Den Rätseln alter Fahrzeugbaukunst auf der Spur

Die Geheimnisse der Kutschen und Schlitten im Marstallmuseum

Der Schwan am Prachtschlitten, wie König Ludwig II. ihn gesehen hat, und eine Röntgenaufnahme davon. Der Blick ins Innenleben offenbart aber entgegen der Annahme nicht alle Geheimnisse.	Fotos: © Bayerische Schlösserverwaltung

Der Schwan am Prachtschlitten, wie König Ludwig II. ihn gesehen hat, und eine Röntgenaufnahme davon. Der Blick ins Innenleben offenbart aber entgegen der Annahme nicht alle Geheimnisse. Fotos: © Bayerische Schlösserverwaltung

München · Stolz reckt sich die Nymphe in die Höhe. Ihre langen Haare wehen im Wind, um ihren schlanken Körper winden sich Blumenranken. Die Hände hat sie erhoben, in ihnen hält sie eine Krone.

In dieser Krone brannte einstmals Licht, wenn König Ludwig II. in seinem Neuen Prachtschlitten durch das Gelände streifte. Hinter der Nymphe hat ein Schwan seinen Platz. Umwoben von Ranken und von Putten begleitet, gehört er zu einer Tritonsfigur, die auf dem Gestell des Schlittens befestigt ist. Doch wie ist er gebaut? Und wo verläuft das Kabel für den Strom in der Lampe der Krone?

Diesen und weiteren Fragen zu den Fahrzeugen, die im Marstallmuseum ausgestellt sind, ist die Bayerische Schlösserverwaltung nachgegangen. Sie hat Teile des Neuen Prachtschlittens, des Neuen Galawagens König Ludwigs II. und des Krönungswagens Kurfürst Karl Albrechts beziehungsweise Kaiser Karl VII. samt den dazugehörigen Pappmaché-Pferden geröntgt, um mehr über das Innenleben der aufwändigen Konstruktionen zu erfahren. »Wir wollen wissen, wie die Konstruktion verläuft und wie die Dekoration außen herum gebaut ist«, erklärt Dr. Heinrich Piening, Restaurator der Bayerischen Schlösserverwaltung. Die Lampe der Nymphe am Neuen Prachtschlitten, einem Multifunktionsfahrzeug, bei dem der Wagenkasten abgenommen und auf ein Wagengestell montiert werden konnte, musste mit Strom versorgt werden.

Dieser kam aus Batterien, die unterhalb des Sitzes im Kutschkasten angebracht waren. Am Rücksitz des Schlittens, dort, wo der Lakai saß, ist ein Lichtregler ähnlich eines Dimmers angebracht. »Das Kabel verläuft erst ein Stück im Arm der Nymphe, dann getarnt im Blumenschmuck um sie herum und verschwindet auf Höhe ihres Gesäßes im Holz. Hinten am Rücksitz sieht man das Kabel ein Stück weit, dazwischen ist es verdeckt«, so Piening. Wo es zwischen Nymphe und Rücksitz verläuft, möchte er mit dem Röntgengerät klären. Der Schwan der Tritonsfigur wirft ebenfalls einige Fragen auf. »Wie ist er gebaut und wie sitzt er auf dem Schlitten?«

Das Röntgen mit der mobilen Röntgenanlage erfolgt im Prinzip wie in der Medizin. Nur die Maschine ist größer und variabler einsetzbar. Mit ihr kann von einer Minute bis zu 15 Minuten belichtet werden. Damit kommt man auch durch dickere Stahlträger und Betonschichten, für die das Röntgengerät normalerweise eingesetzt wird.

Nach dem Röntgen werden die Aufnahmen vor Ort entwickelt. Dazu kommen sie in ein Entwicklerbad. Auf den Bildern werden skurrile Formen sichtbar, die manchmal erst auf den zweiten Blick offenbaren, was sie eigentlich darstellen. Nun ist zu erkennen, dass der Schwan aus einem verleimten Paket aus Holz geschnitzt ist. Viele einzelne Bretter sind übereinander geleimt und danach in Form gebracht. »Das ist eine handwerkliche Meisterleistung, da haben Bildhauer und Konstrukteure Hand in Hand gearbeitet«, staunt Piening.

Das Kabel des Neuen Prachtschlittens wirft nach wie vor Fragen auf: Es ist auf keiner der Aufnahmen zu sehen. »Wir konnten nicht alles röntgen, aber dort, wo wir geröntgt haben, ist es nirgends auf den Bildern erkennbar«, so Piening. Es verläuft vermutlich in den Kufen des Schlittens oder ist so gut verkleidet, dass es schlichtweg nicht erkennbar ist. Die Nymphe darf ihr Geheimnis also vorerst bewahren.

Artikel vom 20.09.2017
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