Anthony Power unterstellt Markenrechtsverletzung

»Löwenfans gegen Rechts« vor Gericht

Meinungsäußerung: Signet der »Löwenfans gegen Rechts«. Foto: A. Wild

Meinungsäußerung: Signet der »Löwenfans gegen Rechts«. Foto: A. Wild

München/Giesing · Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth standen sich in dieser Woche die Faninitiative »Löwenfans gegen Rechts« und die in der Hand von Investor Hasan Ismaik befindliche TSV 1860 Merchandising GmbH in einem Prozess um eine behauptete Markenrechtsverletzung gegenüber. Die Münchner Wochenanzeiger waren als Beobachter vor Ort.

Als Lizenznehmerin verkauft die TSV 1860 Merchandising GmbH Werbe- und Fanartikel der Profifußballgesellschaft der Löwen. Seit dem Jahr 2012 betreibt Investor Hasan Ismaik als Unternehmer das Merchandising-Geschäft auf eigene Rechnung. Unbestätigten Berichten zufolge soll der Gewinn aus dem Unternehmen bis zu einer Höhe von 120.000 Euro der Lizenznehmerin zustehen, was darüber hinaus erwirtschaftet wird, zwischen der Profifußballgesellschaft und der TSV 1860 Merchandising GmbH aufgeteilt werden.

Sieht man sich die im Bundesanzeiger veröffentlichen Bilanzen der TSV 1860 Merchandising GmbH an, hat sich der Jahresüberschuss des Unternehmens zwischen dem Geschäftsjahr 2011/2012 (160.000 Euro) und 2016/2017 (337.000 Euro) mehr als verdoppelt. Im Geschäftsjahr 2017/2018 sinkt jedoch der Jahresüberschuss aus dem Verkauf von Fanartikeln plötzlich rapide auf 154.000 Euro. Ismaiks Vertrauter Antony Power führt das Unternehmen seit dem Geschäftsjahr 2017/2018. Er löste den langjährigen Geschäftsführer Roland Kneißl ab. Zuvor war der Maschinenbau-Ingenieur von November 2016 bis Ende März 2017 als streitbarer Geschäftsführer der Profifußballgesellschaft bekannt geworden.

Power lässt seit seinem Amtsantritt vermutete Markenrechtsverletzungen durch die Hamburger Anwaltskanzlei von Appen und Jens verfolgen. Davon betroffen sollen bislang neben Trittbrettfahrern mit kommerziellem Interesse auch verschiedene Fangruppierungen des TSV 1860 München gewesen sein. Öffentlich wurde nun vor Gericht ein Fall der »Löwenfans gegen Rechts«.

Eine namentlich bekannte Unterstützerin aus dem Umfeld der antirassistischen Faninitiative sollte, stellvertretend für diese, eine mit rund 2.000 Euro Anwaltsgebühren versehene Unterlassungserklärung unterzeichnen. Dabei ging es zunächst um eine Auflage von T-Shirts und Aufklebern, die ein Motiv mit dem durchgestrichenen Konterfei von Hasan Ismaik und dem Textzusatz »Ich lieb dich – ich lieb dich nicht« zeigten. Einzelne Fans hatten die Artikel aus Protest gegen eine als Zensur empfundene Bildretusche auf der klubeigenen Website in Umlauf gebracht. Dort war ein Doppelhalter-Transparent aus der Westkurve mit dem gleichen Motiv auf einem Foto digital entfernt worden.

Weil auf dem als Vorlage dienenden Transparent wie auf den T-Shirts unter anderem ein dem offiziellen Klubwappen ähnliches Signet zu sehen war, berief sich die TSV 1860 Merchandising GmbH auf das Markenrecht und ließ eine kostenbewehrte Abmahnung erteilen, die den Vertrieb der Hemden und Aufkleber untersagen sollte. Die Berechnung eines möglichen materiellen Schadens behielt sich das Unternehmen darüber hinaus vor und verlangte Auskunft über mutmaßlich getätigte Verkäufe. Tatsächlich hatten die »Löwenfans gegen Rechts« aber, begleitet von einem starken Presseecho, die T-Shirts am Spieltag verschenkt.

Die persönlich Beklagte, die von der Kanzlei des auf Marken- und Urheberrecht spezialisierten Anwalts Nicolai Walch aus Regensburg vertreten wird, erhob daraufhin eine sogenannte negative Feststellungsklage vor Gericht, die der Merchandising GmbH untersagen sollte, sie in dieser Sache überhaupt in Anspruch zu nehmen. Schließlich habe sie persönlich weder mit der Anfertigung noch mit dem Vertrieb der inkriminierten Artikel etwas zu tun gehabt.

Als Reaktion auf die negative Feststellungsklage, reichten die Vertreter der Merchandising GmbH ihrerseits Widerklage vor Gericht ein. Sie wollten nun auch die Verwendung eines seit etwa 30 Jahren in Gebrauch befindlichen Signets der Faninitiative, das eine Faust zeigt, die ein Hakenkreuz zerschmettert sowie eine dem Klubwappen ähnliche Abbildung und den Textzusatz »Löwenfans gegen Rechts« trägt, als eine Markenrechtsverletzung gewertet wissen.

Beide Sachverhalte kamen vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zur Verhandlung. Die dreiköpfige Kammer unter dem Vorsitz von Richter Dr. Rainer Beisenwenger erklärte zu Beginn der Verhandlung, man habe sich anhand der eingereichten Schriftsätze intensiv mit der Thematik beschäftigt und traue sich eine substantielle Rechtsauffassung zu. Beisenwenger ließ in seinen Ausführungen erkennen, dass er auch in sportpolitischen Fragen über Erfahrung verfügt.

Ehe die Kammer ihre Einschätzung des Falls darlegen wollte, forderte das Gericht die Anwälte beider Parteien auf, das spezifische Interesse in der Sache noch einmal mündlich vorzubringen, aber auch darüber nachzudenken, ob ein Vergleich ohne Urteil nicht für beide Seiten eine sinnvollere Lösung des Konflikts sei. Rechtsanwalt Sven Piel, der für die Kanzlei von Appen und Jens die TSV 1860 Merchandising GmbH vertrat, verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und wollte mit seinem Mandanten telefonieren. Die Verhandlung wurde unterbrochen, um beiden Anwälten Gelegenheit zur Rücksprache zu geben. Piel erklärte sodann, sein Mandant sei gesprächsbereit, wolle unter Umständen darauf verzichten, die Angelegenheit mit den T-Shirts und Aufklebern weiter zu verfolgen, wenn im Gegenzug gestalterische Anpassungen am Signet der »Löwenfans gegen Rechts« vorgenommen würden, die eine künftige markenrechtliche Verletzung ausschließen.

Ein Vorschlag, den Rechtsanwalt Walch als für seine Mandantin inakzeptabel ablehnte. Die »Löwenfans gegen Rechts« würden das beanstandete Signet nachweislich seit 1990 nutzen und noch nie habe sich seither ein Präsidium oder eine Geschäftsführung des TSV 1860 München dagegen verwehrt. Im Gegenteil, man könne zwei frühere Geschäftsführer als Zeugen benennen, die der Faninitiative die Nutzung sogar explizit gestattet hätten. Zudem zweifelte Walch an, ob die TSV 1860 Merchandising GmbH als Lizenznehmerin – aber nicht Inhaberin der Marke – legitimiert wäre, vermutete Rechtsverstöße zu verfolgen. Eine entsprechende Erklärung der Markeninhaberin liegt seiner Ansicht nach nicht vor. Das entsprechende Schriftstück zu besorgen, wäre organisatorisch kein Problem, entgegnete Piel, musste sich darauf aber von Richter Beisenwenger belehren lassen, dass dies im laufenden Verfahren nicht mehr möglich sei und deshalb für den Ausgang der Verhandlung irrelevant.

Die Kammer sah nach dem Austausch aller Argumente die Sache als reif für eine Entscheidung. Der Vorstellung, die beklagte Unterstützerin aus dem Umfeld der Faninitiative, habe keine Kenntnis gehabt von den Vorgängen und könne deshalb schon nicht in Anspruch genommen werden, wollte das Gericht nicht folgen. Wer namentlich als Kontakt im Internet benannt sei, müsse sich Veröffentlichungen der Gruppe zurechnen lassen. Andernfalls könne nur eine umfangreiche Beweisaufnahme das Gegenteil erbringen.

Im Hinblick auf die T-Shirts und Aufkleber ließ das Gericht keinen Zweifel daran, dass es die fraglichen Erzeugnisse als Ausdruck freier Meinungsäußerung und für zulässig hält. Eine Verletzung von Markenrechten sei nicht erkennbar. Als eine kritischere Frage beurteilte die Kammer das verwendete Signet der Faninitiative. Aber auch hier stünde nach Ansicht des Gerichts durch den feststehenden Textzusatz »Löwenfans gegen Rechts« und die Kombination der Elemente zu einer politischen Botschaft der Aspekt der Meinungsäußerung im Vordergrund. Absender der Botschaft seien erklärtermaßen Fans und nicht der Klub. Nach der herrschenden Literatur könne eine markenmäßige Nutzung nicht angenommen werden. Das Gericht ließ erkennen, dass es zur Abweisung der Widerklage der TSV 1860 Merchandising GmbH tendiert.

Die Kammer habe sich die Beurteilung nicht leicht gemacht, alle Aspekte wohl erwogen und nichts aus dem Bauch heraus entschieden, betonte der Vorsitzende. Ein endgültiges Urteil mit Verkündigung ergeht bis zum 14. November.

(as)

Artikel vom 11.10.2019
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