„Das ist nicht wie bei 'Navy CIS' hier”, lacht Diana Hofmann, „bei uns dauert es schon zirka zehn Minuten, bis ein Fingerabdruck überprüft ist.” Hofmann versichert, dass die Darstellung im Fernsehen – Abdruck zum Abgleich versendet, Ergebnis sekundenschnell zurück – eher Utopie als Realität sei. Die junge Frau muss es wissen, sie arbeitet im Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) im Bereich der Daktyloskopie: Täglich untersucht sie Fingerabdrücke auf deren einzigartige Merkmale und weist über diese die Identität eines Menschen nach. Heute hat Hofmann aufmerksames Publikum für ihre Arbeit: Insgesamt 30 Mädchen aus Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien sind im BLKA zu Gast – es ist Girls' Day.
Der Mädchenzukunftstag ist das größte Berufsorientierungsprojekt weltweit für Schülerinnen. Seit Beginn des Girls' Day im Jahr 2001 haben insgesamt 1,7 Millionen junge Frauen mitgemacht. Die bundesweit organisierte Initiative stemmt sich gegen eine traurige Tatsache: Deutsche Mädchen haben eine gute Schulbildung in allen Bereichen, dennoch wählt mehr als die Hälfte aus nur zehn Ausbildungsberufen – es ist kein einziger naturwissenschaftlich-technischer dabei. Das will der Girls' Day ändern: Unternehmen und Behörden aus Technik, Naturwissenschaften oder IT öffnen an diesem Tag ihre Türen und zeigen bei spannenden Workshops im Labor, in Büros oder Werkstätten, wie abwechslungsreich die Arbeit in diesen Sparten ist.
Bereits zum siebten Mal ist auch das BLKA dabei. Hier tauchen die Mädels ein in die Welt der Ermittler und Kriminaltechniker. Es gibt Einblicke in die Bereiche Formspuren, Tatortarbeit, Phantombilderstellung oder eben Daktyloskopie. „Unsere Kunst ist es, aus einem Gemisch schwarzer Flecken etwas zu erkennen”, erläutert Hofmann. „Wir arbeiten nach dem vier Augen Prinzip, es ist schließlich enorm wichtig, dass wir uns sicher sind, wenn wir einen Fingerabdruck einer bestimmten Person zuordnen.” Die Mädchen dürfen sich selbst ausprobieren. Eine Schülerin legt ihre Hand auf das Glasfenster der Zimmertür. Hofmann und ihre Kollegin Martina Domke von der Kriminalpolizei ziehen Handschuhe über und pinseln vorsichtig über das Fenster. Wie durch Zauber erscheint die Hand des Mädchens auf dem Glas. Jeder einzelne Finger ist gut zu erkennen. „Jetzt haben wir deine Abdrücke, nimm dich in Acht”, natürlich nur ein Scherz von Hofmann. „Haben Sie immer schon hier gearbeitet?”, will eine der Schülerinnen wissen. „Nein, ich habe eine Lehre in der Bank gemacht. Es ist nicht unbedingt nötig, Polizistin zu sein”, erklärt Hofmann. „Viele Wege führen ins Amt.” Sie sei gerne beim BLKA, der Arbeitsplatz sei sicher, interner Wechsel leicht möglich.
Dann geht es für die Girls' Day Teilnehmerinnen weiter ins Nebenzimmer. Hier wartet Sandra Herb, Sachbearbeiterin im Erkennungsdienst. Herb und ihre Kollegen sind für die gesamte erkennungsdienstliche Behandlung eines Verdächtigen zuständig. Wieder heißt es: Selbst probieren, statt nur Erklärungen folgen. Herb schnappt sich kurzerhand Lara Usae aus dem Kreis der Schülerinnen und platziert sie vor einer Kamera. Auf dem Boden sind Markierungen angebracht. Pfeile zeigen Lara, in welche Richtung sie sich für verschiedene Aufnahmen zu drehen hat. Neben der Kamera blinken Belichtungsschirme wie in einem Fotostudio. So entstehen also die berühmten „Verbrecheraufnahmen”. Lara lacht über ihre Bilder. Sophie Hengge sieht ihr über die Schulter: „Das ist schon sehr interessant hier. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, den Girls' Day beim BLKA zu verbringen, weil mich das am meisten angesprochen hat.” Für die eigene Zukunft hat Sophie dennoch andere Pläne. „Eventuell Stewardess.”
Sonja David von der Kriminaltechnik kennt das Phänomen: „Wir haben stets sehr großen Andrang beim Girls' Day. Wiedergesehen habe ich aber noch keines der Mädchen.” David ist sicher, das ändere sich bald. „Wir sind erst seit sieben Jahren dabei, unsere ersten Girls machen jetzt gerade den Abschluss oder studieren, danach rechne ich fest mit ihnen.” Im BLKA sind nur 30 Prozent der Mitarbeiter weiblich. Woran das liegt, kann sich David nicht erklären. „Natürlich gibt es Bereiche wie den der Schusswaffendelikte, da ist ein Mann vielleicht robuster. Das sind aber die wenigsten. Grundsätzlich können Frauen hier alles mindestens genauso gut wie Männer leisten.” Beispielsweise auf Streife sei es immer von Vorteil, wenn Frauen dabei seien, so könnten auch weibliche Verdächtige überprüft werden. Es bleibt abzuwarten, wie viele Schülerinnen nach dem Girls' Day den Weg zurück ins BLKA finden.
Eine Befragung von mehr als 10.000 Mädchen nach dem Zukunftstag 2015 lässt hoffen: 97 Prozent der Mädels hat der Girls' Day sehr gut oder gut gefallen, knapp 40 Prozent können sich ein Praktikum oder eine Ausbildung im besuchten Betrieb vorstellen – also vielleicht doch viele zukünftige Polizistinnen, Kriminaltechnikerinnen und Ladies bei der Spurensicherung. Petra Sandles, Vizepräsidentin des BLKA und Girls' Day Schirmherrin, ist erst einmal glücklich über den gelungenen Tag: „Es freut mich jedes Mal wieder, zu sehen, dass so viele junge Mädchen so großes Interesse an unserer Arbeit haben und mit so viel Engagement den ganzen Tag über dabei sind.”