den man als einmalig bezeichnen kann. Im Triumphzug, begleitet von den begeisterten Hochrufen und umgeben von Tausenden von Fähnchen, fuhren die überglücklichen Spieler durch die aufgestörte Stadt. Die Stadtverwaltung und die meisten Betriebe hatten ihren Angestellten und Beamten freigegeben. An den Straßen standen die Schulklassen, die Baugerüste waren zum Brechen überfüllt. Seit Jahren war die Innenstadt vom Hauptbahnhof bis zum Rathaus, wo der offizielle Empfang durch Oberbürgermeister Wimmer stattfand, nicht mehr so voller Begeisterter.“

Das Tagebuch der Stadt München ist im Verlag „Dölling und Galitz“ erschienen und erhältlich im Buchhandel. Von Joy Belgassem

Artikel vom 28.10.2004
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