Die kommunalrechtliche Herausforderung der Pandemie

Sitzungen trotz Corona?

Sein angestammte Domizil verlassen muss der Stadtrat der Großen Kreisstadt Erding. So dicht gedrängt wie die Verwaltungsbank hier bei einer früheren Sitzung geht es eben nicht mehr. Foto: kw

Sein angestammte Domizil verlassen muss der Stadtrat der Großen Kreisstadt Erding. So dicht gedrängt wie die Verwaltungsbank hier bei einer früheren Sitzung geht es eben nicht mehr. Foto: kw

Erding/Landkreis Erding · Sitzungen kommunaler Gremien sollen auch weiterhin stattfinden, auch wenn wegen dem, was gerne die „allgemeine Lage“ genannt wird gewaltige Einschränkungen notwendig sind. Die Gemeindeordnung, nach der Stadträte und Gemeinderäte grundsätzlich öffentlich tagen, ist ja nicht aufgehoben.

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Hier ist jetzt erheblicher Erfindungsreichtum bitter nötig. Am weitesten geht die große Kreisstadt Erding, die aber auch über eine Infrastruktur verfügt, die es tatsächlich gestattet, öffentliche Sitzungen abzuhalten und dabei dennoch alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen wie etwa der geforderte Abstand zwischen den Sitzungsteilnehmern einzuhalten.

Die Sitzung des Stadtrates am 31. März ist in die Sempt-Sporthalle verlegt worden. Nicht nur, dass die Bürgervertreter hier ganz ähnlich wie bei einer Abiturprüfung einen ordentlichen Abstand voneinander haben, es ist sogar möglich, dass Zuhörer kommen. Wie bei Sportveranstaltungen werden diese auf die Empore verbannt. Dort können sie weit genug auseinander sitzen, zumal erfahrungsgemäß Sitzungen des Stadtrates nicht dermaßen interessant sind für die Öffentlichkeit, dass die Menschen gleich dutzendweise in den Ratssaal strömen.

Christian Wanninger, Pressesprecher der Stadt Erding, sagte der Redaktion des Sempt Kurier Erding deswegen auch, dass auf diese Weise tatsächlich eine Sitzung abgehalten werden kann, wenn auch mit stark reduzierter Tagesordnung. Es stehe tatsächlich nur das nötigste darauf. Die Städte und Gemeinden im Kreis Erding – und nicht nur dort – stehen vor einem grundsätzlichen kommunalrechtlichen Problem: Das Erfordernis der Öffentlichkeit der Sitzung, wie es im Gesetz heißt, kollidiert mit den aktuell notwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Der bayerische Gemeindetag hat, wie die Redaktion an anderer Stelle erfahren konnte, bereits eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht und Hinweise gegeben.

Die Kommunen werden also nicht allein gelassen, die Regelung eines Mindestabstandes von 1,5 Metern etwa zwischen den Gemeinderäten oder Stadträten bei der Sitzung ist genau eine solche Empfehlung des Bayerischen Gemeindetages. Die Stadt Erding hält sich daran. Gleichzeitig wird das Landratsamt als Rechtsaufsichtsbehörde für die Kommunen tätig: Hier wird darauf geachtet, dass die Städte und Gemeinden auch verbindliche und juristisch „wasserdichte“ Entscheidungen treffen können. Bestimmte Verfahren, die sich Bürgermeister schon haben einfallen lassen, wie etwa per E-Mail, sind von der Rechtsaufsichtsbehörde bereits verworfen worden. Völlig klar: Das Erfordernis der Öffentlichkeit ist hier nicht gewahrt.

In den kleineren Gemeinden, wo die Infrastruktur, wie sie die Stadt Erding bereitstellen kann, nicht vorhanden ist, ist guter Rat teuer. Bürgermeister Manfred Ranft aus Wartenberg, Chef der Verwaltungsgemeinschaft Wartenberg, geht davon aus, dass tatsächlich vermehrt mit Eilentscheidungen der Bürgermeister gerechnet werden muss. Das sei vor allem dann der Fall, wenn der Gemeinde ein Schaden droht, weil nicht rechtzeitig entschieden worden ist. Ein solcher Schaden tritt regelmäßig dann ein, wenn Entscheidungen über Baugesuche etwa weil diese an bestimmte Fristen gebunden sind. Äußert sich die Gemeinde innerhalb dieser Frist nicht gilt das gemeindliche Einvernehmen automatisch als erteilt.

Das gleiche gilt für Vergaben, denen eine Ausschreibung vorangegangen ist. In aller Regel hat der günstigste Bieter Anspruch auf Erteilung des Auftrages, so das sich in aller Regel der Diskussionsbedarf im Gremium ohnehin in Grenzen hält. Das Mittel der Eilentscheidung wollen die Bürgermeister nach einer kurzen Umfrage der Redaktion allerdings so sparsam wie irgend möglich anwenden.

Bürgermeisterin Nicole Schley aus Ottenhofen im Süden des Landkreises sieht sich beispielsweise noch in der vergleichsweise glücklichen Situation, dass sie viele Dinge, die eigentlich zur Entscheidung anstünden, noch aufschieben könne. Alle Bürgermeister sprachen von einer echten auch kommunalrechtlichen Herausforderung. kw

Artikel vom 30.03.2020
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