Sinti & Roma in München: weiterhin diskriminiert

Einrichtung "Drom – Sinti & Roma" in Feldmoching hilft

Der 75. Holocaust Gedenktag ist am 27. Januar 2020: Die Einrichtung Drom – Sinti & Roma (hier stellvertretende Leitung Rainer Burger) haben das ganze Jahr über zu tun mit Menschen, die diskriminiert werden. Foto: dh

Der 75. Holocaust Gedenktag ist am 27. Januar 2020: Die Einrichtung Drom – Sinti & Roma (hier stellvertretende Leitung Rainer Burger) haben das ganze Jahr über zu tun mit Menschen, die diskriminiert werden. Foto: dh

München · Rund 360 Klientinnen und Klienten aus der Volksgruppe der Sinti und Roma haben 2019 Hilfe in der Einrichtung "Drom – Sinti & Roma" gesucht. Dabei handelt es sich um über 4.000 Gesprächskontakte, so Rainer Burger, stellvertretende Leitung der Einrichtung.

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Auf die Frage, ob und wie viele Sinti und Roma im beruflichen Umfeld diskriminiert werden, antwortet Burger pragmatisch: Niemand. „Fast alle Angehören der Minderheit outen sich in ihrem Job gar nicht erst als Sinti und Roma, sie zahlen den Preis der Verleugnung, um beruflich nicht ausgebremst zu werden. Das bedeutet, dass auch gerade beruflich erfolgreiche Sinti und Roma von der Gesellschaft nicht gesehen' werden.“

"Drom – Sinti & Roma" ist eine Einrichtung der berufsbezogenen Jugendhilfe der Diakonie Hasenbergl, Zielgruppe sind vor allem unter 27-jährige Angehörige der Minderheit. Weitet man die Frage nach Diskriminierungserfahrungen auch auf das private Umfeld oder die Schule aus, sieht die Situation ganz anders aus. „Hier erzählen unsere Klientinnen und Klienten sehr oft von Vorurteilen, Beleidigungen und Diskriminierung. Ich war schockiert, als Jugendliche einmal mit einer völligen Selbstverständlichkeit in der Stimme erzählten, dass man sie in der Schule und im Alltag 'schon oft vergasen' will“.

Vorurteile, Beleidigungen und Diskriminierung

Dabei sind Sinti und Roma bereits seit Jahrhunderten in Deutschland beheimatet, sind in allen gesellschaftlichen Schichten vertreten. Doch die Verbrechen an Sinti und Roma im Nationalsozialismus wirken bis heute nach. „Die Jugendlichen, die bei uns Rat suchen, berichten von den Erzählungen ihrer Großeltern und Urgroßeltern, das Trauma der damaligen Zeit ist längst nicht vergessen“, so Rainer Burger. Und die zweite Generation, die heute 50-Jährigen, sei noch stärker involviert: „Hier ist eine Sekundärtraumatisierung eingetreten, da der rassistische Völkermord nie aufgearbeitet, sondern im Nachkriegsdeutschland verdrängt, vergessen oder gar verleugnet wurde. Deshalb schlummert dieses Trauma der Verbrechen an der Volksgruppe bis heute in den Köpfen der Minderheit, auch bei den ganz jungen“, so Rainer Burger.

Die Mitarbeitenden von "Drom – Sinti & Roma" haben es sich deshalb auch zur Aufgabe gemacht, Wissen zu vermitteln und Aufklärung zu leisten, in der Einrichtung selbst, aber auch im sozialpolitischen Umfeld der Stadt München. So führt die Stadt München jedes Jahr im März Gedenkveranstaltungen anlässlich der Deportation der Münchner Sinti und Roma am 13. März 1943 durch, die auch von Drom in der „Arbeitsgruppe Gedenken“ mit vorbereitet werden.

Kernaufgabe der drei Mitarbeitenden der Einrichtung ist die Beratung von jungen Sinti und Roma, die ihre Berufschancen verbessern wollen. Auch Familienangehörige werden in die Beratung mit einbezogen, da dies für einen nachhaltigen Erfolg der Arbeit von wesentlicher Bedeutung ist.

„Doch bevor auf Jobsuche gegangen werden kann, müssen oft erst andere, soziale Stolpersteine bei den jungen Menschen aus dem Weg geräumt werden“, so Rainer Burger. Und dazu gehört es auch, Probleme zu besprechen, die nicht nur durch die Jugendlichen alleine zu verantworten oder zu bewältigen sind, sondern eine gesellschaftliche Ursache haben. So wie Ausgrenzung und Diskriminierung.

Die Einrichtung befindet sich im Walter-Sedlmayr-Platz 9.

Artikel vom 04.02.2020
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