Gesamtschule ermöglicht seit 40 Jahren Abitur, Real- und Hauptschulabschluss

Harthof · Alles unter einem Dach

Einzigartig in Bayern: Cornelia Folger leitet die städtische Willy-Brandt-Gesamtschule mit derzeit fast 1.000 Schülern.	Foto: W. Schmidt

Einzigartig in Bayern: Cornelia Folger leitet die städtische Willy-Brandt-Gesamtschule mit derzeit fast 1.000 Schülern. Foto: W. Schmidt

Harthof · Ein Schulversuch hat sich zur Erfolgsgeschichte entwickelt: Insgesamt knapp 40.000 Mädchen und Buben besuchten Rektorin Cornelia Folger zufolge die städtische Willy-Brandt-Gesamtschule an der Freudstraße seit ihrer Eröffnung.

Die Schule feiert in der kommenden Woche mit einem Festakt ein besonderes Jubiläum: ihr 40-jähriges Bestehen. Freilich ist die Schule eigentlich schon 41 Jahre alt, wurde sie doch im September 1970 eröffnet. Man hätte also schon im vergangenen Herbst zu Beginn des neuen Schuljahres feiern können, verlegte das Fest stattdessen aber an das Ende des nun ablaufenden Schuljahres 2010/2011.

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Vorab ist die Schulleiterin bereits in Jubelstimmung. Die Landeshauptstadt habe damals die Zeichen der Zeit erkannt und zur Stärkung des Münchner Nordens eine integrierte Gesamtschule gegründet: »Es war ein Schulversuch, um die Bildungschancen für Kinder aus Arbeiterfamilien zu erhöhen«, beschreibt Folger die Anfänge. Damals wie heute ist die Gesamtschule eigener Definition zufolge eine »Schule für Kinder aller Begabungen und Interessen und sie ermöglicht alle Schulabschlüsse.« Die Entscheidung für den Schultyp – Hauptschule, Realschule oder Gymnasium – fällt relativ spät, erst nach der siebten Klasse, also drei Jahre später als sonst üblich. Dieses Schulmodell sei mittlerweile im Münchner Norden bekannt und beliebt, berichtet die Rektorin. Es gebe eine große Nachfrage der Eltern. Derzeit besuchen 955 Kinder und Jugendliche die Bildungsstätte an der Freudstraße 15. Nach wie vor ist und bleibt sie etwas ganz Besonderes im Schulangebot: »Wir sind die einzige integrative Gesamtschule in Bayern«, betont Folger. Offiziell läuft sie im bayerischen Bildungsgesetz als »Schule besonderer Art«.

Von außen sieht man das der Bildungsstätte gar nicht an. Es ist ein typischer Zweckbau aus den 1970er- Jahren mit dem unverwechselbaren Charme eines Betonklotzes. Doch ungeachtet der schmucklosen Fassade hat der es buchstäblich in sich: Kletterwand, Schwimmhalle, gleich zwei Mensen, eine Schulbibliothek und in einem der beiden südlichen Treppenhäuser schlängelt sich an der Wand ein schmales Mosaik aus bunten Steinchen dahin. Es ist ein Teil der sogenannten Hundertwasser-Spirale in der Gesamtschule. Der bekannte österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser (1928 – 2000) »war selber da und hat außen neben dem Haupteingang mit der Spirale angefangen. Unsere Schüler haben sie dann außen und innen fortgesetzt«, weiß die Rektorin zu berichten. Links und rechts vom Haupteingang ist die Hundertwasser-Spirale gut zu erkennen.

Nicht sofort ins Auge fällt, dass der im Jahre 1974 eröffnete Betonklotz dringend eine Schönheitskur bräuchte: »Die Sanierung steht an, wir stehen auf der Warteliste. Ich hoffe, dass das etwas wird«, gibt sich die Schulleiterin optimistisch. Die Schwimmhalle werde derzeit generalsaniert und könne zum neuen Schuljahr in diesem Herbst wiedereröffnet werden. Dann können die knapp 1.000 Schüler dort wieder ihre Bahnen ziehen. Begonnen hat alles mit bescheidenen Anfängen. Im September 1970 eröffnete die Stadt München zunächst in Pavillons der Hugo-Wolf-Schule die »Städtische Integrierte Gesamtschule München-Nord« mit sechs Klassen und etwa 150 Schülern.

Im März 1972 begannen an der Freudstraße die Bauarbeiten für ein eigenes Schulhaus, im September 1974 wurde es schließlich bezogen. Die Gesamtschule verzeichnete damals bereits 700 Schüler, bald war die Schallmauer von 1.000 erreicht. 1993 beschloss der Münchner Stadtrat einen neuen Namen: Städtische Willy-Brandt-Gesamtschule.

Die jungen Leute können dort den Haupt- und Realschulabschluss machen – nicht jedoch das Abitur. Dazu müssen die Gymnasialklassen der Gesamtschule nach der zehnten Klasse auf das städtische Willi-Graf-Gymnasium in Schwabing gehen und schreiben dort auch die Abiturprüfungen. Es gibt dazu eine Kooperationsvereinbarung zwischen beiden Schulen. Dieser Vereinbarung zufolge könne der Unterricht für die Elftklässler zum Teil auch an der Gesamtschule selbst und durch deren Lehrer stattfinden, aber im Auftrag des Willi-Graf-Gymnasiums, erläutert die Leiterin der Willy-Brandt-Gesamtschule. Diese sei heute eine multi-Kulti-Schule: Mädchen und Buben aus 39 Ländern besuchen sie. Der Migrantenanteil betrage derzeit 49,2 Prozent. »Aber das macht überhaupt keine Probleme. Und wir haben überhaupt keine rassistischen Anfeindungen«, berichtet die Rektorin. Das Miteinander der Schülerinnen und Schüler sei wie an jeder anderen Schule auch.

Im Schulsprengel der Willy-Brandt-Gesamtschule liegen der Stadtbezirk 24 Feldmoching-Hasenbergl und der Stadtbezirk 11 Milbertshofen-Am Hart. Ausnahmsweise nimmt die Schule aber auch Kinder aus dem gesamten Stadtgebiet auf. Die Zukunft bedeutet neue Herausforderungen: Rektorin Folger sieht den geplanten Bau eines Gymnasiums für den Münchner Norden an der Ecke Rathenau-/ Knorrstraße durch die Stadt als »Gefahr« und potentielle Konkurrenz für die Gesamtschule an. Doch man werde sich dem stellen und mittels moderner Pädagogik der Willy-Brandt-Gesamtschule ein »einzigartiges Profil« geben und so zum Überleben der einzigen bayerischen Gesamtschule beitragen.

ws

Artikel vom 12.07.2011
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