„Wir haben eine großartige Unterstützung der Pfadfinder im Viertel“, freut sich Birgitta Lohr von den „Schwarzen Löwen“; diese kommt zum Beispiel vom Bezirksaussschuss. Als die Löwen vor zwei Jahren ihr 30-jähriges Jubiläum mit gut 500 jungen Leuten feierten und einen Ochsen grillten, konnten sie natürlich auf finanzielle Hilfe des Gremiums zählen. „Mit viel Engagement gelingen diese Dinge“, sagt Löhr, „aber man muss sich schon einsetzen, damit es funktioniert!“
Das ist womöglich das ganze Geheimnis, das Hadern zum „lebens- und liebenswerten Viertel“ am Rande der Großstadt macht. „Hadern hat einen positiven dörflichen Charakter“, meint Peter Kastenmeier. Der „gelernte Handballer“ ist Präsident des TSV Großhadern, einer Institution im Viertel, die von 3.000 Mitgliedern getragen wird. „Die Leute sind eng beeieinander, das merkt man am Vereinsleben oder Festen wie Fronleichnam. Das zeichnet Hadern aus!“ Hier gibt es sogar noch einen der wenigen Trachtenverein in der Großstadt. Der Sportverein mit seinen zehn Abteilungen ist ein Querschnitt durch die ganze Bevölkerung: „Bei uns sammeln sich die Menschen aus Hadern“, so Kastenmeier.
„Der Zusammenhalt ist stark“, meint er. Ein weiterer Pluspunkt: „Wer im Viertel Verantwortung trägt, kennt sich“, sagt Lohr, „die haben alle schon mal was miteinander gemacht!“ So sind die Entscheidungswege kurz: „Das ist toll in Hadern!“
Gut 950 Jahre alt wird Hadern heuer - genau weiß man das nicht. Gefeiert wird trotzdem. Der Zusammenhalt ist vielleicht sogar noch stärker als in vielen jüngeren Vierteln. Doch wie gelingt es, dieses Zusammenhalt zu bewahren? Schließlich ist auch das kleine 300-Seelen-Dörfchen Hadern in den vergangenen 100 Jahren enorm gewachsen (heute zählt der Stadtbezirk 50.000 Bewohner) und hat sich grundlegend verändert. Klinikum, Autobahn, Wohnblocks, Haderner Stern: All das gab es vor einigen Jahrzehnten noch nicht. Aus einem Bauerndorf ist hier mit Klinikum und Campus das Stoibersche „Laptop-und-Lederhosen-Modell“ Realität geworden.
„Es hängt immer an den Menschen“, fasst Peter Kastenmeier zusammen. Wenn die zusammenpassen, wird eine Großstadt zum Millionendorf oder ein Stadtteil bleibt „das schönste Dorf Münchens“. Haderns 950 Vorteile dabei: „Es gibt eine gewachsene Struktur“, so Kastenmeier, „und der Zuwachs hat diese ergänzt. Es war ein schnelles, aber ein geordnetes Wachstum.“ Die Vereine sind dabei unverzichtbar: Sie sind ein Auffangbecken für den Zuzug. Bei ihren vielen Veranstaltungen können sich die Menschen, alte Haderner und Neubürger, kennenlernen. „Wenn diese Dinge hochgehalten werden, beibt die Struktur Haderns erhalten“, so Kastenmeier.
„Die Vereine halten alle zusammen“, stimmt Ingrid Appel zu, „und arbeiten mit Schulen und anderen Einrichtungen zusammen.“ Erfreulich in Hadern: Hier werden auch neue Vereine gegründet wie der Geschichtsverein.
Dass es dafür vor allem Räume braucht, meint Stefanie Junggunst. Ihre Einrichtung, ihre Arbeit sind ein Beitrag, den sozialen Frieden im Viertel zu stärken und Nachbarn Treffmöglichkeiten zu geben. Nur so können immer wieder neue Vernetzungen entstehen. Ein Beispiel: die Dominotage Ende Juni. „Da entstanden viele neue Kontakte im Viertel“, so Junggunst. Das ist für die Blumenau wichtig: „Die Senioren hier lieben ihr Viertel“, sagt Junggunst, „das wollen wir auch nach außen tragen!“
Neue Räume für Vereine wurden gerade mit dem Kulturzentrum am Haderner Stern eröffnet. Anderswo lassen sie auf sich warten, erinnert Ingrid Appel an das noch immer nicht gebaute ASZ auf der Kurparkwiese. „Der Platz ist da, jetzt fehlt das Geld.“ Nun solle wenigsten eine Sommerstockbahn dort gebaut werden, so Appel.
Spielmöglichkeiten fehlen auch für Jugendliche, ergänzt Birgitta Lohr: Die Jugendlichen sollen raus und nicht den ganzen Tag vor dem PC sitzen. Aber: „Alles, was vorgeschlagen wird, ist zu laut“, gibt Lohr die Bedenken anderer Bürger wieder. Ingrid Appel widerspricht: „Kinder stören uns nicht!“ Hedi Grün bedauert, dass Jugendliche oft schnell kriminalisiert werden, wenn sie mal „Blödsinn“ gemacht haben. „Das haben wir früher doch auch“, so Grün, „wir haben dann zuhause Ärger bekommen und gut war's. Kein Mensch hätte unseren Eltern gleich strafrechtliche Konsequenzen angedroht.“
Einer der wichtigen Trefforte ist das Mehlfeld’s. Der Bezirksausschuss tagt hier, es treten Künstler auf, die Senioren essen hier zusammen. Christian Mehlfeld bringt hier aber auch auf andere Weise Menschen zusammen: am Arbeitsplatz. Er bietet jungen Leuten aus der Nachbarschaft eine Ausbildung. „Manche mit einem zunächst schwierigen Lebenslauf bekommen da ganz gut die Kurve“, erzählt er, „es ist toll zu sehen, dass sie ein gute Startmöglichkeit nutzen!“
Der gute Start am Haderner Stern ist auch Franziska Kohler in bester Erinnerung geblieben. Nachdem sie lange in der Pfingstrosenstraße ihren Blumenladen hatte, zog sie vor gut fünf Jahren zum Haderner Stern. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt sie, „es ist ein schönes Miteinander. Man grüßt sich, man winkt sich zu.“ Hedi Grün erlebt es ähnlich: Vor einem Jahr zog sie aus Fürstenried hierher und fing nochmal neu an. Sie freut sich über die persönlichen Kontakte: „Das macht richtig Spaß!“
„Die Welt ist klein“, ergänzt Julia Hefele, „man trifft sich immer wieder.“ Etwa ein Vierteljahr dauert es im Schnitt, bis ein Fahrschüler die Führerscheinprüfung besteht. „Drei Monate Fahrschule schweißen zusammen“, schildert sie. Da erklärt ein Fahrschüler schon mal seinem Fahrlehrer, wie der mit seinem neuen Handy zurechtkommen kann.
Eine der vielen Menschen in Hadern, die das Viertel zusammenhalten, ist Ingrid Appel. Sie wohnt seit 1976, von Anfang an, in der Wohnanlage am Haderner Stern. „Wir haben hier alles“, schwärmt Appel , „Ärzte, U-Bahn, Geschäfte; es ist ein herrliches Wohnen!“ Beim Umbau 2001 gründete sie die Mieterinitiative. 300 der 3.000 Bewohner sind inzwischen in der Initiative aktiv. Längst ist Appel Mittelpunkt eines engmaschigen Netzes für die Nachbarn. Es gibt Essen für Senioren, Vorträge zur Sicherheit, Hilfen für Ältere bei Behördengängen, Schülerpatenschaften etc. Dahinter steckt stets ein Gedanke: „Es geht um die Gemeinsamkeit, um das nachbarschaftliche Zusammenspiel.“ Am wichtigsten ist es für Appel, die Leute aus ihrem Alleinsein herauszuholen. Und: „Wenn sich die Leute kennen, passen sie aufeinander auf!“
Das gelingt auch in der Blumenau: Stefanie Junggunst berichtet vom Erzählcafe, in denen Senioren den „Neuen“ die Geschichte(n) der Blumenau weitergeben. Viele Migranten ziehen in dieses Quartier. Durch solche Veranstaltungen oder gemeinsame Kochabende bringt der Treff die Menschen zusammen – Nachbarn, die sonst nicht so einfach die Chance zum Zusammensein haben.
Das Dorffest ist ebenfalls eine solche Plattform. Nicht nur der TSV, auch der Verein Kultur in Hadern und der VdK nutzen dieses Forum jedes Jahr. Die Organisation ist eine Herausforderung für das ehrenamtliche Team des TSV, aber sie lohnt sich: „Die Leute nehmen diesen Treffpunkt an“, so Kastenmeier.
Natürlich gibt es auch in Hadern Trennendes und Herausforderungen. Die Autobahn zerschneidet das Viertel, trennt Hadern und die Blumenau. Ein Steg führt über sie - aber: „Im Winter traue ich mich nicht mehr, über die Brücke zu gehen“, sagt Ingrid Appel. Stefanie Junggunst - auf der anderen Seite der Autobahn - kennt das Problem: „Das ist gefühlt ‚über der Straße‘, da ist man nicht mehr im eigenen Viertel.“
Probleme gibt es auch in Sachen Verkehr. Christian Mehlfeld benötigt z.B. einen kleinen Laster, um für seinen Lebensmittel – und Gastronomiebetrieb Waren vom Großmarkt holen zu können. „Dazu braucht man größere Fahrzeuge, das geht nicht mit dem Smart“, sagt er. Nur: Wo sollen diese Fahrzeuge parken, ohne Anwohner zu stören?
Solche Fragen werden zukünftig vielleicht häufiger gestellt, denn auch in Hadern hat die „Nachverdichtung“ eingesetzt. „Es wird alles dichter“, beobachtet Birgitta Lohr, „wo früher eine Koppel war, steht jetzt ein Vierspänner.“
Das „herrliche Wohnen“, von dem Ingrid Appel spricht, die Mischung der Bevölkerung, die wohnortnahe Versorgung: „Das kann leicht kippen“, gibt Franziska Kohler zu bedenken, denn vielfältig sind die Aufgaben, die die Zukunft auch für ein Viertel wie Hadern bringt. Das „Dorf“ mit seinem starken Zusammenhalt scheint dafür aber bestens gerüstet.
Ingrid Appel , Seniorenbeirätin und Mieterinitiative Haderner Stern; wohnt in der Anlage seit 1976.
Hedi Grün , Mon-Tee; zog mit ihrem Geschäft vor einem Jahr aus Fürstenried Ost zum Haderner Stern.
Julia Hefele , Fahrschule Fehr; in Hadern aufgewachsen.
Stefanie Junggunst , Nachbarschaftstreff Blumenau; seit 2009 mit dem Treff in Hadern.
Peter Kastenmeier , Präsident TSV Großhadern; in Hadern aufgewachsen.
Franziska Kohler , Blumenladen Il fiore; seit über fünf Jahren mit ihrem Laden am Haderner Stern und zuvor 16 Jahre in der Pfingstrosenstraße.
Birgitta Lohr , Pfadfinder Schwarze Löwen; kam 1974 als Elfjährige nach Hadern.
Christian Mehlfeld , Mehlfeld's; seit zwölf Jahren mit seinem Betrieb am Haderner Stern.