Lösungen für das Schwierige finden

Ethikkomitee an der Kreisklinik hilft Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern

Dr. Peter Lemberger, Sprecher des Klinischen Ethikkomitees, im Beratungsgespräch. Foto: kk

Dr. Peter Lemberger, Sprecher des Klinischen Ethikkomitees, im Beratungsgespräch. Foto: kk

Ebersberg · Menschen haben verschiedene Einstellungen in Konfliktsituationen des Lebens. Treffen sie im Klinikalltag aufeinander, kann das Finden von Entscheidungen schwierig werden. An der Kreisklinik Ebersberg haben deshalb vor einigen Jahren erfahrene und für dieses Thema besonders engagierte Mitarbeiter das Klinisches Ethikkomitee (KEK) gegründet.

Sprecher Dr. Peter Lemberger, Chefarzt der Anästhesie und stellvertretender ärztlicher Direktor, erläutert, warum das Komitee nicht nur Partner in einer Krise sein, sondern helfen kann, eine solche zu vermeiden.

Dr. Lemberger, wer gehört dem Klinischen Ethikkomitee an?

Dr. Peter Lemberger: Das sind drei Ärzte aus den Bereichen Palliativ- und Intensivmedizin, drei Pflegekräfte, ein katholischer und ein evangelischer Kirchenvertreter, unsere Patientenfürsprecherin und ein Mitarbeiter der Verwaltung. Hinzu kommen die Stellvertreter der Mitglieder. Je nach Bedarf können auch ein Jurist oder andere Experten hinzugezogen werden.

Wie kam es zu diesem Gremium?

Dr. Peter Lemberger: In den letzten Jahren haben sich immer wieder Kollegen mit ethischen Fragen im Klinikalltag beschäftigt, 2018 wurde das Klinische Ethikkomitee in der Kreisklinik fest etabliert und die Sprecher wurden gewählt. Mir zur Seite steht mit sehr viel Sachverstand und Erfahrung in ethischen Fragen Dr. Anna Bresele, Ärztin auf der Palliativstation. Die anderen Mitglieder werden nicht gewählt, sondern haben sich bereit erklärt, mitzuwirken.

Was ist die Aufgabe des KEK?

Dr. Peter Lemberger: Die Mitglieder stehen Patienten, Angehörigen, Ärzten und Pflegekräften in Konfliktsituationen beratend zur Seite oder übernehmen die Rolle eines Geprächsmoderators. Häufig geht es dabei um die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Therapie fortzuführen, etwa bei einer unheilbaren Tumorerkrankung im Endstadium oder bei hochbetagten Patienten mit schweren Vorerkrankungen. Manchmal muss auch eine Therapie in Einklang mit religiösen Überzeugungen gebracht werden, was nicht immer einfach ist. Das KEK kann jedoch immer nur beratend tätig sein, die Entscheidung trifft letztlich der behandelnde Arzt im Konsens mit dem Patientenwillen.

Wer kann die Unterstützung durch das Ethikkomitee anfordern?

Dr. Peter Lemberger: Jeder der Konfliktbeteiligten: Patienten, Angehörige, Ärzte und Pflegepersonal. Das kann telefonisch geschehen, per E-Mail oder direkt über die behandelnde Station. Bei sehr komplexen Fällen trifft sich das KEK zu einer Sondersitzung, in der wir den Fall besprechen; normalerweise finden unsere Sitzungen alle zwei Monate statt. Ist die Fragestellung weniger schwierig, reicht oft ein Berater aus.

Gibt es weitere Hilfen für die Entscheidungsfindung?

Dr. Peter Lemberger: Ja, wir haben zwei Richtlinien erarbeitet. Die SR-Richtlinie – SR ist die Abkürzung für das lateinische „sine reanimatio“, übersetzt: Ohne Reanimation – legt fest, bei welchen Patienten Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt werden und bei welchen nicht, etwa bei oben genannten hochbetagten Patienten mit schweren, unheilbaren Vorerkrankungen. Eine zweite wurde speziell für Zeugen Jehovas erarbeitet, deren Glaube es ihnen verbietet, Bluttransfusionen zu erhalten.

Wie oft wird das KEK zu Rate gezogen?

Dr. Peter Lemberger: Bisher durchschnittlich zwei- bis dreimal im Jahr. Unsere bisherige Arbeit hat jedoch schon positive Auswirkungen gezeigt. Konflikte werden sachlich ausgetragen, die Zufriedenheit unter den Mitarbeitern hat zugenommen, weil es zu ethisch gut tragbaren Lösungen für alle kommt. An erster Stelle steht für uns immer das Wohl des Patienten, was Laien allerdings nicht immer auf den ersten Blick erkennen können.

War das Ethikkomitee auch im Zusammenhang mit Covid-19 gefragt?

Dr. Peter Lemberger: Nein. Wir haben den Ärzten und Pflegekräften auf der Intensivstation zu Beginn der Pandemie unsere beratende Unterstützung angeboten, weil wir das Schlimmste befürchteten. Aber Gott sei Dank mussten dort nur wenige Corona-Patienten beatmet werden, so dass wir nicht an die Grenzen unserer therapeutischen Möglichkeiten kamen.

Artikel vom 01.07.2020
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