„Ich weiß nicht, was ich bei euch vorlesen soll“, sagte Rainer Maria Schießler. Da hatte der Münchner Pfarrer aber schon seit 100 Minuten aus seinem Leben und über seine Vorstellungen zum Glauben gesprochen. Zu einer „Lesung“ war der Münchner Kirchenrebell – wie er in den Medien gerne genannt wird – von der Volkshochschule und der Germeringer Bibliothek eingeladen worden. Schießler blätterte an seinem Lesetisch in seinem Buch „Himmel, Herrgott, Sakrament – Auftreten statt Austreten“ und beschloss dann doch lieber weiter zu erzählen. „Das Buch kennen eh die meisten, die hier sind“, sagte er. Den rund 100 Zuhörern in der voll besetzten Bücherei war das ganz recht. Sie hingen an den Lippen des Kirchenmanns und nickten immer wieder zustimmend mit den Köpfen, zum Beispiel als er sich für die Ökumene aussprach, über die Einsamkeit der Priester und den Zölibat berichtete oder wenn er Anekdoten von seiner Tätigkeit als Kellner auf der Wiesn erzählte.
An Germering habe er besondere Erinnerungen, so Schießler. Als Bub sei er von Laim zur „Stadtranderholung“ nach Germering geschickt worden. Eine schöne Zeit sei dies gewesen, allerdings habe ein Erlebnis seine Erinnerungen getrübt. Der recht muntere Bursche musste sich einmal als Strafe in die Mitte aller anderen stellen und sich von den Kindern auslachen lassen. „Das war Missbrauch“, meinte Schießler rückblickend, um dann darüber zu sinnieren, wie es zu solchen Taten kommen könne.
Mit Germering verbindet der 1960 Geborene außerdem die Erinnerung an seine erste Verliebtheit. Als 13-Jähriger habe er eine Silvia aus Germering im Skilager kennengelernt. Einige Jahre später feierte er in Don Bosco seine Nachprimiz. In guter Erinnerung hat Schießler seine Kontakte mit dem ehemaligen Germeringer Pfarrer Josef Ernst Ilias und dem Kaplan Fischbacher.
„Wir sperren Leute aus“
Wer Schießler erlebt hat, versteht, warum die Kirche in St. Maximilian, der er seit 1993 vorsteht, jeden Sonntag gesteckt voll ist. Schießler ist ein leidenschaftlicher Pfarrer und Prediger, der die Augen vor Problemen nicht verschließt. „Nur weil wir das Geld haben, können wir das System noch aufrecht erhalten“, erklärte er in Bezug auf die Krise der Kirche. Sie müsse sich auf die veränderten Bedingungen, die modernen Zeiten einstellen und sich von veralteten Traditionen verabschieden. „Frauen müssen Ämter in den Kirchen einnehmen dürfen“, forderte Schießler. Die strenge Haltung der Kirche gegenüber Geschiedenen bedauerte er. „Wir sperren Leute aus“. Dabei sei vor Gott jeder geeignet. Bedauerlich fand Schießler, dass sein Publikum vorwiegend aus älteren Leuten bestand. Die Jugend würde in den Kirchen fehlen. Deswegen appellierte er zum Beispiel durch zeitgemäße Fürbitten den Gottesdienst mitzugestalten. „Ihr müsst euch etwas trauen, ohne persönlichen Einsatz geht es nicht, rief er den Germeringern zu.
Nach zwei Stunden gab Schießler doch noch eine Kostprobe aus seinem Buch. Anschließend konnten sich die Besucher Autogramme holen. Die Buchhandlung LeseZeichen hatte einen Büchertisch aufgebaut.