Früher hieß es: Stillsitzen und keinen Mucks, sonst pfeift der Rohrstock. Heute gehören zum Unterricht Gruppenspiele, Klassenprojekte und Freiarbeit an der Lerntheke. Aus starrem Frontalunterricht mit Lehrern ohne pädagogischem Hintergrund ist ein vielfältiges Schulsystem geworden, das die Zukunftsinteressen der Kinder in den Fokus rückt. „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir” – dieses umgekehrte Seneca-Zitat findet generelle Zustimmung.
Heute soll Schule nicht nur ein Ort zum Lernen sein, sondern auch zum Leben. Die Ganztagsschule soll Chancengleichheit für alle Schüler schaffen – egal aus welchem Elternhaus sie kommen. Doch in München ist die Umsetzung des Konzepts mit vielen Schwierigkeiten verbunden.
Zum Thema Schule hat jeder Mensch eine Meinung, weil jeder sie aus eigener Erfahrung kennt. Und so unterschiedlich wie die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Ansichten, Bedürfnisse und Wünsche. Es gibt Schüler, die froh sind, mittags nach Hause zu kommen, sich in ihr Zimmer zurückziehen und den Nachmittag frei gestalten zu können. Es gibt Ganztagsschüler, die zuhause wenig Freiraum haben und im Ernst darüber klagen, dass ihnen die Sommerferien viel zu lang seien. Es gibt Eltern, die ihre Kinder mit Nachhilfe zur Leistung antreiben und zur Not dem Lehrer mit dem Anwalt drohen, sollte es mit Übertritt oder Versetzung nicht klappen. Und an anderen Schulen gibt es Klassen, wo zum Elternabend gerade mal zwei Personen erscheinen. Und die Lehrer? Wie haben sich ihre Aufgaben im Lauf der Zeit verändert? Und erfahren sie von der Gesellschaft eigentlich die nötige Wertschätzung für das was sie leisten?
Die alte Generation: Stjepan Bergovec, Realschullehrer im Ruhestand, 68 J.:
Die Bildungsideale vor und nach dem Krieg waren Gehorsam, Disziplin, Ordnung und Fleiß. Ende der 1960er Jahre schlug mit der Studentenbewegung das Pendel in die andere Richtung: „antiautoritäre“ Erziehung, d.h. die Kinder sollen bewusst zu Ungehorsam und Kritikfähigkeit erzogen werden. Anfang der 1970er Jahre eine Herausforderung für Lehrer und Schule. Noch eine Herausforderung waren die Gastarbeiterkinder mit wenig Deutschkenntnissen. Die Lehrer müssen auch Beratungs- und Vertrauenspersonen sein und teilweise auch die Erziehungsaufgaben der Eltern übernehmen.
Damals wie heute ist die Befolgung klarer Regeln und Vorgaben die Voraussetzung für ein geordnetes und friedliches Zusammenleben. Körperliche Strafen, die in Bayern erst 1983 gesetzlich verboten wurden, sind heute absolut tabu. Heute sollen die Schüler selbständiges Denken, eigene Ideen, Kreativität und Kritikfähigkeit entwickeln. Dabei sollen aber der Leistungsgedanke und die Disziplin nicht vernachlässigt werden.
In der Schule von heute sollen alle Kinder gleichberechtigt lernen, individuell gefördert werden und die besten Ergebnisse erzielen. Schule soll die kulturellen, religiösen, sozialen und muttersprachlichen Unterschiede unter einen Hut zu bringen und allen Kindern gleichermaßen die Chance auf schulischen Erfolg bieten. Um diese Ziele zu erreichen wurde die Ganztagsschule eingeführt, die viele Probleme bringt: fehlende Räumlichkeiten, keine Mensa usw. Da muss einiges nachgeholt werden, denn in der Schule spielt sich das Leben unserer Kinder ab.
Die junge Generation: Ines Trautmannsheimer, Gymnasiastin, 17 J.:
Natürlich kenne ich die Schule nicht anders als ich sie jetzt erlebe und finde sie nicht schlecht. Die Lehrer sagen oft, dass früher, als das Gymnasium noch neun Jahre lang gedauert hat, einfach mehr Zeit war: für Theater, Lektüren, Arbeitsgemeinschaften und Ähnliches.
Meiner Meinung nach würden durchaus noch mehr lebenspraktische Dinge in den Lehrplan gehören: Wir haben zwar zwei Stunden lang gelernt, wie man eine Überweisung ausfüllt, aber Themen wie etwa Versicherungen oder Mietverträge kamen noch nie vor, und die fände ich für das spätere Leben auch wichtig.
Lehrer mit Rohrstock, wie man das von früheren Zeiten hört, kann ich mir nicht vorstellen. Aber etwas mehr Disziplin in der Klasse hätte ich mir im Laufe meiner Schulzeit schon immer mal wieder gewünscht. Wenn die Schüler einfach machen, was sie wollen, ist ja vernünftiges Lernen nicht mehr möglich. Die ein oder andere Strafarbeit mehr hätte da sicher geholfen.
Ich bin froh, dass ich am Nachmittag noch Zeit für Aktivitäten (Musik und Sport) in Vereinen habe. Ich empfinde es als Bereicherung, es dort auch mal mit ganz anderen Leuten zu tun zu haben. Die Angebote an Musik- und Sportgruppen innerhalb der Schule finde ich nicht zufriedenstellend. Wenn die komplette Zeit, also auch die Freizeit, in der Schule verbracht werden sollte, müsste da noch mehr getan werden.