»Fauler Kompromiss« bei SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste?

Fußballfans kritisieren Stadtrats-Entscheidung

Zwist um neue Verordnung: Grünwalder Stadion. Foto: Anne Wild

Zwist um neue Verordnung: Grünwalder Stadion. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Auf vehemente Kritik bei kritischen Fußballanhängern stoßen Beschlüsse des Kreisverwaltungsausschusses und des Stadtrats der Landeshauptstadt München. Beide Gremien stimmten vergangene Woche einer im Vorfeld politisch umstrittenen Modifikation der sogenannten »Verordnung der Landeshauptstadt München über das Stadion an der Grünwalder Straße (Grünwalder-Stadionverordnung) sowie der Verordnung der Landeshauptstadt München über die Arena in Fröttmaning (Arena-VO)« letztlich zu.

Gegenstand der Neufassung aus der Feder des Kreisverwaltungsreferenten Thomas Böhle (SPD) ist eine großzügige Erweiterung polizeilicher Befugnisse bei Fußballspielen, die auf einer räumlichen Vergrößerung des Geltungsbereiches der Stadionverordnungen fußen. So werden etwa ab sofort bei Veranstaltungen im Grünwalder Stadion für einen Zeitraum von vier Stunden vor Beginn und bis zu zwei Stunden nach dem Ende die unterirdischen U-Bahngeschosse und Aufgänge Silberhornstraße, Wettersteinplatz und Candidplatz sowie die dazwischenliegenden Straßenzüge rechtlich als Teil der Stadionanlage gewertet.

Die Faninitiative Löwenfans gegen Rechts (LfgR) spricht in einer Stellungnahme von »schleichender Erosion bürgerlicher Freiheiten« und bewertet »die Ausweitung des zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs als nicht hinnehmbar«. Bestehende gesetzliche Regelungen würden der Polizei längst »mehr als ausreichende Befugnisse« verschaffen. Nach Ansicht der Fans enthält die modifizierte Verordnung bewusst »zahlreiche schwammige Passagen«, die künftig in der Praxis »willkürliche Polizeimaßnahmen« erwarten lassen.

Ähnliche Befürchtungen hegen auch die als Verein organisierten Freunde des Sechzger-Stadions (FdS), deren Mitglieder sich seit Jahrzehnten für den Erhalt der Giesinger Spielstätte, eine kulturelle und soziale Nutzung an Nichtspieltagen und die Anbindung an das Umfeld einsetzen. Auch sie zeigen sich in einer schriftlichen Stellungnahme empört über die Novelle und überzeugt davon, »bestehende gesetzliche Grundlagen für polizeiliches Handeln (StGB, PAG, StPO, BayVersG) sind mehr als ausreichend.«

Weshalb die Polizei und die Hauptabteilung Sicherheit und Ordnung im Kreisverwaltungsreferat überhaupt auf eine Ausdehnung ihrer Befugnisse drängten, erklären sich die Fanvertreter mit einem langgehegten Wunsch der Exekutive, anlasslose Kontrollen durchzuführen und mutmaßliche Verstöße gegen die Stadionordnung weiträumig verfolgen und künftig auch doppelt bestrafen lassen zu können. Böhle sprach abstrakt davon »Handlungsspielräume der Sicherheitsbehörden« an der Arena in Fröttmaning und am Grünwalder Stadion erweitern zu wollen und äußerte gegenüber der Abendzeitung, die neuen Regeln träfen schon die Richtigen.

Nachdem die Bestrebungen des Kreisverwaltungsreferenten und der Polizei im April diesen Jahres ruchbar wurden, zeigten sich Fanvertreter wie auch Sozialarbeiter des städtischen Fanprojekts stark irritiert, schließlich war es seit der Rückkehr des TSV 1860 München nach Giesing im Sommer 2017 zu keinerlei nennenswertem Fehlverhalten der Fans gekommen. Im Gegenteil, die hohe Identifikation der Anhängerschaft mit dem Stadion und seinem Umfeld sorgen für eine gelöste Stimmung an Spieltagen und sozialkulturelles Engagement für lokale Einrichtungen.

Es folgten mehrere Treffen zwischen ehrenamtlichen Stadträten der Rathaus-Koalition von SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste mit Fanvertretern zum Gedankenaustausch. Dabei sollen die Politikerinnen und Politiker Verständnis für die Befürchtungen der Fußballanhänger geäußert haben, berichten Teilnehmer. Die Abstimmung über das umstrittene Papier im Kreisverwaltungsausschuss wurde zunächst zurückgestellt.

Doch die im Rathaus mit den Stimmen von SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste nun verabschiedete neue Version enthält keine substantiellen Veränderungen, sondern erfüllt im Großen und Ganzen den Wunsch der Ordnungsbehörde nach mehr Macht. Einzig einer dringlichen Bitte der örtlichen Bezirksausschüsse, die Grundstücke Candidplatz und Grünspitz von der Verordnung auszunehmen, weil man sonst eine Verlagerung der Fantreffpunkte außerhalb der »Bannmeile« befürchte, wurde Rechnung getragen.

Als die an den Gesprächen mit den Anhängern beteiligten Stadträte im Nachgang versuchten, die finale Ausgestaltung der Stadionverordnungen als »guten Kompromiss« und »Interessenausgleich« politisch verkaufen zu wollen, platzte nicht wenigen Fans der Kragen. Sie sprechen von einem »faulen Kompromiss« und schreiben »Wir sind ernüchtert und enttäuscht, dass die Vermeidung möglicher Konflikte mit KVR und Polizei für die große Mehrheit des Münchner Stadtrats deutlich höhere Priorität genießt, als der Einsatz für die Rechte und Interessen der Bürger:innen.«

(as)

Artikel vom 03.08.2021
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