Der Kampf gegen Krebs

Am 4. Februar ist Weltkrebstag – Neue Therapie gibt Hoffnung

Prof. Angela Krackhardt im Gespräch mit einer Patientin. Foto: M.Stobrawe, Klinikum rechts der Isar

Prof. Angela Krackhardt im Gespräch mit einer Patientin. Foto: M.Stobrawe, Klinikum rechts der Isar

München · "Ich lebe gerne und habe noch einiges in meinem Leben vor", sagt Herbert Stermsek. Der 83-Jährige mit den lebendigen Augen und den langen grauen Haaren sprüht vor Lebenslust.

Dabei erhielt er vor zwei Jahren eine Diagnose, die bis vor kurzem oft den baldigen Tod bedeutete: schwarzer Hautkrebs. "Das war, als hätte man mich an die Wand gestellt und erschossen", erinnert sich der Münchner an den Moment der Diagnose. "Ich war dann bei verschiedenen Ärzten, doch nur bei Frau Prof. Krackhardt hatte ich das Gefühl, es passt", berichtet er.

Prof. Angela Krackhardt ist Oberärztin in der onkologischen Tagesklinik und leitet die Arbeitsgruppe Tumorimmunologie und translationale Immuntherapie im Klinikum rechts der Isar. Die 48-Jährige spricht mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. "Die Erfolge sind enorm, aber bei aller Euphorie müssen wir doch vorsichtig sein. Die Therapien eignen sich nicht für jeden Patienten, sie sind mitunter mit schweren Nebenwirkungen verbunden, und wir wissen noch gar nicht, wie die langfristigen Folgen aussehen", gibt sie zu bedenken.

Nach sorgfältiger Abwägung rät sie Herbert Stermsek 2018 zu einer Kombination aus Strahlentherapie und einer Krebsimmuntherapie mit einem so genannten Immun-Checkpoint-Hemmer. Alle drei Wochen sitzt Herbert Stermsek in der onkologischen Ambulanz mit Blick auf die Ismaninger Straße, während per Infusion das Medikament in seinen Körper fließt. Schmerzen oder Nebenwirkungen spürt er dabei keine. Tatsächlich schrumpft mit der Zeit der Tumor. Die Immuntherapie schlägt an.

Die Immun-Checkpoint-Hemmung ist eine von verschiedenen Krebsimmuntherapien. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass die Immunzellen des Körpers, die T-Zellen, den Tumor zwar erkennen, aber nicht angreifen können. Der Grund: Die Tumorzelle besetzt einen Schalter auf der T-Zelle und bremst sie dadurch aus. Der Immun-Checkpoint-Hemmer löst die Bremse und das Immunsystem kann den Krebs attackieren. Das Gute dabei: Es werden vor allem Tumorzellen, keine gesunden Zellen angegriffen. Das erklärt, warum die von der Chemotherapie gefürchteten Nebenwirkungen wie Haarausfall und Übelkeit ausbleiben. "Allerdings kann es auch bei der Immuntherapie zu unerwünschten Wirkungen kommen", betont Prof. Krackhardt. So können sich die Immunzellen gegen die Organe richten und zu Entzündungen etwa von Lunge, Leber und Nieren führen.

Selten können auch langanhaltende Nebenwirkungen auftreten, wie beispielsweise ein Diabetes.

Checkpoint-Hemmung: Das Immunsystem in Fahrt bringen

Wenn Angela Krackhardt das Hauptgebäude des Klinikums verlässt und mit schnellen Schritten über die Straße in ihr Labor in der Trogerstraße wechselt, verwandelt sich die Ärztin in die Wissenschaftlerin. Man spürt ihre Leidenschaft für die Forschung. Ein weiterer Ansatz in der Krebsimmuntherapie, die zelluläre Therapie, ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte. "Während die Checkpoint-Hemmer dem Immunsystem nur unter die Arme greifen, stattet die zelluläre Therapie das Immunsystem gleich mit einem ganz neuen Werkzeug aus", erklärt sie.

Dazu zählen etwa im Labor entworfene Designerzellen - T-Zellen, die genetisch verändert wurden, um spezifisch Krebszellen zu erkennen. Sie gelangen per Gentransfer in den Körper und werden aktiv, sobald sie auf eine Tumorzelle treffen. Da jeder Tumor einzigartig ist, muss auch jede Designerzelle einzigartig sein. Diese Therapien sind kostspielig und müssen erst noch in Studien erprobt werden. Angela Krackhardt und ihr Team planen gerade eine erste Studie mit Patienten. Bis zum Studienstart werden aber vermutlich noch einige Jahre vergehen.

Damit solche und weitere wegweisenden Studien umgesetzt werden können, ist nicht nur das Wissen der Spezialisten gefragt, sondern auch die Bereitschaft von Patienten, an einer Studie teilzunehmen. Herbert Stermsek brauchte nur kurze Bedenkzeit, um sich dafür zu entscheiden. Obwohl sein Tumor gut auf die Therapie anspricht und er sich gesund fühlt, nimmt er nun an einer neuen Studie teil. Sie beruht weder auf der Immun-Checkpoint-Hemmung noch der zellulären Immuntherapie, sondern auf einem weiteren Ansatz in der Immuntherapie: der therapeutischen Krebsimpfung. Dafür analysieren Forscher die Mutationen in seinen Tumorzellen und entwickeln einen Impfstoff, der genau auf seinen Tumor zugeschnitten ist. Die Impfung soll den T-Zellen seines Immunsystems helfen, die Tumorzellen zu erkennen und den Krebs zu zerstören.

Designerzellen für die Krebsbekämpfung

Was macht die Ärztin und Wissenschaftlerin Angela Krackhardt, wenn sie nicht in der Klinik oder im Labor arbeitet? "Ich schöpfe Kraft aus der Natur, lasse mich von klassischer und neuer Musik inspirieren und komme beim Lesen auf neue Gedanken", antwortet sie. Jetzt muss sie aber wieder zurück in die Klinik, zieht sich den Kittel an und zurrt die Haare mit einem Band fest. Es ist Freitagabend; kurz zuvor hat sich Herbert Stermsek im Klinikum rechts der Isar erneut untersuchen lassen. Die Aufnahmen des PET/CT soll klären, ob die Immuntherapie auch weiterhin anschlägt oder ob sich Metastasen gebildet haben. Auf den Bericht warten Herbert Stermsek und Angela Krackhardt nur wenige Tage.

Die Krebsimmuntherapie wird mittlerweile bei verschiedenen Krebsarten in Deutschland eingesetzt. Allerdings kann sie nicht bei jedem Patienten angewandt werden. Ob tatsächlich eine Immuntherapie infrage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sie betreffen unter anderem dem Tumor, der Art der Erkrankung und den Gesundheitszustand des Patienten.

Artikel vom 04.02.2019
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