Die Hühner sind in Quarantäne. Die Vogelgrippe zwingt sie in den Stall. Nur Fraggle schnüffelt sich gerade durchs Gelände, hält kurz an den Kettcars der Kinder inne und saust weiter. Der Hund ist einer der Bewohner des „Stattparks Olga”. Mit ihm leben hier noch 18 Erwachsene und sechs Kinder – in Bauwagen und umgebauten Lkws. Es ist ein besonderes Wohnprojekt, das in der Boschetsrieder Straße 109 anzutreffen ist. Bis September 2018 läuft der Mietvertrag mit der Stadt. Ein Besuch:
Martin Lidl hat seinen Sohn gerade in die Kita gebracht, jetzt kommt er zurück in den gemütlichen Bauwagen. Es ist angenehm warm, unter der Decke hängt Wäsche zum Trocknen. „Wir hatten erst Waschtag”, sagt Martin und nippt an seinem Tee. „Wir nutzen den Waschsalon in der Nähe.” Seit August vergangenen Jahres stehen die Bauwagen auf dem Gelände unweit des Ratzingerplatzes. Auf den ersten Blick sieht es nach einem Zirkus aus, nur das Zelt fehlt. Irgendwie, so Martin, seien sie eine Wagenburg. Irgendwie aber auch nicht. Wagenburg klinge so nach abgeschottet sein. Gerade das wollen die Bewohner des Stattparks aber nicht. Sie sind Wohnprojekt, Kulturprojekt, es geht um Begegnung und Austausch. „Wir wollen zeigen, dass in einer so teuren Stadt wie München auch eine andere Lebensform möglich ist.” Aus diesem Grund sei ihnen daran gelegen, einen Stellplatz auf einem Areal der Stadt zu bekommen. Die Stadt solle damit in die Pflicht genommen werden. „Das ist auch ein politisches Signal, das wir damit setzen”, betont Martin. „Der Kontakt zur Stadt ist uns wichtig und wir haben inzwischen eine gute Unterstützung von der Politik und Verwaltung.”
Seit rund sechs Jahren gibt es den Stattpark Olga inzwischen. Der erste Standplatz befand sich in der Aschauerstraße in Obergiesing, von da ging es weiter in die Tumblinger Straße in die Ludwigsvorstadt. Nun also die Boschetsrieder Straße 109 in Obersendling. Mit ihrem Stattpark wollen die Bewohner die Stadt München ein bisschen lebendiger machen. Deshalb sind sie offen für alle, die sich für das Projekt interessieren. Als Kulturprojekt laden sie zu Veranstaltungen ein, bieten gerade für noch unentdeckte Talente eine offene Bühne für ein breites Publikum. Einmal im Monat gibt es zudem das Platzcafe. „Da kann jeder kommen, wir sitzen zusammen, hören Musik und ratschen ein bisschen”, sagt Martin und betont: „Wir halten uns immer an die Lärmvereinbarungen und hatten bisher keine Probleme.” Die Anwohner seien meistens erfreut über die Nachbarschaft. „Viele kommen vorbei und bringen Geschenkkörbe oder interessieren sich einfach für uns.”
Geschenke werden auch im „Umsonstladen” im Stattpark Olga abgegeben. Ein Bücherregal und ein Kleiderschrank sind prallvoll mit Lesestoff und Kleidung. „Das funktioniert im Grunde wie einer dieser öffentlichen Bücherschränke. Die Leute können hier Sachen abgeben, sich aber auch etwas nehmen”, sagt Martin. Manchmal müsse man etwas aussortieren. „Aber bei den Klamotten sind oft gute Sachen dabei.”
Besonders wichtig ist den Wagenbewohnern der bewusste Umgang mit Ressourcen. „Wir zeigen, dass es auch anders geht”, sagt Martin. Den größten Teil des Strombedarfs decken sie zum Beispiel aus eigenen Solaranlagen ab. Geduscht werde im eigens dafür vorgesehen Bauwagen, und Toiletten, ja die gebe es natürlich auch. „Es gibt ein Dixiklo, und viele Bewohner haben auch noch eigene Toiletten.” Gerade ist ein Gemeinschaftsgarten in Vorbereitung, ein Hochbeet steht unweit des Eingangs. „Das ist so unser nächstes Ziel, ein Garten, zu dem alle Zugang haben und wo wir gemeinsam etwas anbauen”, sagt Martin.
Es klingt ein bisschen nach der großen Freiheit, nach Unabhängigkeit. Doch ganz so leicht ist es nicht immer mit dem Weiterziehen. Das wissen auch Martin und seine Frau Sarah. Ab Herbst wird sich die Truppe wieder nach einem neuen Standort umsehen müssen. Ein Jahr Zeit bleibt ihnen dann noch, etwas Neues zu finden, denn auf dem aktuellen Gelände plant die Stadt einen Schulneubau. „Gerade mit Kindern ist das natürlich nicht so einfach”, sagt Sarah. „Bei uns leben Kinder im Alter zwischen zwei und 16 Jahren.” Ein Umzug bedeute auch immer viel Veränderung für die Kinder, er bringe Kita- und Schulwechsel mit sich.
Bis dahin wollen sie erst einmal die Zeit in Sendling genießen. Sie freuen sich auf den Frühling und den Sommer und natürlich darauf, die Hühner bald wieder rauszulassen.