Kanal Kirchner - ein Walkman-Krimi mitten in München

Auf dem Horror-Psycho-Trip

München· Ein dunkler Gang scheinbar menschenleer, Stille. Dann plötzlich eine eiskalte Stimme direkt am Ohr: Schau dich unauffällig um, ob sie dich beobachten.

Dann geh zu der Tür da vorn, stoß sie auf und geh die Treppen hinunter. Der Weg führt immer weiter, durch unterirdische Gänge, durch verlassene Hinterhöfe, durch Grünanlagen und U-Bahnschächte. Und immer diese Stimme, die die Richtung vorgibt, an unsichtbaren Fäden zieht und das Fürchten lehrt.

Ein echter Psychotrip aber nicht etwa im Filmstudio oder auf der Theaterbühne, sondern ganz real, mitten in München. Attrappen gibt es nicht, auch keine Schauspieler, sondern nur wirkliche Akteure. Die Regisseure Bernd Ernst und Stefan Kaegi haben einen Thriller speziell für München konzipiert. Jeder, der sich darauf einlässt, ist ganz auf sich alleine gestellt.

Er bekommt einen Walkman in die Hand gedrückt und muss sich auf eine Reise machen. Was ihn erwartet, ist völlig unklar. Das Ziel der Reise, ja selbst die Rolle, die der Reisende übernimmt, ist unbekannt. Ist man nur unbeteiligter Zuschauer in einem Krimi, ist man der Kommissar, der Täter oder sogar am Ende das Opfer?

Schon die Vorgeschichte des Krimis ist nichts für schwache Nerven: Zweimal sind in Deutschland bereits geheimnisvolle Tonbänder aufgetaucht. Jedes Mal standen sie im Zusammenhang mit einem Mord.

Jedes Mal machte sich jemand auf, um den Anweisungen auf dem Band zu folgen und verschwand spurlos. Nun gibt es seit kurzem eine dritte Kassette und zwar in München. Ausgangspunkt für die Anweisungen eines gewissen Herrn Bruno Kirchner ist die Muffathalle. Hier fühlt man sich noch sicher und geborgen schließlich ist ja alles nur ein Spiel.

Oder vielleicht doch nicht? Spätestens dann, wenn man nach draußen gelotst wird, kommen erste Zweifel auf. Der psychotische Regisseur, der per Band den Weg vorgibt, weist auf seltsame Dinge hin: auf rätselhafte Zeichen an Hauswänden und auf Kameras, die überall lauern, um uns zu überwachen.

Noch nie zuvor ist man sich bewusst geworden, dass in München beinahe an jeder Ecke irgendeine Kamera montiert ist. Und dann die vielen Lüftungsschächte, Stacheldrähte und Gitter! Was mag sich dahinter oder darunter verbergen? Was ist das für ein seltsames, spinnenähnliches Gebilde dort hinter dem Spielplatz? Eine Art UFO oder ein Beobachtungsposten? Der geheimnisvolle Regisseur schafft es, zu verunsichern.

Man fühlt sich ihm mehr und mehr ausgeliefert, wie eine Marionette. Er führt durch ein München, das man bisher nicht kannte oder zumindest noch nie auf diese Art wahrgenommen hat. Das Rauschen der Isar , wann hat es sich je so bedrohlich angehört? Der Gasteig warum ist einem eigentlich nie aufgefallen, dass es dort ein riesiges Labyrinth von Gängen gibt? Gänge, in denen teilweise keine Menschenseele zu finden ist. Und dann wieder Räume, in denen hektische Betriebsamkeit herrscht, wo das Leben pulsiert.

Sehe den Menschen um dich herum genau in die Augen. Achte vor allem auf solche, die dunkle Gepäckstücke mit sich tragen. Sie könnten gefährlich sein, raunt einem die Tonband-Stimme ins Ohr.

Der Krimi Kanal Kirchner ist durchaus nicht dazu geeignet, uns unseren Mitmenschen näher zu bringen, Schranken ab- und Vertrauen aufzubauen. Darauf weist schon die vollkommen isolierte Situation hin, in der sich jeder Walkman-Abenteurer befindet. Dafür hat der Psychotrip andere positive Effekte: Er schärft die Wahrnehmung für Orte, Gegenstände und Vorgänge aus dem Alltagsleben.

Man nimmt Menschen buchstäblich mit allen Sinnen war. Der geheimnisvolle Regisseur weist auf den Duft von frischem Brot aus einer Backstube hin, auf ein verstaubtes und verlassenes Auto in einer Tiefgarage, auf den gruseligen Hall einer Eisentür in einem unterirdischen Laboratorium und zum Schluss... Der Ausgang des Psychothrillers wird natürlich nicht verraten. Und wer weiß, ob nicht auch in München jemand verschwindet...

Den Krimi Kanal Kirchner kann man im Rahmen des Theaterfestivals SpielArt bis zum 1. Dezember täglich selbst erleben. Anmeldung unter 0179/ 5237071. rme

Artikel vom 21.11.2001
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