Die Musik der Oberkrainer begeistert auch hierzulande mehr und mehr Anhänger. Mit Saso Avsenik und seinen Oberkrainern haben sieben junge Musiker das Erbe ihrer Väter und Großväter aufgegriffen und führen die Tradition mit neuen Impulsen fort. Wie sich das anhört, ist beim Goldenen Oberkrainer Festival am Freitag, 10. Juni, um 20 Uhr im Circus Krone zu hören. Saso Avsenik besuchte die Münchner Wochenanzeiger und erzählte Johannes Beetz und Ludomil Kotuliak von seinem Leben, von seiner Musik und von seinen Ideen.
Sie haben eine Ausbildung im Bereich Gastro / Tourismus gemacht. Warum sind Sie Richtung Musik weitergegangen? Und wann war für Sie klar, dass Sie mehr „Musik“ als „normalen Beruf“ machen wollen?
Saso Avsenik: Musik war immer ein Hobby für mich, nach der Schule haben wir mit einigen Freunden gemeinsam eine Oberkrainer-Gruppe gegründet. Wir haben zum Spaß musiziert, hier und da kleine Auftritte im privaten Rahmen gespielt. Dies einmal beruflich zu machen, war natürlich unser aller Traum, aber dass dieser schon bald wahr wird ...
Für den ernsteren Teil des Lebens habe ich eigentlich eine Ausbildung an der Tourismusschule gemacht und hätte wahrscheinlich irgendwann im „Gasthaus Avsenik“ in Begunje mitgearbeitet. Dann kam 2009 unser Auftritt im Musikantenstadl. Von da an ging alles ganz schnell - so viele Terminanfragen aus dem In-und Ausland, dass schon bald keine Zeit mehr für einen anderen Beruf war.
In den vergangenen fünf Jahren haben Sie an die 500 Konzerte gegeben ...
Saso Avsenik: Es waren sicherlich mehr als 750 Termine. Da bleibt natürlich nicht viel Zeit für andere Dinge. Aber wir sind jung und fast alle ungebunden - wir lieben es unterwegs zu sein. Mit Familie und Kindern wird das wahrscheinlich irgendwann einmal nicht mehr so leicht gehen. Meine Freizeit nutze ich für Sport, zum Musik hören und für meinen Gemüsegarten, den ich gerade anlege.
Sie sind mit ihren Oberkrainern sieben junge Musiker. Woher kennen Sie sich?
Saso Avsenik: Die aller erste Besetzung bestand aus Schulkameraden und Freunden. Da waren einige dabei, denen es schon bald zu viel wurde. Es war schnell klar, dass ich Kollegen um mich brauche, die die gleiche Liebe zur Musik verspüren und den Wunsch haben, dies beruflich zu machen. Über Facebook habe ich dann mehrere Castings / Vorspiele angesagt. Mit Opa Slavko und Onkle Vilko gemeinsam konnten schon bald die richtigen Leute gefunden werden, bei denen die Einstellung und alles andere zusammen passte. Dafür hatten die beiden alten Hasen ein sehr gutes Händchen!
Eines Ihrer Alben heißt „Überraschungsklänge”. Womit überraschen Sie Ihr Publikum?
Saso Avsenik: Mit diesem Projekt wollten wir die Breite der Oberkrainer Musik zeigen, musikalische Brücken bauen. Es gibt Titel in der klassischen Quintett-Besetzung, dazu einige untypische, überraschende Stücke: mal mit Männerchor, mal mit Streichorchester, mit Konzertgitarre gespielt von meinen Vater Gregor, Oberkrainermusik im Latino Style, und vieles mehr.
Wann kommt das nächste Album heraus?
Saso Avsenik: Für das nächste reguläre Studio-Album lassen wir uns momentan noch ein bisschen Zeit. Das muss reifen. Im Winter erscheint unser 1. Weihnachtsalbum.
Wie gefällt Ihnen München? Sind Sie hier schon einmal aufgetreten?
Saso Avsenik: Direkt in München hab ich noch nie vor Publikum gespielt! Es wird unsere Premiere! Wir freuen uns riesig auf den Circus Krone und das Münchner Publikum!
München kenn ich aber durch meine Familie, wir haben regelmäßig Ausflüge unternommen: Olympiaturm, Marienplatz, Einkaufszentrum, Zoo, Oktoberfest, spitzen „Straßenmusiker“, das Hofbräuhaus, einige Ihrer Biergärten usw.: immer ein Erlebnis!
Mit meinem Großvater waren wir oft gemeinsam hier – er hat München geliebt.
Sie treten im Juni im Circus Krone auf – eine ungewöhnliche Bühne. Für die Egerländer Musikanten, die gerade erst hier spielten, ist der Circus Krone ein „mythischer Ort”. Ihr legendärer Gründer Ernst Mosch gab sein letztes Konzert vor seinem Tod an dieser Stelle. Hat der Circus Krone für Sie eine besondere Bedeutung?
Saso Avsenik: Es ist für mich und die anderen mitwirkenden Oberkrainer eine große Ehre, hier spielen zu dürfen. Circus Krone ist eine Welt-Attraktion, von der wir alle schon viel gehört haben. Ich wünsche mir ein schönes Konzert und ein begeistertes Publikum.
Wie bereiten Sie sich auf ein Konzert vor? Was machen Sie in den letzten zehn Minuten, bevor Sie die Bühne betreten?
Saso Avsenik: In den letzten zehn Minuten ist immer das Lampenfieber am größten. Wir warten meist mit der ganzen Kapelle gemeinsam in der Garderobe oder hinter der Bühne, machen Witze und versuchen uns irgendwie abzulenken. Funktioniert bei uns immer besser als lange Konzentrationsphasen.
Und was tun Sie als erstes nach dem Auftritt?
Saso Avsenik: Gleich nach dem Auftritt geht’s meist zur Autogrammstunde. Dieser unmittelbare Kontakt, der Austausch mit den Konzertbesuchern ist immer ein sehr schöner Moment für uns Musikanten. Dann geht’s ins Hotel und wir trinken noch eine Runde zusammen - falls wir nicht noch nach Hause reisen in der Nacht. Abschalten kann meist länger keiner von uns nach einem Konzert.
Sie haben vor einem Millionenpublikum im Fernsehen gespielt – wie groß ist der Erwartungsdruck vor einem Konzert? Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie vor einem Fernsehpublikum spielen, vor einem großen Live-Publikum oder in eher kleinem Kreis?
Saso Avsenik: Der Erwartungsdruck vor einem Live-Konzert ist immer der Gleiche, da spielt es keine Rolle, ob vor der Bühne 30 oder 5.000 Besucher sind. Wir versuchen immer, unser Bestes zu geben. Die Leute haben Eintrittskarten gekauft – wir fühlen uns da in der Verantwortung, den bestmöglichsten Job zu machen.
TV-Auftritte sind etwas anders aufregend. Meine größte Anspannung hier ist immer, wenn ich live ein Interview habe und etwas reden soll. Da macht mir die Vorstellung, dass es Millionen Menschen hören, schon ziemlich nervös. So gut ist mein Deutsch noch nicht und was gesagt ist, ist raus. Das war manchmal schon sehr lustig. Interview-Frage für mich slowenisch übersetzen, Antwort formulieren, zurück ins Deutsche übersetzen. Da verhaspelt man sich schon mal schnell.
Wo würden Sie gerne einmal auftreten?
Saso Avsenik: An die Orte, an denen das Publikum und die Konzerte richtig gut waren, da kommt man gerne wieder hin. In der Zukunft freuen wir uns auf ein paar außergewöhnliche Locations in Australien, Argentinien und im Japan. Oder natürlich im Circus Krone in München!
Erinnern Sie sich noch an Ihren allerersten Auftritt?
Saso Avsenik: Der war bei uns Zuhause in Gasthaus-Garten vor 180 Gäste. Ich hab vor Nervosität zuvor acht Stunden am Stück geübt. Lampenfieber hab ich da kennengelernt. Damals war ich mir sicher, dass das mein letzter Auftritt sein wird.
Was macht die Oberkrainer Musik aus? Worin unterscheidet sie sich von anderen Stilen?
Saso Avsenik: Das fällt mir in deutscher Sprache sehr schwer zu beschreiben. Als mein Opa und Onkel Vilko den Sound erfunden haben vor über 60 Jahren, war es eine neu entwickelte Interpretationsform für Polka, Walzer und Marsch im Bereich der volkstümlichen Musik. Durch eine neuartige Instrumentalbesetzung – bestehend aus Trompete, Klarinette, Akkordeon, Gitarre und Bariton („Oberkrainer-Besetzung”) – und den unverwechselbaren spezifischen Einsatz der Instrumente wurde ein noch nie da gewesener Klangtypus („Oberkrainer-Sound”) kreiert.
Charakteristisch ist ein sehr exaktes Spiel der Musiker, die mit Jazz und klassischer Musik vertraut sein sollten, und die Freiheiten der einzelnen Instrumente.
Melodietragende Instrumente sind hauptsächlich die Trompete und Klarinette und für den Rhythmus sind das Bariton und die Gitarre zuständig. Die Gitarre wird geschlagen, was bis dahin in der volkstümlichen Musik unüblich war, aber den Stil wesentlich mitgeprägt hat und gleichzeitig das Image des Modernen brachte (weil Schlaggitarre in den internationalen Tanzmusikensembles Verwendung fand).
Das Akkordeon kann sowohl melodische als auch rhythmische Funktion übernehmen und somit als Begleitinstrument fungieren. Hierbei ist die dynamische Akkordeon-Begleittechnik als Unterschied zu anderen Stilen hervorzuheben. Diese ist ein wesentliches Merkmal des Oberkrainer-Sounds.
Für mich ein großer Vorteil zu vielen anderen Stilrichtungen ist, das die einzigartige Zusammensetzung der fünf Instrumente so klingt, dass man überall auch ohne Strom und Tontechnik aufspielen kann.
Man spricht von einer typische Körperhaltung der Oberkrainer. Gibt es diese tatsächlich und warum ist das so?
Saso Avsenik: Die Leute haben hier die besondere Haltung meines Großvaters in Erinnerung. Ein Oberkrainer-Akkordeonist steht das komplette Konzert über. Ich hab ihn einmal gefragt, wie man richtig steht, weil das Akkordeon immerhin 13 Kilo wiegt und irgendwann im Drei-Stunden-Konzert seeehr schwer wird. Er beschrieb das so: „So wie der alte Skifahrer-Stil: Die Beine etwas zusammen und mit dem Balg von Akkordeon nach oben spielen!”
Welche Instrumente spielen Ihre Oberkrainer?
Saso Avsenik: Trompete, Klarinette, Akkordeon, Gitarre, Bariton-Horn, Kontrabass und manchmal Steirische Harmonika, Mundharmonika, Saxophone und im experimentelleren Bereich auch mal Schlagzeug.
Welches Instrument spielen Sie am liebsten?
Saso Avsenik: Am liebsten spiele ich natürlich Akkordeon. Gelernt habe ich dazu Schlagzeug, Bass und Mundharmonika.
Ein Instrument lernen heißt auch üben, üben, üben. Was raten Sie jungen Leuten, wenn zwischendurch die Geduld auf der Strecke zu bleiben droht?
Saso Avsenik: Die Geduld bleibt bei jedem Profi-Musikanten auch immer mal wieder auf der Strecke – es gibt gute und schlechte Tage ;-) Mein „Rezept” an den schlechteren Tagen ist meistens: Kurz zu entspannen und ehrlich darüber nachzudenken, wo das Problem eigentlich liegt.
Ist es zu schnell, technisch zu schwer, ist man wirklich mit Gedanken zu 100% bei der Musik? Kurze Pause machen, ein Stück spielen das man kann und mag – meist läuft es dann wieder.
Sie haben das musikalische Erbe Ihres Großvaters angetreten, des berühmten Slavko Avsenik. Wie ist ihre Erinnerung an ihn?
Saso Avsenik: In den gemeinsamen 24 Jahren sind viele schöne Erinnerungen entstanden. Er war irgendwie in allen Bereichen ein Vorbild: Als Familienmensch, sportlich und diszipliniert, organisiert und zuverlässig und vor allem immer fair in allen Situationen.
Er war immer für jeden ansprechbar und ist trotz allen Erfolges immer ganz einfach und normal. Besonders in Erinnerung habe ich, dass er immer und überall und egal wo mit Komponieren beschäftigt war: im Auto, Urlaub, beim Spaziergängen, bei Festen und Feiertagen. Das hat Ihn nie losgelassen. Bis kurz vor seinen Tod.
Hat er Ihnen die Liebe zur Musik in die Wiege gelegt?
Saso Avsenik: Ja, das hat er wohl. Und mein Vater. Und sie haben mir die Einstellung vermittelt, dass Musik für uns nicht Arbeit oder „Geld verdienen“ ist, sondern unsere Sprache und unser Leben. Für diese Denkweise sind sie beide meine größten Vorbilder.
Er hat sehr stolz und dankbar über sie gesprochen, nachdem Sie seine Arbeit fortgesetzt haben: Was war der wichtigste Rat, den er Ihnen mitgegeben hat?
Saso Avsenik: Er hat mir viele Tipps hinsichtlich der Führung der Gruppe und natürlich dem Akkordeonspiel mitgegeben. Er hat aber auch gesagt: „Wenn Dir die Musik keinen Spaß mehr macht, hör auf.“
In die Fußstapfen eine Legende zu treten, ist eine große Herausforderung, manchmal vielleicht sogar eine Last. Haben Sie keine Angst zu scheitern?
Saso Avsenik: Der Name, dass Akkordeon und die Tracht haben mir bis jetzt viele Türen in meinem Leben geöffnet. Ich sehe das Erbe nicht als Last, sondern vielmehr als ein großes Geschenk. Natürlich verbunden mit einer Art Verantwortung, mit dieser unglaublichen Mitgift gut umzugehen. Angst zu scheitern habe ich nicht.