Veröffentlicht am 12.09.2016 09:35

Was regelt eine Vorsorgevollmacht? Und wie formuliert man sie?

Katja Graf-Kessler arbeitet seit  über zehn Jahren beim SkF als gesetzliche Betreuerin. Unser Bild zeigt sie mit einem der ihr Anvertrauten. (Foto: SkF/ Jan Roeder)
Katja Graf-Kessler arbeitet seit über zehn Jahren beim SkF als gesetzliche Betreuerin. Unser Bild zeigt sie mit einem der ihr Anvertrauten. (Foto: SkF/ Jan Roeder)
Katja Graf-Kessler arbeitet seit über zehn Jahren beim SkF als gesetzliche Betreuerin. Unser Bild zeigt sie mit einem der ihr Anvertrauten. (Foto: SkF/ Jan Roeder)
Katja Graf-Kessler arbeitet seit über zehn Jahren beim SkF als gesetzliche Betreuerin. Unser Bild zeigt sie mit einem der ihr Anvertrauten. (Foto: SkF/ Jan Roeder)
Katja Graf-Kessler arbeitet seit über zehn Jahren beim SkF als gesetzliche Betreuerin. Unser Bild zeigt sie mit einem der ihr Anvertrauten. (Foto: SkF/ Jan Roeder)

Krankheit, Unfall, Alter: Jeder kann in eine Lage kommen, in der er nicht mehr für sich selbst sprechen kann. Gut, wenn es dann eine Vertrauensperson gibt, die Entscheidungen treffen kann. Mit der Vorsorgevollmacht kann jeder festlegen, wer für ihn im Fall der Fälle die Dinge regeln soll. Katja Graf-Kessler, rechtliche Betreuerin beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) beantwortet im Gespräch mit Johannes Beetz die wichtigsten Fragen dazu.

Vollmacht ist sofort gültig

Wann sollte ich eine Vorsorgevollmacht erteilen? Ab wann gilt sie?

Katja Graf-Kessler: Eine Vorsorgevollmacht sollte idealerweise bereits mit Beginn der Volljährigkeit erstellt werden, da auch ein junger Mensch plötzlich – bestenfalls nur vorübergehend – durch Unfall oder schwere Krankheit nicht mehr in der Lage sein kann, für sich Entscheidungen bezüglich der Gesundheit (inkl. Einwilligung in OPs), Vermögenssorge oder Behördenangelegenheiten zu regeln. Die Vorsorgevollmacht ist zwar für die Zukunft ausgerichtet, kann aber bereits eingesetzt werden, sobald der Bevollmächtigte im Besitz der Original-Urkunde ist. Gültig ist sie ab Datum der Unterschrift. Eine Überprüfung der Notwendigkeit ist bei der Vorsorgevollmacht nicht gegeben. Daher sollte zur bevollmächtigten Person ein 100%iges Vertrauensverhältnis bestehen.

Im Gegensatz zur rechtlichen Betreuung, die erst eingesetzt wird, wenn die gesundheitlichen Voraussetzungen nach Überprüfung durch das Betreuungsgericht gegeben sind. Die Vorsorgevollmacht ist sofort gültig und sollte für den Bedarfsfall sicher zuhause hinterlegt werden. Der Bevollmächtige sollte wissen, wo er sie im Notfall finden kann.

Absolutes Vertrauen

Was kann ich mit einer Vorsorgevollmacht regeln?

Katja Graf-Kessler: Mit meiner Vorsorgevollmacht kann ich festlegen, dass mich eine oder mehrere Personen meines absoluten Vertrauens vertreten, wenn ich selbst nicht mehr dazu in der Lage bin. Im Einzelnen kann ich mit der Vollmacht regeln, dass in den Bereichen der Gesundheitsfürsorge, Finanzen, Versicherungen, Behördenangelegenenheiten, Wohnungs- und Heimangelegenheiten der Bevollmächtigte für mich handlungs- und unterschriftberechtigt ist. Auch kann ich dazu bevollmächtigen, meine Post entgegenzunehmen und zu bearbeiten.

Die Sparkassen und Banken fordern allerdings zusätzlich noch eine vor Ort bei ihnen vom Vollmachtgeber unterschriebene Bankvollmacht auf eigenen Formularen. Diese Vollmachten sind dann ab sofort gültig.

Verwandtschaft ersetzt Vollmacht nicht

Brauche ich eine Vorsorgevollmacht, wenn ich Familienangehörige habe, die sich um mich kümmern können?

Katja Graf-Kessler: Es hält sich hartnäckig das Missverständnis, dass es im Notfall ein automatisches Angehörigenvertretungsrecht gibt. Auch ein enger Familienangehöriger kann nur mit zuvor erteilter Vollmacht handeln.

Betreuungsgericht überprüft

Was passiert im Zweifelsfall, wenn ich keine Vorsorgevollmacht habe?

Katja Graf-Kessler: Wenn ich keine Vorsorgevollmacht erstellt habe und ich nachweislich (!) krankheitsbedingt nicht mehr entscheidungs- und handlungsfähig bin, so wird eine rechtliche Betreuung eingerichtet, im Bedarfsfall auch nur vorübergehend, je nach Dauer und Ausmaß der Erkrankung. Die Notwendigkeit der Betreuung wird dann auch regelmäßig vom Betreuungsgericht überprüft.

Registrierung schafft Sicherheit

Was ist der Unterschied zwischen Vorsorgevollmacht, rechtlicher Betreuung und Patientenverfügung?

Katja Graf-Kessler: Mit einer Vorsorgevollmacht kann ich eine Person meines absoluten Vertrauens für die Erledigung meiner Angelegenheiten bestimmen. Ich kann auch mehreren Personen meines absoluten Vertrauens diese Vollmacht erteilen, dass sich z. B. die eine Person um die Gesundheitsangelegenheiten kümmert und eine andere Person um die finanziellen Angelegenheiten oder/und weitere Bereiche. Die Bevollmächtigten werden jedoch nicht vom Gericht kontrolliert. Die Kontrolle wird also komplett abgegeben.

Eine rechtliche Betreuung wird dagegen erst eingerichtet, wenn der Krankheitsfall (psychische Erkrankung, geistige, seelische und / oder körperliche Behinderung) eingetreten ist und keine Vorsorgevollmacht vorliegt. Der rechtliche Betreuer muss mindestens jährlich Rechenschaft gegenüber dem Betreuungsgericht ablegen.

In einer Patientenverfügung kann ich im Einzelnen darlegen, wie der von mir Bevollmächtigte oder der rechtliche Betreuer mich in Fragen der Gesundheit und Pflege zu vertreten hat. Dies betrifft auch die Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen, das evtl. Einstellen von lebensverlängernden Maßnahmen und evtl. notwendige freiheitsentziehende Maßnahmen, wobei deren Notwendigkeit stets mit ärztlichem Attest und betreuungsgerichtlicher Genehmigung geprüft werden, was ein Schutz für den Patienten, aber auch eine Entlastung für den Bevollmächtigen und rechtlichen Betreuer ist.

Wenn ich nur eine Patientenverfügung, jedoch keine Vorsorgevollmacht habe oder der rechtliche Betreuer nichts von der Patientenverfügung weiß, dann habe ich niemanden, der meine Wünsche aus der Patientenverfügung gegenüber den Ärzten durchsetzen kann. Idealerweise - jedoch nicht zwingend - lässt man beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer in Berlin online oder per Post die Vorsorgevollmacht, evtl. Betreuungsverfügung (wer gegebenenfalls Betreuer werden sollte) und die Patientenverfügung registrieren. Die Zuständigen können dann im Bedarfsfall schneller vom Betreuungsgericht ermittelt werden.

Hilfeleistung beim Ausfüllen o. g. Verfügungen und dem Registrierungsantrag bei der Bundesnotarkammer bieten auch hier gerne die Betreuungsvereine.

Empfehlenswerte Vorlage

Muss die Vorsorgevollmacht in bestimmter Form oder mit eigenen Formularen erstellt werden? Brauche ich dafür einen Notar, Anwalt oder Zeugen?

Katja Graf-Kessler: Die Vorsorgevollmacht bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Form. Wirksam ist sie jedoch nur, wenn sie eigenhändig mit Ort und Datum vom geschäftsfähigen Vollmachtgeber und dem Vollmachtnehmer unterschrieben wurde. Sollte später jemand Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers haben können, so ist es sinnvoll, die Unterschriften vor einem Mitarbeiter der Betreuungsstelle der Landeshauptstadt München oder einem Notar zu leisten und von diesem beglaubigen zu lassen. Gehören zum Vermögen Grundstücke oder Immobilien, ist in der Regel eine notarielle Beglaubigung der Unterschrift notwendig.

Als Vorlage für die Erstellung der Vorsorgevollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung ist die Broschüre der Landeshauptstadt München empfehlenswert, die es im Buchhandel gibt: „Vorsorge durch Vollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung“. Ebenso die im Beck-Verlag erschienene Broschüre „Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter“, ebenfalls im Buchhandel erhältlich. Bei Fragen zum Ausfüllen der in diesen Broschüren enthaltenen Vordrucke helfen gerne die Betreuungsvereine.

Der Vorteil dieser Vordrucke ist, dass diese für den Adressat (Ärzte, Versicherungen, Behörden) übersichtlich und leichter verständlich sind als lange Fließtexte.

Bei sehr umfangreichen und komplizierten Vermögensverhältnissen ist jedoch eine Beurkundung durch einen Notar sinnvoll, in jedem Fall bei Besitz von Immobilien und Grundstücken.

Jede Person ist einsetzbar

Wen kann ich in meiner Vorsorgevollmacht einsetzen? Was mache ich, wenn ich alleinstehend bin und niemanden habe, der dafür in Frage kommt?

Katja Graf-Kessler: In Ihrer Vorsorgevollmacht können Sie jede geschäftsfähige erwachsene Person ihres vollsten (!) Vertrauens einsetzen. Wenn Sie alleinstehend sind und niemanden haben, so ist die Vollmacht nicht das passende Instrument. Sie können jedoch in einer Betreuungsverfügung (ebenfalls in den zuvor genannten Broschüren erhältlich) z. B. verfügen, dass ein Mitarbeiter eines Betreuungsvereins für Sie im Bedarfsfall vom Betreuungsgericht bestellt wird. Auch können Sie hier festlegen, wen Sie ggfs. auf keinen Fall als rechtlichen Betreuer möchten. Andernfalls wird bei Bedarf ein Berufsbetreuer, ein Vereinsbetreuer oder ein ehrenamtlicher Betreuer für Sie durch das Betreuungsgericht bestellt.

Änderungen bleiben möglich

Kann ich die Bestimmungen meiner Vorsorgevollmacht im Nachhinein ändern?

Katja Graf-Kessler: Die Bestimmungen können Sie so lange ändern wie Sie geschäftsfähig sind, d. h. Sie vernichten die alte Vollmacht und erteilen eine neue Vollmacht. Mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit ist dies nicht mehr möglich.

Details erhalten die Selbstständigkeit

Wie kann ich verhindern, dass meine Selbständigkeit durch eine Vollmacht eingeschränkt wird?

Katja Graf-Kessler: Je detaillierter Sie in der Vorsorgevollmacht ausführen, wie Sie vertreten werden möchten, umso mehr ist der Bevollmächtigte daran gebunden. Jedoch wird dieser in seiner Tätigkeit im Gegensatz zum rechtlichen Betreuer nicht kontrolliert.

Klärendes Gespräch suchen

Was kann ich tun, wenn ich nicht mit dem Bevollmächtigen einverstanden bin, den meine Eltern für sich eingesetzt haben?

Katja Graf-Kessler: Suchen Sie dann zunächst ein klärendes Gespräch mit dem Bevollmächtigen und Ihren Eltern. Sollte sich das in Ihren Augen gesehene Problem nicht lösen, so können Sie sich vertrauensvoll an einen Betreuungsverein wenden und schließlich an die Betreuungsstelle der Stadt München. Bei Verdacht auf Missbrauch der Vollmacht kann dann vom Betreuungsgericht nach Prüfung der Voraussetzungen eine rechtliche Kontrollbetreuung angeordnet werden.

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