Erinnerungsstelle für ehmalige Zwangsarbeiter in Arbeit

Erding · "Es ist nie zu spät"

Ein keltisches Hügelgrab ist bei Eichenkofen praktisch nachträglich wieder errichtet worden, um zu zeigen, was dort früher einmal war. Daneben steht eine Informationstafel auch über das einst größte Grabhügelfeld. Foto: Kuhn

Ein keltisches Hügelgrab ist bei Eichenkofen praktisch nachträglich wieder errichtet worden, um zu zeigen, was dort früher einmal war. Daneben steht eine Informationstafel auch über das einst größte Grabhügelfeld. Foto: Kuhn

Erding · Es ist ein sprödes Thema: Bei Eichenkofen, einem Vorort von Erding, hat es ein Zwangsarbeiterlager gegeben. Die Menschen waren „im Einsatz“ vor allem für den Fliegerhorst Erding, und eine aktive Gruppe von Erdingern, vor allem unter der Federführung von „Pax Christi“ ist dabei, die Lücken in der Geschichtsschreibung zu schließen.

„Mit einer Polin nach Frankreich geflüchtet, Aufenthalt unbekannt“, heißt es da in einer nüchternen Aktennotiz vom 23. August 1944 über einen jungen Franzosen, der zwangsweise nach Deutschland gebracht worden ist, um in eben diesem Lager für die „kriegswichtigen“ Dinge am Fliegerhorst Erding zu arbeiten. Die Heimatgeschichtsforscher haben herausgefunden, dass rund 30 Menschen die Flucht aus dem „Gemeinschaftslager“ gewagt haben. „Arbeitgeber“ war das „Luftzeugamt“, das vom eigentlichen Lager ebenfalls räumlich abgesetzt war. Dass das Lager so weit außerhalb von der Stadt war hatte einen Grund: Es war recht gut getarnt, war also vor Fliegerangriffen einigermaßen sicher. So sicher, dass es nach dem Krieg als Lager für Heimatvertriebene dienen konnte. Auch das ist ein Teil dieser Geschichte, die nun aufgearbeitet werden soll, und was der Gruppe um den bereits dafür ausgezeichneten Erdinger Historiker Giulio Salvati anhand von Zeitzeugenberichten auch sehr eindrucksvoll gelingt.

Der Künstler Wolfgang Fritz aus Oberding ist es, der jetzt dran ist, eine Erinnerungsstelle für diese Zwangsarbeiter zu schaffen. Der Künstler wörtlich: „Es ist wirklich an der Zeit, dass man diesen totgeschwiegenen Gesicht gibt und damit auch Würde wieder zurückgibt: Ein Mensch-sein, eine Würde. Es waren ja letzten Endes Sachen, Arbeitsmaterial, es waren Untermenschen. Es ist spät, aber es ist nie zu spät.“ Ein Video, das bei „Youtube“ zu sehen ist, listet dann die Namen derer auf, von denen die Karteikarten im Staatsarchiv haben gesichtet werden können. Das ganze Projekt wird über Spenden finanziert, aber auch die Stadt Erding steht zu diesem dunklen Teil der Geschichte: Vorliegenden Berichten zufolge soll der Bauhof das Fundament errichten, damit die Stele aus Stahl und Glas, für die Wolfgang Fritz sein eigentliches Arbeitsfeld, das Holz, verlässt. Die Einweihung ist für Ende Oktober geplant, ein genaues Datum ist noch nicht bekannt. Fritz dagegen hat sich bei der Gestaltung des Denkmals selbst was gedacht: Das Material soll an die Bretter der Lagerbaracken erinnern. Darin eingelassen auf Glas gedruckte Karteikarten eben dieser Zwangsarbeiter. Auf der Internet-Seite www.erding-geschichte.de sind die bisher bekannten Fakten zusammengetragen.

Und noch einer ist im Boot: Harald Krause, Leiter des Museums Erding und Archäologe hat weiteres zu den Bodenbefunden beigetragen. Salvati aber ist der Motor hinter dem Projekt, das im August 2021 begonnen hat. Dabei ist schon etwas da: Direkt dort, wo ein Hügelgrab wieder aufgeworfen worden ist, um einen Eindruck von dem, was dort einmal war, zu gestatten, ist bereits eine informative Tafel aufgestellt worden. Aber sie ist eben unvollständig geblieben. Und doch ist sie das einzige, was vom Lager geblieben ist: Die „Siedlung“ wurde nämlich 1954 aufgelöst, nachdem die gröbste Wohnungsnot hat beseitigt werden können. Unmittelbar darauf folgte der Abriss, sodass tatsächlich bestenfalls noch überwucherte Fundamente zu finden sind.

Artikel vom 08.09.2022
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