"Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen* feiert Jubiläum

München · Gaudi, aber sicher!

Helfen mit, für eine sichere Wiesn zu sorgen (v.l.): Kristina Gottlöber (IMMA e.V.), Lisa Löffler (Frauennotruf) und Manuela Soller (AMYNA e.V.). Foto: Sichere Wiesn

Helfen mit, für eine sichere Wiesn zu sorgen (v.l.): Kristina Gottlöber (IMMA e.V.), Lisa Löffler (Frauennotruf) und Manuela Soller (AMYNA e.V.). Foto: Sichere Wiesn

München · Bereits seit 20 Jahren ist die Aktion "Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*" rund um das Oktoberfest aktiv. Ins Leben gerufen wurde sie von den drei Münchner Vereinen AMYNA e.V., IMMA e.V. und der Beratungsstelle Frauennotruf.

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Damit sollten die Stadtgesellschaft für die Problematik von sexueller Gewalt auf dem Oktoberfest sensibilisiert, Zivilcourage gestärkt und sexuelle Übergriffe nicht mehr bagatellisiert werden. Es galt, Mädchen und Frauen zu schützen und die Verantwortung klar bei Tätern und Täterinnen zu sehen.

Dramatischer Anlass

Anlass für die drei Trägervereine zur Gründung der "Sicheren Wiesn" war ein sehr dramatischer: Im Jahr 2002 gab es auf und im Umfeld des Oktoberfestes sehr viele sexuelle Übergriffe, unter anderem im Hinterhof gegenüber des Hauses, in dem eine Mitarbeiterin von AMYNA e.V. in unmittelbarer Wiesnnähe wohnte. Vier junge Männer überfielen eine Frau und vergewaltigten sie, während ein fünfter Wache hielt. Diese Situation gab die Initialzündung. "Es war klar, es muss was passieren", sagt Sibylle Härtl, die als Mitbegründerin noch heute für die Aktion tätig ist. "Ich habe damals viele Gespräche mit Anwohnerinnen geführt und musste feststellen, wie groß die Verunsicherung war. Die Frauen hatten Angst, abends nach Hause zu kommen oder überhaupt vor die Tür zu gehen."

"Niemand will mehr auf uns verzichten"

Es wurde deutlich, im Kontext Oktoberfest erleben nicht nur zahlreiche Mädchen und Frauen sexuelle Gewalt, sondern die Gewalt wirkt auch massiv auf andere, die nicht direkt betroffen sind. "Wir wussten damals gar nicht genau, was auf uns zukommt", berichtet Maike Bublitz von der Beratungsstelle Frauennotruf. Sie war als Fachberaterin vor Ort im Einsatz, um Betroffenen zur Seite zu stehen. Niemand konnte konkret abschätzen, wie viele Wiesnbesucherinnen den Weg zum Wohnwagen der Aktion finden würden. Doch bereits am Eröffnungsabend suchte eine Frau Hilfe, die erst kurz zuvor von einer Gruppe von Männern auf dem Oktoberfest überfallen und vergewaltigt worden war. Maike Bublitz spricht von einem echten Schockmoment: "Da wurde mir so richtig klar: sexuelle Gewalt passiert tatsächlich hier. Auf der Wiesn." Fünf Frauen, die sexuelle Übergriffe erlebt hatten, kamen im ersten Jahr in die Anlaufstelle, zwei weitere, die von Partnerschaftsgewalt betroffen waren. "Wir wollten damals eine einmalige Aktion machen", sagt Härtl. "Doch nach dem ersten Jahr war klar, niemand will mehr auf uns verzichten." Im Umfeld der Aktion wird oftmals vor allem die Arbeit am Safe Space wahrgenommen: die Hilfe für konkret betroffene Wiesnbesucherinnen, die Notlagen, die Krisen. Doch neben dieser Unterstützung geht es dem Team um weit mehr. "Die Aktion wirkt systemverändernd", sagt Härtl. "Es geht in unserer Arbeit immer auch um die Frage, wie können wir Gesellschaft so verändern, dass es keine sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen mehr gibt."

Modellprojekt für andere Festivals

Die Anlaufstelle vor Ort steht allen Mädchen und Frauen offen und bietet Hilfe und Unterstützung nach einem sexuellen Übergriff, in akuten Krisensituationen und bei allen anderen Schwierigkeiten. Die Aktion, die 2003 in der Münchner Stadtpolitik und auch auf dem Oktoberfest nicht nur auf Zustimmung stieß, ist heute ein fester Bestandteil des Hilfeangebots für Oktoberfestbesucherinnen. Bis heute vereint die Aktion die drei zentralen Säulen der Prävention, Intervention und Nachsorge.

Als 2003 der Startschuss zur Aktion "Sichere Wiesn für Mädchen* und Frauen*" fiel, war das Angebot noch in einem Wohnwagen am Rande des Behördenhofs auf dem Oktoberfest untergebracht. In diesem ersten Jahr suchten insgesamt 28 Wiesnbesucherinnen am Safe Space Unterstützung – heute bietet die Anlaufstelle während der Wiesn Hilfe und Beratung für 450 Mädchen und Frauen. Gerade an den Wochenenden ist der Bedarf besonders groß: 2022 kamen am Spitzentag 68 hilfesuchende Wiesnbesucherinnen in die Anlaufstelle. In einem engen Wohnwagen hätten mittlerweile weder die 14 Mitarbeiterinnen, noch die Klientinnen Platz. Im vergangenen Jahr verzeichnete man insgesamt 450 Beratungen an 17 Wiesntagen. Die Aktion hat sich mittlerweile zum größten Hilfsangebot für Mädchen und Frauen auf deutschen Großveranstaltungen entwickelt und dient als Modellprojekt für zahlreiche andere Volksfeste und Festivals.

Angebot ist kostenlos

Auch heuer bietet der Safe Space Hilfe, Beratung und Unterstützung für Mädchen und Frauen, die (sexuelle) Gewalt erlebt haben, verunsichert sind oder sich bedroht fühlen. Zu finden ist der Safe Space im Servicezentrum auf der Theresienwiese hinter dem Schottenhamelzelt (Eingang „Erste Hilfe“). Öffnungszeiten: an allen Wiesntagen von 18 bis 1 Uhr; freitags, samstags und sonntags sowie am 2. und 3. Oktober bereits ab 15.30 Uhr.

Am Safe Space steht ein speziell geschultes Team aus Fachberaterinnen und ehrenamtlichen Helferinnen bereit, um Oktoberfestbesucherinnen in jeder Situation mit Beratung und Unterstützung zur Seite zu stehen. Egal, ob das Handy verloren ist, die Handtasche geklaut, die Clique verschwunden oder ob ein sexueller Übergriff, eine Nötigung oder Vergewaltigung stattgefunden hat, Mädchen und Frauen erhalten Hilfe in jeder Not- und Krisensituation. Das Angebot ist kostenlos und auf Wunsch anonym.

Artikel vom 08.09.2023
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