Es ist eine nachbarschaftliche Kooperation, die jetzt schon das vierte Jahr hält und immer wieder ein kleines Schmuckstück hervorbringt: Die Schneidereigenossenschaft Orag am Oberanger 9 und das nur wenige Meter entfernte Münchner Stadtmuseum am Sankt-Jakobs-Platz 1 haben auch für 2017 wieder einen Jahreskalender gestaltet, der Mode und Lyrik einer bestimmten Epoche zum Thema hat. Die beiden Partner gehen dabei schrittweise zurück in die Vergangenheit. Der Kalender für 2016, bei dem gerade das letzte Monatsblatt aufgeschlagen ist, drehte sich um die „Mode und Lyrik der Gründerzeit”, die neu erschienene Auflage für 2017 stellt das Biedermeier in den Mittelpunkt.
Die Modegrafiken, die jeden der zwölf Monate schmücken, stammen wieder aus der Von Parish Kostümbibliothek. Ausgewählt wurden sie von deren Leiterin Esther Sophia Sünderhauf. Sie hat auch die detaillierten Erläuterungen zu jedem Bild verfasst. Die zum Stadtmuseum gehörende Kostümbibliothek ist eine der größten Fachsammlungen ihrer Art. Angelegt wurde sie von Hermine von Parish, die sie 1970 wiederum der Stadt München vermachte. Heute wird die Sammlung, die immer noch im einstigen Wohnhaus der Gründerin in Nymphenburg untergebracht ist, vor allem von Modedesignern, Studenten und Kostümbildnern genutzt.
Die Gedichte hat erneut der Prokurist der Orag, Heinz Hußmann, zusammengestellt. Sie sollten, wie Heinz Hußmann erläutert, die Breite der Lyrik im Biedermeier verdeutlichen. „Das geht dann”, so Hußmann, „vom unglaublichen Schwulst eines König Ludwig von Bayern über die Zeitkritik Franz Grillparzers bis hin zum Charme Heinrich Heines.”
„Mit Biedermeier wird allgemein die Ära zwischen Wiener Kongress 1815 und Märzrevolution 1848 bezeichnet”, erläuterte Esther Sophia Sünderhauf bei der Vorstellung des Kalenders. Die Mode allerdings spiegle gesellschaftliche Veränderungen erst verzögert wider, daher habe sie sich bei den Darstellungen auf die Jahre 1820 bis 1840 als Kernzeit des Biedermeiers beschränkt. „Die zuvor schmale Silhouette mit extrem hoch gesetzter Taille”, die insgesamt die Vertikale betone, werde in der zweiten Hälfte der 1820er Jahre breit und ausladend. „Auf die extrem betonte Schulterpartie folgt eine schmale Taille und darauf wieder ein sich nach unten verbreiternder, weiter Rock.”
Erhältlich ist „Mode und Lyrik des Biedermeier” im Orag-Ladenschäft am St.-Jakobs-Platz gegen eine Schutzgebühr von elf Euro. Für unsere Leser hat die Schneidereigenossenschaft Orag einige Exemplare nach Laim geliefert, die im Buchshop der Münchner Wochenanzeiger in der Fürstenrieder Straße 9 erhältlich sind.