Da schau her! – für Albrecht Ackerland ist das Bierfass übergeschwappt

München · Zum Thema: „Unvermeidliche Wiesn”

Jetzt wäre die Zeit zum Freuen – wenn ich ein Ferienhaus in der Toskana hätte. Ich würde hinfahren am kommenden Freitag und erst am 4. Oktober wiederkommen. Und die Wiesn: sausen lassen.

Zum größten Volksfest der Welt: dem Oktoberfest

Ich mag das Oktoberfest sehr gern, das Bier schmeckt sogar nach der dritten Maß noch gut, die Bedienungen sind freundlich-robust, und die Kapelle bei der Krinoline spielt mitunter mit einer ausgesucht künstlerischen Schiefe, dass es eine echte Freude ist. Der Festplatz ist der schönste der Welt, was freilich auch an der Bavaria liegt, die ja nicht ohne Grund Vorbild für die New Yorker Freiheitsstatue war. Über der ganzen Stadt liegt der beste Duft, den sich ein Mensch vorstellen kann. Diese Mischung aus Pferdedung, dunkelgebräunter Hendlhaut, Bierschweiß, Steckerlfisch und Erbrochenem – für sie würde ich beinahe mein Leben geben. Trotzdem schleiche ich mich heuer nur allzu gern.

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Ich kann den ganzen Trachtenramsch nicht mehr sehen. Kaum ein Schaufenster in der Stadt, in dem keine Tascherl, Herzerl, Brezn, Dackl, Würschtl und sonstiger Folkloremist aus Walkfilz oder kariertem Geschirrtuchstoff liegt. Vor ein paar Jahren fand ich es noch nett und lustig, dass plötzlich ein jeder mit Fantasietrachten umeinander läuft und die Mini-Dirndl für 23,99 Euro zu kaufen sind. Es war nett, dass sich auch moderne, junge, urbane Münchner Designer dem Thema annahmen, und Herzerl, Brezn, Dackl, Würschtl, Gemsen, Tirolerhüte, Edelweiß und Hendl anboten als Schmuck, Tascherl, Broscherl, Ketterl, Ohrring. Doch jetzt ist das Bierfass übergeschwappt. Das ganze Zeug ist nur noch: oberspießig.

Wird Zeit, dass wieder Ruhe einkehrt, die Wiesn uncool wird, so wie sie es in den Achtzigern einmal war. Dann werde ich wieder mit purer Freude den Duft, die Zeit und den Ort genießen können – und meine originalste aller Wiesn-Trachten aus dem Schrank holen: die Jeansjacke. Bis es so weit ist, werde ich nicht müde, weiterzuschimpfen. An dieser Stelle gelobe ich, kein einziges Mal hinzugehen. Dass ich am Ende dann zehn Mal draußen gewesen sein werde, das geht nun wirklich keinen was an.

Artikel vom 08.09.2011
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