in Städten wie München leben in Menschen oft nebeneinander, ohne allzu viel Kontakt miteinander zu haben. Das führt zu ganz neuen Problemen, z.B. wenn ältere Menschen erste Anzeichen von Demenz zeigen, aber keine Angehörigen in der Nähe haben. Wie kann man z.B. einer Nachbarin helfen, die dement scheint oder verwirrt ist und sich zum Beispiel aus der eigenen Wohnung ausgeschlossen hat oder offensichtlich hilflos im Haus umherirrt? Jeder Nachbar wird in einer solchen Situation helfen wollen, doch es besteht Unsicherheit: Darf er z.B. einen Schlüsseldienst beauftragen? Wie kann er sicherstellen, dass sich jemand um die verwirrte Bewohnerin kümmert, wenn sie allein zuhause ist? Was macht er, wenn es keinen Kontakt zu Angehörigen gibt? Muss er Angst haben, etwas falsch zu machen?
Yvonne Knobloch (Leiterin des Ressorts „Leben im Alter” und Organisatorin des Beratungstelefons „Pflege und Wohnen” vom Sozialverband VdK Bayern) rät:
Wenn Sie eine verwirrte Nachbarin antreffen, die Ihnen keine zuverlässigen Auskünfte geben kann, zum Beispiel über einen Pflegedienst, der zu ihr kommt, oder einen Angehörigen beziehungsweise einen gesetzlichen Betreuer, der sich um sie kümmert, und wenn diese hilflose Person keinen Notrufsender trägt, sollte man sich mit dem nächsten ASZ (Alten- und Servicezentrum) in München in Verbindung setzen. Ein weiterer Anlaufpunkt ist die Betreuungsstelle der Stadt München, um herauszufinden, ob die Dame bereits unter gesetzlicher Betreuung steht. Außerhalb des Stadtgebiets, also im Landkreis München, ist in diesem Fall das Landratsamt München zuständig.
Ich rate, hilfsbereit, aber zurückhaltend zu sein. Denn leider kann eine gut gemeinte Hilfe auch schief gehen. Beispielsweise sollte man nicht einfach einen Schlüsseldienst rufen, wenn sich die verwirrte Nachbarin ausgesperrt hat. Die Kosten muss nämlich der Auftraggeber übernehmen, wenn die hilfsbedürftige Person nicht mehr geschäftsfähig ist.
Am wichtigsten ist es, bei der Person zu bleiben, mit ihr zu sprechen, sie vielleicht in die Wohnung zu bitten, bis Hilfe eingetroffen ist. Gut wäre es, sich nach so einem Vorfall die Kontaktdaten von Angehörigen oder anderen Betreuern geben zu lassen, um dann besser reagieren zu können.
Das VdK-Beratungstelefon „Pflege und Wohnen” (Tel. 089 / 2117112) bietet kostenlos Rat: Mo-Fr 8-12 Uhr. Do 15-18 Uhr. Info: lebenimalter.bayern@vdk.de.
Diplom-Sozialpädagogin (FH) Angelika Kern von der Beratungsstelle Demenz (Alzheimer Gesellschaft München e.V.) rät:
Wenn einem auffällt, dass eine Nachbarin verändert ist bzw. verwirrt erscheint, ist nachbarschaftliche Hilfsbereitschaft dringend gefragt. Man muss versuchen, mit demjenigen in Kontakt zu kommen und vor allem zu bleiben. Am besten ist, direkt auf den Nachbarn zuzugehen und konkrete Unterstützung anzubieten. Dabei ist es meist nicht ratsam, in diesem und den folgenden Gesprächen das Thema Demenz-Erkrankung direkt anzusprechen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Betroffene mit Kontaktabbruch reagiert.
Wenn man sich selbst der Situation nicht gewachsen fühlen sollte, kann man sich auch an das örtliche ASZ (Alten- und Servicezentrum) wenden und einen Hausbesuch organisieren.
Sollte Gefahr im Verzug sein: Unbedingt an die Fachstelle häusliche Versorgung wenden (gibt es in den Sozialbürgerhäusern der Landeshauptstadt München) oder die Polizei informieren.
Auch die Alzheimer Gesellschaft München e.V. berät natürlich bei Fragen zu diesem Thema über das Demenz-Telefon (089 / 475185). Sprechzeiten: Mo, Di, Do, Fr 10-12 Uhr. Mi, Do 16-18 Uhr.
Manuela Laruelle (Diplom-Sozialpädagogin) von der Arbeiterwohlfahrt München empfiehlt:
Irrt ein dementer Mensch hilflos umher, ist es wichtig, ihn wertschätzend zu begleiten und zu versuchen, ihn in seiner Welt „abzuholen“. Versuchen Sie, auf ihn einzugehen und ihn ernst zu nehmen. Man sollte die Erkrankten nach Möglichkeit nicht korrigieren („Warum suchen Sie Ihren Mann, der ist doch schon vor Jahren verstorben!“), sondern besser umlenken („Sie suchen Ihren Mann? Der ist ja immer so freundlich und hatte mal meine Waschmaschine repariert. Er hat früher im Haushalt sicher alles selbst machen können.“).
In akuten Situationen, zum Beispiel, wenn sich die Nachbarin ausgeschlossen hat und keine Angehörigen zu erreichen sind, ist die Polizei zu rufen. Weisen Sie die Beamten auf die Verwirrtheit hin und bleiben Sie nach Möglichkeit bei der Nachbarin.
Wenn Sie die Nachbarin langfristig unterstützen möchten, können Sie sich von Ihrem örtlichen Alten- und Service- Zentrum helfen lassen oder sich an die Alzheimer Gesellschaft München (Tel. 47 51 85) oder die Beratungsstelle für pflegende Angehörige und ältere Menschen der Münchner Arbeiterwohlfahrt (Tel. 666 16 330) wenden.
Katja Graf-Kessler vom Betreuungsverein, Sozialdienst katholischer Frauen e.V. München, erläutert:
Im akuten Fall würde ich immer erst versuchen, die Nachbarin zu beruhigen und ihren nötigsten Hilfebedarf zu erfassen. Gibt es keine Angehörigen oder Freunde, kann ich z. B. die BSA (Bezirkssozialarbeit der Sozialbürgerhäuser) kontaktieren, deren Mitarbeiter bei Bedarf auch Hausbesuche machen, beraten und Hilfen vermitteln. Auch das nächstgelegene Alten- und Servicezentrum, die Nachbarschaftshilfe, den Gerontopsychiatrischen Dienst, die Fachstelle für häusliche Versorgung und natürlich den Hausarzt, soweit bekannt, kann ich zu Rate ziehen.
Sollten diese Hilfen nicht ausreichen und die verwirrte Nachbarin sich dauerhaft nicht um ihre Angelegenheiten kümmern können, wie ihre Vermögenssorge und / oder Gesundheitsfürsorge, Wohnungs-, Behörden-, Versicherungsangelegenheiten oder die Organisation ihrer ambulanten oder stationären Versorgung, so sollte eine rechtliche Betreuung im Sinne einer gesetzlichen Vertretung das letzte Mittel sein. Da dieser Schritt für die Nachbarin sehr einschneidend ist, sollte ich unbedingt vor einer Betreuungsanregung Beratung bei der Betreuungsstelle oder den Betreuungsvereinen der Stadt suchen. Nähere Informationen (auch zu den Kosten des Betreuungsverfahrens) findet man unter www.muenchen.de/betreuungsstelle.
Liegt keine gültige Vorsorgevollmacht vor und sind nach umfangreicher Prüfung durch das Betreuungsgericht und die Betreuungsstelle die Voraussetzungen für eine rechtliche Betreuung gegeben, so wird das Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung für die Aufgabenbereiche anordnen, die die Betroffene nicht mehr alleine regeln kann.
Diplom-Sozialpädagogin Waltraud Oettl vom Gerontopsychiatrischer Dienst München West:
Die Gerontopsychiatrischen Dienste (GpDi´s) bieten Hilfe an, wenn man sich Sorgen um einen sich auffällig benehmenden, verwirrt erscheinenden älteren Nachbarn macht. Diese Zustände können verschiedene Gründe haben, wie z.B. eine Depression, Angst oder auch eine Psychose. Die Mitarbeiter sind auch geschult, diese Krankheitsbilder von einer Demenz zu unterscheiden und vermitteln gegebenenfalls weiter.
Die GpDi´s sind zentrale Anlaufstellen für alle Belange im Zusammenhang mit seelischen Problemen im Alter (60+) und haben eine wichtige Vermittlungs- und Koordinationsfunktion im Netz der psychiatrischen, pflegerischen und psychosozialen Versorgung älterer Menschen mit und ohne Angehörige. Im Vordergrund steht die Förderung von Selbstbestimmung und Eigenständigkeit im häuslichen Umfeld. Dafür bieten die GpDi´s individuelle Beratungsgespräche im Dienst und als Hausbesuch an. Hier kann jeder anrufen und um Unterstützung bitten. Das multiprofessionelle Team aus Sozialpädagogen, geschulten Pflegekräften und Psychologen wird sich der Sache annehmen und alles Notwendige in die Wege leiten.