Pfarrer Gottswinter blickt zurück auf seine Zeit in Mariahilf

Au · Zum Pferde stehlen

Mariahilf verliert auch einen kurzweilig erzählenden Kenner der Au. Gerne zeigte er Besuchern in dieser Pfarrgarten-Idylle einen Birnbaum, von dem gesagt wird, dass er der berühmte aus dem Lied »Drunt in der greana Au« sei. Foto: js

Mariahilf verliert auch einen kurzweilig erzählenden Kenner der Au. Gerne zeigte er Besuchern in dieser Pfarrgarten-Idylle einen Birnbaum, von dem gesagt wird, dass er der berühmte aus dem Lied »Drunt in der greana Au« sei. Foto: js

Au · Mariahilf ohne Pfarrer Markus Gottswinter? Das geht doch gar nicht. Die zwei gehören doch zusammen wie Taufbecken und Weihwasser. Dieser intime Kenner der Au und ihrer Geschichte, der so kurzweilig von ihrem Werdegang und ihren Menschen erzählen kann, soll gehen? Der 43-Jährige sieht das offensichtlich ähnlich. »Eigentlich hätte ich gedacht, ich bleibe mindestens 20 Jahre hier.« Jetzt werden es nur knapp zehn, denn zum 1. September wird er an die Ludwigskirche in der Maxvorstadt wechseln.

München hat wieder ein Carillon

»Hätte ich mir zu Beginn meiner Zeit als Pfarrer etwas wünschen dürfen, ich hätte hierher gewollt«, sagt Gottswinter. Niemals habe er damit gerechnet, eine so große Pfarrei anvertraut zu bekommen. Nach seinem Studium in München und Rom war er zunächst als Diakon in Baumburg im Chiemgau tätig, anschließend war der gebürtige Münchner Kaplan in Fürstenfeldbruck und Moosburg. In der Au trat Gottswinter seine erste Stelle als Pfarrer an. Das Viertel sei ihm bereits aus seiner Schulzeit bekannt gewesen, erzählt er. Bevor er nämlich an die Klosterschule der Benediktinerabtei in Niederaltaich an der Donau wechselte, hat er einige Jahre das Maria-Theresia-Gymnasium am Regerplatz besucht. »Als Pfarrer bin ich hier sehr herzlich aufgenommen worden«, erinnert er sich. Dennoch sei die Anfangszeit nicht einfach gewesen. Das Pfarrhaus am Mariahilfplatz sei damals renoviert worden: »Die Decken hingen so tief, dass Einsturzgefahr bestand.« Die Instandsetzung sei sehr schleppend vorangegangen, die Abstimmung zwischen den beteiligten staatlichen und kirchlichen Stellen habe sich schwierig gestaltet. »Manchmal dachten wir, die Wiederkunft Christi ist berechenbarer als die Fertigstellung dieses Pfarrhauses«, meint Gottswinter verschmitzt. Diese augenzwinkernden Bemerkungen sind typisch für ihn.

Untergebracht war sein Büro während der Umbauphase in einem kleinen Herbergs- häuschen in der Franz-Prüller-Straße beim Kegelhof. Man habe viel improvisiert, jedoch habe er von Anfang an auf die Hilfe der Gemeindemitglieder zählen können: »Mit den Auern kann man Pferde stehlen.« Mitarbeiter hatte Gottswinter in seinem ersten Jahr als Pfarrer allerdings noch nicht. »Ich war ganz allein und hatte an die 100 Beerdigungen, das war kaum noch zu bewältigen«, erinnert er sich. Seit 2005 unterstützt ihn die ausgebildete Gemeindereferentin und ehemalige Religionslehrerin Elisabeth Rappl, die unter anderem für die Kindergottesdienste zuständig ist. Diese seien sehr beliebt, oft kämen an die 40 Familien, sagt Gottswinter. »Für München ist das viel.« Überhaupt seien die Gläubigen im Viertel regelmäßige Kirchgänger. Bei den sonntäglichen Gottesdiensten seien normalerweise rund 300 Besucher anwesend: »Ich kann mich nicht beklagen, die Auer kommen zwar meistens zu spät, aber sie kommen.« Etwas zu wünschen übrig lasse indes bisweilen die materielle Freigiebigkeit der Gottesdienstbesucher. Es gebe kaum eine Pfarrei in München, in der der Klingelbeutel »so miserabel gefüllt« sei wie in der Au, sagt Gottswinter mit einem Schmunzeln. Bei der Caritas-Sammlung allerdings liege die Gemeinde weit über dem Durchschnitt, im Frühjahr seien rund 13.000 Euro zusammengekommen.

Dass Gottswinter einer der bekannteren Pfarrer der Stadt ist, liegt an zweierlei. Zum einen finden dreimal im Jahr rund um die Mariahilfkirche die berühmten Auer Dulten statt, jedes Mal wieder ein guter Anlass auch die Kirche entsprechend zu präsentieren. Daher kennen und schätzen ihn auch bekannte Münchner Persönlichkeiten wie Gabriele Weishäupl, die langjährige Tourismus- und damit Dultchefin der Landeshauptstadt. Über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde Gottswinter allerdings durch ein ganz besonderes Projekt: das Carillon, das größte Glockenspiel Bayerns und zweitgrößte Deutschlands, das im vergangenen Mai in der zweiten Glockenstube des Turms geweiht wurde. Das Gelingen dieses ganz durch private Spenden finanzierte Projekt zähle zu dem Höhepunkten, die er als Pfarrer in der Au erlebt habe, sagt Gottswinter. Beeindruckt haben den passionierten Orgelspieler auch die Begegnungen mit namhaften Musikern, die in seiner Kirche zu Gast waren, wie etwa James Goettsche, der Organist des Petersdoms im Vatikan, der 2008 in Mariahilf spielte, oder der österreichische Organist und Komponist Martin Haselböck. Aber Gottswinter erinnert sich auch an Trauriges. So musste er 2005 den beliebten Schauspieler Toni Berger, den »Boandlkramer«-Darsteller aus dem Brandner Kaspar beerdigen, genauso wie den 2008 im Alter von nur 47 Jahren verstorbenen Unternehmer Stefan Schörghuber. Als besonders dramatisch habe er zudem den Selbstmord seines Mesners Richard Schmidt erlebt.

Wenn der Pfarrer im kommenden Herbst die Gemeinde verlässt, wird es übrigens noch eine weitere, wichtige Veränderung geben. Aus der Pfarrei soll ein Pfarrverband werden. Die Gemeinden St. Franziskus aus Untergiesing und Mariahilf werden organisatorisch zusammengeschlossen und der Leitung eines einzigen Pfarrers unterstellt. Mit dieser Maßnahme wolle die Erzdiözese »dem Priestermangel Herr werden.« Nach der Umstrukturierung könne eine dauernde Verfügbarkeit des Pfarrers nicht mehr gewährleistet sein. Auch organisatorisch müsse noch einiges geregelt werden. Die beiden Gemeinden grenzen nämlich nicht aneinander, dazwischen liegt die Gemeinde Heilig Kreuz. »Ich weiß nicht, wie das gehen soll«, so Gottswinter. Unklar sei zudem, ob die bestehende Gottesdienstordnung beibehalten werden könne. Dies hänge davon ab, wie viele Mitarbeiter der Pfarrverband bekommen werde. Erhalten bleibt der Gemeinde Elisabeth Rappl. Dies sei wichtig, betont Gottswinter: »Es ist gut, dass der neue Pfarrer jemanden hat, der sich hier auskennt.« Antreten wird die Nachfolge von Gottswinter der Freisinger Pfarrer Michael Schlosser. Glücklicherweise bleibt Pfarrer Gottswinter der Stadt erhalten. Er werde in der Ludwigskirche einen »sehr seriösen Posten« haben: »Ich bin dann Universitätspfarrer.« Da ist er wieder, dieser verschmitzte Habitus.

Julia Stark / Gabriele Heigl

Artikel vom 28.05.2013
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