Leben im permanenten Ausnahmezustand

Familien mit unheilbar erkrankten Kindern brauchen mehr Unterstützung

Christine Bronner (li.) überreichte der bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm einen Teddy mit grüner Schleife. Er sollte auf den Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar aufmerksam machen.	Foto: AKM

Christine Bronner (li.) überreichte der bayerischen Landtagspräsidentin Barbara Stamm einen Teddy mit grüner Schleife. Er sollte auf den Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar aufmerksam machen. Foto: AKM

München · Ein kuscheliger Teddy mit dem symbolischen grünen Band um den Hals für Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtages: So machte die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz, München (AKM) auf den Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar aufmerksam.

»Familien, die von solch einem schweren Schicksal betroffen sind, brauchen einfach mehr Unterstützung von außen, um Inklusion, und mehr Teilhabe am Leben ermöglicht zu bekommen. Leider schaut die Gesellschaft hier noch zu oft weg«, erläutert Stamm, warum auch sie sich schon lange und intensiv für die Kinderhospizarbeit engagiert.

»Unheilbar kranke Kinder und ihre Familien leben in einem permanenten Ausnahmezustand. Ihr Alltag ist häufig geprägt von Sorgen und Ängsten um die Gesundheit des Kindes – und immer wieder haben sie zusätzlich mit sozialer Isolation zu kämpfen«, ergänzt Christine Bronner, Stifterin und geschäftsführender Vorstand des AKM. »Anlässlich des Tags der Kinderhospizarbeit wollen wir ins Bewusstsein rufen, wie wichtig besonders das ehrenamtliche Engagement unserer speziell geschulten Mitarbeiterinnen für die betroffenen Familien ist.«

Kinderhospizarbeit ist beflügelnd und belastend zugleich

Derzeit unterstützen mehr als 150 AKM-Freiwillige und 40 Hauptamtliche etwa 250 Familien mit einem Kind, das so schwer krank ist, dass es wohl nicht erwachsen werden wird. Aber auch Kinder mit einem lebensbedrohlich erkrankten Elternteil können die Leistung der Stiftung in Anspruch nehmen. »Auch im vergangenen Jahr sind die Anfragen nach Unterstützung wieder gewachsen«, so Bronner. »Insgesamt hatten wir im Jahr 2016 mit Fachberatung, Sozialmedizinischer Nachsorge und Kinderhospizdienst mit 24-Stunden Kriseninterventionsbetreuung, rund 300 Begleitungen. Und der Bedarf steigt weiter.« Dabei seien die Anforderungen für das ganze Team vielfältig. Manches Mal bräuchten die Eltern stundenweise Hilfe bei der Betreuung der gesunden Geschwister, manches Mal beschäftigten sich die Mitarbeiter der Stiftung AKM mit dem erkrankten Kind. Und wieder anderen Eltern hilft es am meisten, bei den ehrenamtlichen Familienbegleitern einfach einmal ein offenes Ohr für ihre Nöte und Sorgen zu finden.

Die familienbetreuenden Mitarbeiterinnen der Stiftung AKM haben sich allesamt durch umfangreiche Spezial-Schulungen intensiv auf die Begleitung von lebensverkürzend erkrankten Kindern und ihren Familien vorbereitet. So muss beispielsweise ein ehrenamtlicher Helfer im Bereich »RUF24« eine Zusatzausbildung zum bereits gelernten Familienbegleiter abschließen. »Immer wieder ergeben sich dabei für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch herausfordernde, schwierige Situationen. Etwa, wenn ein krankes Kind verstirbt, das sie seit Jahren kennen«, sagt Nicolette Bund, Leiterin von RUF24, dem Rund-um-die-Uhr-Notruftelefon der Stiftung. »Dann bieten wir Gespräche und psychologische Hilfe an. Denn nicht zuletzt brauchen auch diese Supervision, um die psychische Belastung zu verarbeiten. Das ist sehr wichtig, wenn man eine solche herausfordernde Arbeit leistet.«

»Alle Mitarbeiter ambulanter Kinderhospizdienste leisten eine hochqualifizierte, wertvolle Arbeit – und das oft völlig unentgeltlich«, ergänzt Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz, die die deutschlandweite Teddy-Aktion ins Leben gerufen hat: Der Verband hat in den vergangenen Wochen Teddys an rund 80 seiner Mitglieder verschickt, darunter auch an die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz, München. »Bundesweit betrachtet kommen jedes Jahr Tausende Stunden an freiwilligem Engagement zusammen. Dafür gebührt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine hohe gesellschaftliche Anerkennung – denn ohne sie würde ein wichtiger Bestandteil der Unterstützung für betroffene Familien schlicht wegbrechen. Es stehen nämlich keinerlei öffentliche Gelder zur Verfügung, um diese Art der menschlichen und individuellen Begleitung schwerstkranker Kinder und ihrer Angehörigen zu finanzieren.«

Landtagspräsidentin Barbara Stamm sieht hier besonders die Kassen in der Pflicht: »Bayern braucht eine flächendeckende Versorgung durch Kinderhospizarbeit. Das kann nicht nur vom Ehrenamt geschultert werden. Ohne ein starkes finanzielles Engagement der Krankenkassen geht es einfach nicht. Hier muss sich zukünftig dringend etwas ändern.«

Als Erstes muss sich vor allem das Bewusstsein in der Öffentlichkeit ändern. Genau dafür gibt es den Tag der Kinderhospizarbeit.

Artikel vom 12.02.2017
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