Ein schwerer Fall

Diskussion um Fällung einer 300-jährigen Eiche bei Grafing

Unter anderem die 300 Jahre alte Eiche links im Bild muss im Zuge des Ausbaus der EBE 8 Seeschneid-Nettelkofen gefällt werden. Das Landratsamt sieht keinen Ausweg, prüft aber alle Alternativen. Foto: Stefan Dohl

Unter anderem die 300 Jahre alte Eiche links im Bild muss im Zuge des Ausbaus der EBE 8 Seeschneid-Nettelkofen gefällt werden. Das Landratsamt sieht keinen Ausweg, prüft aber alle Alternativen. Foto: Stefan Dohl

Grafing · Zwischen Seeschneider Kreisel und Nettelkofen südlich von Grafing wird die Kreisstraße EBE 8 saniert und ein Radweg errichtet. Die Planungen hierzu sind bereits soweit abgeschlossen und auch die Bauarbeiten sind bereits im vollen Gange. Soweit, so gut? In diesem Fall leider nicht.

Und zwar steht eine 300-jährige Eiche mitten auf der zu planen Straße und müsste gefällt werden. Dieses "Problem" ist bereits seit 2019 bekannt. Doch nun regt sich Widerstand im Kreistag als auch bei den Umweltschützern. So haben sich die Kreistagsverbände der Grünen, Freien Wähler und der Bayernpartei für einen Erhalt der Eiche ausgesprochen.

Gefordert wird eine alternative Straßenführung, trotz fortgeschrittener Planungen. „Eine 300 Jahre alte Eiche ist ein Naturjuwel, das es unbedingt zu erhalten gilt", heißt es hierzu von Fraktionssprecherin der Grünen Waltrauf Gruber. "In den Kreistags-Gremien wurde das Thema weder während der Planungen noch danach thematisiert. Dieses Problem hätte schon damals behandelt und gelöst werden sollen. Dass nun die Planungen weit fortgeschritten sind, bedauern wir sehr. Doch noch bleibt Zeit den Fehler zu korrigieren."

Die Fraktion selbst habe auch erst im Mai von den Bürgern davon erfahren. Außerdem gibt es bereits eine Online-Petition mit bereits zahlreichen Unterstützern, die die Fällung des Baumes verhindern soll. Adressiert ist die Petition an Landrat Robert Niedergesäß. Er äußerte sich in der vergangenen Woche in einer Pressemeldung des Landratsamtes ausführlich zu der "Causa Eiche". Dabei setzt er auf sein bewährtes Mittel zum Dialog und zur Versachlichung der Debatte. Neben dem erwünschten Radweg, der das Radwegenetz zwischen Ebersberg und Grafing Bahnhof schließt gehe es bei dem Projekt besonders um die Sanierung der Kreisstraße EBE 8, die sich laut Landratsamt "in einem erbärmlichen Zustand befindet". Die Straße ist derzeit nur fünf Meter breit. Nach den rechtlichen Vorgaben muss eine Kreisstraße aber eine Mindestbreite von sieben Metern vorweisen, sonst wird sie auch nicht gefördert. Insbesondere diese Vorgabe führe zu den jetzigen Problemen, heißt es aus dem Landratsamt.

Die Reaktionen um den Erhalt der alten Eiche sind verständlich, genauso hat auch Landrat Robert Niedergesäß 2019 reagiert, als er erstmals von einem der betroffenen Grundstücksbesitzer auf die dreihundert Jahre alte Eiche aufmerksam gemacht worden ist. Laut Landratsamt hat Niedergesäß daraufhin umgehend eine Überprüfung darüber angeordnet, ob es eine andere Möglichkeit der Trassenführung gibt. Eine echte Alternative wurde bisher trotzdem nicht gefunden.

Der Grund: Der Baum steht mitten auf der neuen Straße. Der Eingriff war nach Aussage des staatlichen Bauamtes mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt und würde entsprechend ausgeglichen. Der Radweg sei daher nicht das Problem! Kleinere Umplanungen, wie sie nun von den Grünen gefordert wurden, werden die Eiche leider nicht retten, heißt es vom Landratsamt. "Ändert man den Straßen- und Radwegeverlauf in größerem Umfang, hat das einen wesentlich höheren Flächenverbrauch zur Folge und würde im Bereich des Waldes bedeuten, dass ein acht bis zehn Meter breiter Streifen neu gerodet werden müsste", so das Landratsamt. "Die Bäume dort haben zwar nicht die Alleinstellungsmerkmale, die der alten Eiche zugeschrieben werden, sind aber auch viele Jahrzehnte alt und verbunden im Ökosystem „Wald“. Die Fällung der Eiche ist demnach das kleinere "Übel" bei den notwendigen Rodungen.

Zudem würde eine andere Trassenführung neue erhebliche Einschnitte in Wiesen und Felder privater Grundbesitzer bedeuten. Dies sei gleichzeitig der Auftakt für neue Grundstücksverhandlungen die letztlich ein Baustopp für eine Baumaßnahme bedeuten würden, die bereits vertraglich vergeben ist. Wegen der vorgegebenen Radien würde sich die Trasse massiv ändern. Geht man den Weg, von den Radien abzuweichen, stehen auch die staatlichen Zuschüsse in Frage, die hier immerhin 650.000 Euro betragen.

Allen Parteien im Kreistag war immer an einer Trassenführung so nah wie möglich an der bestehenden Trasse gelegen. Das konnte umgesetzt werden, heißt es in den Schreiben. Auf der ursprünglichen Planfeststellungsvariante wären nur ca. 20 Prozent auf der jetzigen Straßentrasse verlaufen, durch die gelungene „freiwillige Variante“ ist die Breite um 2 Meter reduziert und Verlauf ist weitgehend auf der jetzigen bereits versiegelten Straße. Straßenquerschnitt und Trassierungselemente wurden auf ein Minimum reduziert. So wurde unter anderem die Fahrbahnbreite von 8 m auf 7 m reduziert. Aus einer „Schnellstraße“, auf der man 100 km/h hätte fahren können, wurde eine umweltschonende Variante mit einer Tempo 70 Beschränkung und der Vermeidung einer weiteren Flächenversiegelung von mindestens 1.200 qm. In Zusammenarbeit mir allen Grundstückseigentümer wurde in einem mehrjährigen Verhandlungsverfahren einvernehmlich die jetzige Trassenführung vertraglich festgelegt. So konnte auch ein langwieriges Planfeststellungsverfahren vermieden werden, das im Ergebnis eher nicht zu dieser flächenschonenden Variante geführt hätte.

Trotz dieser Tatsachen hat Landrat Robert Niedergesäß bereits beim Spatenstich am 3. Juni veranlasst, dass die alternativen Untersuchungsvarianten nochmals dem ULV-Ausschuss in seiner Sitzung am 30. Juni vorgelegt werden. „Jede der Alternativen, die man bis jetzt kennt, die auch in den Kreisgremien vorgestellt und diskutiert wurden, bedeutet einen Eingriff in die Natur, bedeutet Rodungen. Ich bin gerne bereit diesen Abwägungsprozess noch einmal zu diskutieren und Trassen zu untersuchen, die den Erhalt des Baumes ermöglichen, denn ich sehe den ökologischen und ideellen Wert dieses Baumes und der Gedanke, dass er gefällt werden muss, war und ist auch für uns sehr schmerzlich“, so Niedergesäß. Die Zeit der 300 Jahre alten Eiche scheint also langsam abzulaufen.

Artikel vom 26.06.2020
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