Sauerlacher gewinnt das 24-Stunden Einzelzeitfahren mit dem Rennrad

Weltmeistertitel geholt

Der Sauerlacher Peter Scherrer fuhr unglaubliche 689 Kilometer in nur 24 Stunden und holte damit den Weltmeistertitel nach Sauerlach. Foto: VA

Der Sauerlacher Peter Scherrer fuhr unglaubliche 689 Kilometer in nur 24 Stunden und holte damit den Weltmeistertitel nach Sauerlach. Foto: VA

Sauerlach · Ultrasportler Peter Scherrer aus Sauerlach war wie immer voll motiviert für die Radsaison, die im Juni mit einem WM-Titel bei der Ultraradmarathon-Meisterschaft in Österreich ihren ersten Höhepunkt hatte und im Spätherbst mit der 24-Std.-WM ihren Abschluss finden sollte.

Doch plötzlich war alles anders. Bei einem Vorbereitungsrennen in der Schweiz kollidierte er am frühen Morgen des 16. August mit einem Reh und brach sich dabei unter anderem zwei Halswirbel und zwei Brustwirbel. Die Diagnose, die der behandelnde Arzt ihm mitteilte, war niederschmetternd. Er habe großes Glück gehabt, aber an Radsport sei in diesem Jahr auf keinen Fall mehr zu denken. Nach dem Motto „Never give up“ begann Peter jedoch schon nach kurzer Genesungszeit wieder ganz langsam auf dem Hometrainer zu trainieren – jeden Tag ein paar Minuten länger. Die Zeit wurde knapp, denn es blieben nur acht Wochen bis zur 24-Stunden-WM in Kalifornien. Der Heilungsverlauf verlief sehr gut und so stieg die Motivation täglich an. Die Chance, Anfang November doch noch an der Weltmeisterschaft in Borrego Springs teilnehmen zu können, wuchs im gleichen Maße ...

Im Flugzeug Richtung Los Angeles ließ er die letzten harten Wochen Revue passieren und war glücklich, auf dem Weg zu sein. Nach ein paar Tagen der Akklimatisation war es dann soweit. Extremradsportler aus der ganzen Welt standen am Start. Das Teilnehmerfeld und die Konkurrenz waren so groß wie noch nie. Das Ziel war, rund 700 km in 24 Stunden nonstop und ohne Windschatten zu bewältigen. Der bisherige Rekord lag seit 2014 bei 640 km. Ein ambitioniertes Ziel also.

Die besonderen Schwierigkeiten des Rennens waren die komplett unbeleuchtete Strecke, die extrem lange Nacht. die Kälte in der Nacht, gefolgt von plötzlicher Hitze, der sehr grobe Asphalt, zusätzlich mit Schlaglöchern und Unebenheiten übersät und der fehlende Support (individuelle Verpflegung/Material) am Streckenrand in der Nacht.

Peter Scherrer startete nach dem Motto „Jeder Kilometer zählt“ für www.radelnundhelfen.de Dabei versuchte er, bei seiner Fahrt für einen gehandicapten Buben – den 7-jährigen Jakob – möglichst viele Spenden für ein Spezialrad zu sammeln.

Am 1. November um 17 Uhr fiel schließlich der Startschuss für die erste Startwelle (ca. 17 Fahrer). Peter Scherrer wurde in der sechsten und damit vorletzten Welle auf die Strecke geschickt. Vom Start weg konnte er die Führung in seiner Gruppe übernehmen und holte Fahrer für Fahrer der vor ihm gestarteten Gruppen ein. Nach der ersten Runde (knapp 30 km) wurde es bereits dunkel und damit auch kälter.

Innerhalb kürzester Zeit sank die Temperatur von 30 auf 10 Grad. Bereits nach der zweiten Runde konnte er trotz Kälte die Führung in seiner Altersklasse (60-69 Jahre) übernehmen. Bis ca. 22 Uhr hielt er, nur mit einem dünnen Zeitfahranzug bekleidet, der Kälte stand. Mit inzwischen 20 Minuten Vorsprung auf seine Verfolger konnte er entspannt einen längeren Boxenstopp mit Batteriewechsel für die Beleuchtung und Anlegen wärmerer Radbekleidung einlegen.

Mit Fäustlingen, Mütze, Überschuhen, Wärmepads, warmem Trikot, Beinlingen und Ärmlingen ging es dann weiter. In den nächsten Stunden fiel das Thermometer auf bis zu 1,7 Grad, noch eine Wärmeweste musste her, d. h. ein weiterer Stopp war fällig. Eine Winterfahrt in der Wüste – das hatte der Ultraradler sich anders vorgestellt.

Vom Rennverlauf her passte alles. Mit einem Schnitt von über 30 km/h baute er Runde um Runde den Vorsprung in seiner Klasse aus, und hatte den Konkurrenten so bereits nach 12 Stunden eine Runde abgenommen.

Als große Schwierigkeit stellte sich die Selbstverpflegung in der Nacht heraus. Peters Verpflegungstisch mit all seinen Materialien war von der offiziellen Verpflegungsstelle etwas entfernt. So entstand immer wieder ein Zeitverlust. Zudem war durch die Kälte die Nahrungsaufnahme (Flüssignahrung und Energizer) eingeschränkt. Außerdem machten sich durch die ruppige Strecke langsam Sitzprobleme bemerkbar. Trotzdem blieb der Vorsprung konstant bei einer Runde. Gegen 7 Uhr lugte dann endlich die Sonne heraus. Ab 10 Uhr wurde es urplötzlich warm und die Temperatur stieg wieder auf über 30 Grad an. Erneuter Boxenstopp und alles Überflüssige ablegen. Die Rundenzeiten wurden nun immer langsamer, da sich das Kohlenhydratdefizit aus der Nacht deutlich bemerkbar machte. Trotzdem konnte der Sauerlacher das Rennen kontrollieren. Nach und nach wurde ihm nun klar, dass er – sollte nichts Außergewöhnliches mehr passieren – das Rennen in seiner Altersklasse gewinnen konnte.

Da es im Verlauf des Rennens viele Pannen gab, war aber Vorsicht geboten. An der Borrego Springs Road zum Beispiel gab es eine Stelle mit vielen Glassplittern, die man in der Nacht nicht gesehen hatte. „Hoffentlich zerstören die Splitter nicht noch den Reifen“, dachte er bei sich. Doch die Schlauchreifen und die Dichtmilch hielten durch. Ansonsten gab es keinerlei Komplikationen.

Inzwischen waren schon 600 km absolviert. Mit müden Beinen, schwindender Power und wenig Luft im Reifen kam Peter dem Ziel immer näher. Schnell noch eine Cola … mit dem kleinen Energieschub ging es noch einmal mit höherer Geschwindigkeit auf die letzten kürzeren Runden (à ca. 6,5 km). Jetzt war klar: nur noch über die weiße Linie und der ersehnte WM Titel geht nach Sauerlach. Im Ziel standen dann 689 km zu Buche: Das war Platz 1 in der Altersklasse der 60- bis 69-Jährigen und ein neuer Rekord (inoffizieller Weltrekord) im Einzelzeitfahren über 24 Stunden. Rang 10 im Gesamtklassement aller Fahrer (ab 20 Jahren) unterstreicht die Leistung von Peter Scherrer.

„Never give up!“ – diese Devise hatte sich für den Sauerlacher als goldrichtig erwiesen.

Artikel vom 20.11.2019
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