Die Eintragungsfrist läuft

Erding · Volksbegehren Artenvielfalt: Die Bayern können mitreden

Es geht um viel mehr als "nur" die Biene. Aber das fleißige Insekt ist zum Sympathieträger des Volksbegehrens und zum Sinnbild einer bedrohten Artenvielfalt geworden. Foto: NickRivers, CC0

Es geht um viel mehr als "nur" die Biene. Aber das fleißige Insekt ist zum Sympathieträger des Volksbegehrens und zum Sinnbild einer bedrohten Artenvielfalt geworden. Foto: NickRivers, CC0

Erding · »Rettet die Bienen!« Mit diesem Slogan geht das Volksbegehren Artenvielfalt in die heiße Phase. In Erding und im ganzen Freistaat. Am Donnerstag, 31. Januar, hat die vierzehntägige Eintragungsfrist begonnen. Der letzte Tag, an dem sich jeder Wahlberechtigte in Bayern, in den Rathäusern eintragen kann, ist der 13. Februar.

Danach wird ausgezählt. Haben sich mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten in Bayern, das sind etwa eine Million Menschen, eingetragen, folgt der nächste Schritt. Bis dahin haben die meisten Bayern die Gelegenheit, an der Gesetzgebung im Freistaat mitzuwirken und eine Entscheidung für die nächsten Generationen zu unterstützen. Konkret geht es um eine Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes. Ein entsprechender Entwurf soll mit dem Volksbegehren zur Verabschiedung durch den Landtag vorgelegt werden. Die erste Hürde dafür waren 25.000 Unterstützer-Unterschriften, die die Initiatoren im vergangenen Herbst gesammelt haben. Genau genommen waren es sogar über 100.000 und damit auch ein Signal, welche Bedeutung die Gesetzesänderung für die Wähler hat.

Im Eintragungszeitraum kann sich jeder in Bayern Wahlberechtigte in seinem Rathaus oder in einer der zusätzlichen Eintragungsstellen persönlich eintragen. Dafür ist der Personalausweis erforderlich. Damit der Entwurf in den Landtag geht, braucht er innerhalb von zwei Wochen rund eine Million Unterstützer. Genau genommen müssen es zehn Prozent der im Freistaat rund zehn Millionen Wahlberechtigten sein. Nach Ansicht von Helga Stieglmeier vom Aktionsbündnis Erding eine lösbare Aufgabe: "Beim Volksbegehren zur Artenvielfalt war ja bereits in der ersten Phase das Interesse der Menschen sehr groß. Auch jetzt ist die Resonanz sehr gut, deshalb bin ich sehr optimistisch." Im Landkreis Erding rechnet Stieglmeier mit Rückenwind. "Die Rückmeldungen hier im Landkreis Erding, bei der Gründung des Aktionsbündnisses, bei Veranstaltungen und Infoständen ist sehr gut. Viele Vereine und Organisationen haben sich dem Bündnis angeschlossen, diese repräsentieren viele Bürgerinnen und Bürger. Daher bin ich sehr optimistisch." So sieht es auch Stephan Treffler von der ÖDP Erding: "Das Thema brennt den Menschen auf den Nägeln. Wir werden hier im Landkreis die erforderlichen zehn Prozent auf alle Fälle erreichen, davon gehe ich aus." Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen ein Naturschutzgesetz schaffen, dass vor allem den Schutz der Artenvielfalt in Bayern zum Ziel hat. Ein wichtiger Punkt ist dabei die ökologische Landwirtschaft nach dem Öko-Landbaugesetz. In Bayern sollen bis 2025 mindestens 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen ökologisch bewirtschaftet werden. Bis 2030 sollen es 30 Prozent sein. Für staatliche Flächen fordert der Gesetzesvorschlag eine striktere Regel: Diese sollen bereits ab 2020 ökologisch bewirtschaftet werden, also ab kommendem Jahr. Voraussetzung dafür ist die Rechtsgültigkeit des Gesetzes. Davor stehen das Erreichen des Quorums, die Zustimmung der Mehrheit und die Verabschiedung durch den Landtag. Sollte der neue Text im Parlament durchfallen, muss es ein Gegengesetz verfassen. Zwischen dem eingebrachten Entwurf und dem Gegengesetz müssen die Bayern dann innerhalb eines halben Jahres nach dem Volksbegehren – also bis 13. August – in einem Volksentscheid befinden. Die Mehrheit entscheidet über die Neufassung, in Teilen verbunden mit mehr Regulierung.

Mehr Regulierung erfordert die Maßgabe, wonach Himmelsstrahler (in der Regel zu Werbezwecken) und Einrichtungen mit ähnlicher Wirkung unzulässig sind. Diese wirken sich nämlich unter anderem negativ auf die Insektenfauna aus, weil in tiefster Dunkelheit helles Licht erzeugt und über Kilometer abgestrahlt wird. Mehr Regulierung bedeutet auch der Gewässerrandstreifen, der an natürlichen fließenden oder stehenden Gewässern nicht garten- oder ackerbaulich genutzt werden darf. Ziel dieser Maßnahme ist der Schutz des Wassers, wie er in vielen Bundesländern bereits geregelt ist. Es gibt aber durchaus Skeptiker, die sich mit dem Volksbegehren nicht anfreunden können. "Im Grunde genommen ist das nur noch der Bayerische Bauernverband", sagt Treffler. "Er kritisiert pauschal, dass die Landwirtschaft noch weiter in die Enge getrieben würde. Dabei haben sich der Bayerische und der Deutsche Bauernverband seit Jahrzehnten auf die falsche Seite gestellt. Sie waren immer Handlanger einer zunehmend industrialisierten Landwirtschaft." In der Folge sei der Boden ausgebeutet worden, oft auch zu rücksichtslos. Ein weiterer Zweifler ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der befürchtet, dass kleinere landwirtschaftliche Betriebe an den erweiterten Vorgaben zum Natur- und Gewässerschutz wirtschaftlich scheitern könnten. Helga Stieglmeier sieht diese Betriebe nicht in Gefahr, wenn sie bei der Umsetzung und Einhaltung geltender Gesetze finanziell gefördert werden. "Es ist die Aufgabe der bayerischen Staatsregierung, dafür Sorge zu tragen", betont sie die Verantwortung der Politik für Mensch und Umwelt. Stephan Treffler findet's gar sonderbar, dass die kleineren Landwirtschaftsbetriebe als Argument herhalten müssten: "Gerade die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die vor allen Dingen kleinere landwirtschaftliche Betriebe vertritt, unterstützt das Volksbegehren von Anfang an. Die Erfahrung zeigt doch, dass gerade die kleinen Betriebe in den letzten Jahrzehnten verschwunden sind. Und die Entwicklung würde unter den jetzigen Bedingungen so weitergehen."

Skeptisch hat sich auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner geäußert und auf Twitter ganz klar erklärt: "Nein, ich spreche mich nicht für das Volksbegehren aus." Gleichzeitig meint sie, das Anliegen auf Biodiversität unterstützten alle Agrarminister, die sie kenne. Dieses zwiespältige Verhalten kann Helga Stieglmeier nicht nachvollziehen: "Den Sonntagsreden, dass alle für Artenvielfalt, für Umwelt- und Klimaschutz sind, müssen endlich Taten folgen. Nur vom Darüberreden wird nichts besser." Jetzt sind die Wahlberechtigten gefragt: Meinung bilden und dann eintragen – oder eben nicht, je nach Haltung. Weitere Informationen, Möglichkeiten zur Mitwirkung und den Gesetzentwurf findet man im Internet auf www.volksbegehren-artenvielfalt.de

Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 31.01.2019
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