Streit geht in die nächste Runde

Kuhglockenstreit: Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH

Der Kuhglockenstreit geht in die nächste Runde. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Foto: S. Dohl

Der Kuhglockenstreit geht in die nächste Runde. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. Foto: S. Dohl

Holzkirchen · Neue Entwicklungen im Kuhglockenstreit in der bayerischen Gemeinde Markt Holzkirchen: Gut zwei Wochen nachdem das Oberlandesgericht München (OLG) am 10. April 2019 die Klage eines Anwohners gegen die Gemeinde sowie eine ortsansässige Landwirtin in zweiter Instanz abgewiesen hat, hat dieser jetzt Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingereicht.

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„Das OLG München hat die Revision in seinem Endurteil nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger daher zunächst nur das Ziel, die Revision zum BGH doch noch zuzulassen. Gründe, die ernsthaft für eine Zulassung der Revision sprechen, kann ich dem sehr ausführlich begründeten Endurteil des OLG München allerdings nicht entnehmen“, sagt Rechtsanwältin Annika Hecht, die die Gemeinde in dem Fall vertritt.

Nach den Worten der Anwältin bedeutet die Beschwerde rein rechtlich nicht, dass der BGH diese automatisch zulässt. „Erst wenn die Nichtzulassungsbeschwerde geprüft und ihr stattgegeben wird, setzt sich der BGH inhaltlich mit dem Fall auseinander. Und das kann dauern. Erfahrungsgemäß entscheidet der BGH über die Zulassung einer Revision innerhalb von sechs bis 18 Monaten. Dabei führen weniger als 20 Prozent aller Nichtzulassungsbeschwerden tatsächlich zur Revisionszulassung. Das eigentliche Revisionsverfahren dauert dann noch weitere rund zwölf Monate. Die Erfolgsquote derartiger Verfahren liegt bei etwa 80 Prozent. Die Gemeinde wird zunächst die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abwarten. Diese wird der Kläger in den kommenden Wochen einreichen“, erklärt Annika Hecht.

Denn: Begründet ist die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers nur dann, wenn er Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) darlegen kann. Zulassungsgründe sind demnach die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache an sich, aber auch die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Dass das Berufungsurteil objektiv fehlerhaft ist, genügt nicht. Erforderlich ist in jedem Fall eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung des gerügten Fehlers. Sie kann etwa darin liegen, dass das angefochtene Urteil eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwirft, die sich auch in einer Vielzahl weiterer Fälle stellen kann, oder dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung eines gleichrangigen oder eines höherrangigen Gerichts abweicht. Ferner kann ein Zulassungsgrund gegeben sein, wenn die unterlegene Partei durch die angefochtene Entscheidung in Grundrechten, insbesondere Verfahrensgrundrechten, verletzt ist.

Historie des Kuhglockenstreits:
Ursprünglich hatte der Kläger als Anwohner dagegen geklagt, dass die neben seinem Grundstück weidenden Kühe keine Glocken mehr tragen dürfen. Im weiteren Verlauf verlangte er zudem das Verbot der Gülleausbringung und der Viehhaltung auf der Weidefläche, da unter anderem der Geruch sowie ein vermehrtes Insektenaufkommen sein Leben und das seiner Ehefrau stark einschränken würden.

Das Ehepaar lebt seit 2004 in Holzkirchen und hatte 2011 ein Haus im Ortsteil Erlkam mit unverbautem Blick an einer Heuwiese erworben. Der Streit gegen die Gemeinde begann, als diese die Wiese einer Bäuerin als Weidefläche verpachtete. Daraufhin hatte der Ehemann in erster Instanz vor das Landgericht München II Klage eingereicht.

Hauptgrund für deren Ablehnung war ein bereits im Herbst 2015 geschlossener Vergleich vor dem Amtsgericht Miesbach zwischen dem Kläger und der Landwirtin. Auf dessen Grundlage war die Wiese zweigeteilt worden. Auf dem nah am Anwesen liegenden Teil sollten nur noch Kühe ohne Glocken weiden, auf dem mindestens 20 Meter entfernten Teil die Kühe mit Glocken.

In die zweite Instanz war der Kläger gegangen, weil der Lärm durch den Vergleich kaum eingedämmt worden sein soll. Mit der Ablehnung der Klage hatte das OLG bestätigt, dass der Nachbar weder die Viehhaltung mit oder ohne Kuhglocken noch die Gülledüngung pauschal verbieten lassen kann.

„Die Wiese liegt in einem Dorfgebiet und in einem solchen ist landwirtschaftliche Nutzung wie die Vieh- und Weidehaltung mit Gülleausbringung grundsätzlich erst einmal erlaubt. Die Verwendung von Kuhglocken kann nach der Urteilsbegründung ebenfalls nicht schlechthin verboten werden. Einen Beweis zu angeblichen Geräuschimmissionen blieb der Kläger schuldig. Darüber hinaus hat sich der Nachbar mit der Bäuerin in dem gerichtlichen Vergleich bereits verbindlich auf eine eingeschränkte Viehhaltung mit Kuhglocken geeinigt“, erläutert Hecht.

Auch die Ehefrau klagt: Neben der jetzt beim BGH eingereichten Nichtzulassungsbeschwerde läuft aktuell auch eine Klage der Ehefrau. Sie war am Vergleich nicht beteiligt gewesen und hatte deshalb unabhängig von ihrem Ehemann im November 2017 Klage beim Landgericht München II mit gleichen Anträgen wie der Ehemann eingereicht. Auch diese Klage wurde vom Landgericht zwischenzeitlich abgewiesen und ist derzeit in der Berufungsinstanz.

Artikel vom 29.04.2019
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