Ab Dreikönig heißt es in Aschheim wieder »Aba heit is koit«

Aschheim · Ort im Schäfflerfieber

Jetzt heißt es für die Auserwählten erst Mal Tanzstunden nehmen – Schwänzen ist tabu (o.). Die Vorstandsmitglieder der Schäfflerzunft (v. l.) Günter Sassmann, Emmeran Haller und Otto Lindinger nehmen schon Tanzbestellungen entgegen.	Fotos: cs

Jetzt heißt es für die Auserwählten erst Mal Tanzstunden nehmen – Schwänzen ist tabu (o.). Die Vorstandsmitglieder der Schäfflerzunft (v. l.) Günter Sassmann, Emmeran Haller und Otto Lindinger nehmen schon Tanzbestellungen entgegen. Fotos: cs

Aschheim · »Aba heit is koit, aba heit is koit«: Jeder Tourist, der München besucht, hat diese Melodie schon mal gehört, ist es doch der Klassiker, der täglich zweimal vom Glockenspiel am Marienplatz zum Tanz der Schäfflerfiguren im Rathausturm ertönt.

Die echten Schäffler machen sich rarer: Nur alle sieben Jahre haben sie ihre Auftritte. In Aschheim ist es im kommenden Winter wieder so weit. Vom Dreikönigstag bis zum Faschingsdienstag, am 21. Februar, beherrschen die Schäffler das Ortsbild. In diesen sieben Wochen eilen sie mindestens 300 Mal von Auftritt zu Auftritt. Für die Akteure haben jetzt die Proben begonnen.

Der Sieben-Jahre-Rhythmus ist alte Tradition. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Aschheimer Schäffler eigentlich schon in diesem Jahr ein rundes Jubiläum hätten feiern können: Vor genau 125 Jahren haben die Brüder Matthias und Franz Westermeier – beeindruckt von den Münchner Schäfflern – den alten Brauch in die heutige 7.600-Einwohner-Gemeinde geholt. Dort wird er so begeistert gepflegt, dass die Aschheimer Schäfflerzunft keinerlei Nachwuchssorgen hat. Im Gegenteil: Man kann es sich als junger Bursch zwischen 18 und 25 Jahren als Ehre anrechnen, dazu berufen zu werden. Ein einmaliges Vergnügen übrigens, denn mittanzen ist später nicht mehr erlaubt. Wer aus einer alteingesessenen Familie stammt, wo schon der Vater oder Großvater mit dabei waren, oder wer sich ehrenamtlich am Ort bei der Feuerwehr, im Fußballverein oder in der Kirche engagiert, der hat besonders gute Karten, berichtet Günter Sassmann, der gemeinsam mit Otto Lindinger und Emmeran Haller den neuen Vorstand der Schäfflerzunft bildet. Sie stehen einem reinen Männerclub vor und Sassmann kann sich nicht vorstellen, dass sich – Emanzipation hin oder her – das eines Tages ändern könnte. Das bedeutet aber nicht, dass Frauen nicht gern gesehen sind. Die feschen Burschen, allesamt Junggesellen, mit ihren weißen Hemden, roter Joppe und schwarzen Bundhosen, haben bei den Mädchen einen besonderen Stein im Brett, weiß Sassmann zu berichten.

Das ist aber natürlich nicht der wichtigste Grund, warum es die männliche Jugend in Aschheim zu den Schäfflern drängt. Sassmann und seine Vorstandskollegen bekommen leuchtende Augen, wenn sie sich an ihre eigene aktive Zeit erinnern. »Schäffler zu sein, das ist eine ganz, ganz tolle Ehre, das vergisst man sein Leben lang nicht.« Neben den Auftritten selbst ist es die Kameradschaft, die die insgesamt 28 Mitglieder der Schäfflerzunft teilweise für das gesamte weitere Leben zusammenschweißt. Dazu gehören neben den 16 eigentlichen Tänzern und der dreiköpfigen Vorstandschaft auch die beiden Kasperl, die Fahnen-, Fassl- und Kreuzelträger und die Reifenschwinger. Bei allen Auftritten mit dabei ist eine Abordnung der Aschheimer Blasmusik. Denn ohne Live-Musik geht nichts: kein »Großes Kreuz«, kein »Sommerhäusl« und erst recht kein Kronentanz, die schönste aller Formationen.

Die teilweise recht vertrackten Tanzschritte den noch ungelenken Burschen einzubläuen, das ist die Aufgabe des Tanzlehrers Robert Bauer. Bei der zweiten Probe im Pfarrheim klappt das natürlich noch nicht exakt mit der Synchronisation der 32 Beine, aber bis Weihnachten wird ja noch zweimal wöchentlich jeweils zwei Stunden lang geprobt, wobei Schwänzen verpönt ist. Aufgaben ganz anderer Art haben die beiden Kasperl zu erfüllen: Sie sind fürs Derblecken der Kundschaft zuständig. Beim Aufsagen der Verslein zu Beginn des Auftritts ist Fingerspitzengefühl gefragt: so deftig wie möglich, so feinfühlig wie nötig sollen sie sein.

In den kommenden Wochen ziehen die Zunft-Mitglieder von Haustür zu Haustür und werben um Aufträge. Über Mangel an Bestellungen können sie nicht klagen. Der ganze Ort ist im Schäfflerfieber. Firmen, Schulen und Kindergärten, Hochzeitsjubilare und ganze Hausgemeinschaften holen sich die feschen Tänzer ins Haus. Der Preis für den 25-minütigen Auftritt richtet sich nach dem Aufwand und dem Anfahrtsweg. Wohlhabend werden davon aber weder Verein noch Mitglieder. »Die Einnahmen reichen gerade, um die Unkosten für die Kleidung, den Transport und die Verpflegung zu decken.« Obwohl: Abnehmen werden die Schäffler in den sieben Faschingswochen kaum. Kein Gastgeber lässt es sich nehmen, die Truppe großzügig zu bewirten. Fast überall werden Dicke und Krapfen aufgetischt, das obligatorische Schnapserl gegen die Kälte nicht zu vergessen. Ehe es am Dreikönigstag so richtig losgeht, werden die Burschen mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde eingekleidet. Die Schneiderei Ganter in Ismaning, einer der ältesten Trachtenkonfektionäre Bayerns, hat den Großauftrag für Hemden, Hosen und Joppen ergattert. Die Westen und Hüte werden am Ende von der Zunft eingesammelt, gereinigt und für den nächsten Einsatz im Jahr 2019 aufbewahrt. Claudia Schmohl

Ursprung des Schäfflertanzes

Der Schäfflertanz ist angeblich im Jahr 1517 entstanden, als in München die Pest wütete und sich die Bürger deshalb nicht aus ihren Häusern trauten. Um die Menschen wieder auf die Straße zu locken, soll die Zunft der Schäffler, also der Fassmacher, ihren Rundtanz aufgeführt haben. Sie wurden dabei von einigen sogenannten Bojazzen begleitet, die ihre Späße trieben. Erstmals schriftlich nachgewiesen ist dieser Brauch im Jahr 1702. Seit 1760 ist der siebenjährige Rhythmus aktenkundig. Die heutige Choreografie entstand im 19. Jahrhundert.

Artikel vom 18.10.2011
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