Veröffentlicht am 02.03.2016 12:21

„Es gehören immer zwei dazu!”

MdB Julia Obermeier (CSU). (Foto: pi)
MdB Julia Obermeier (CSU). (Foto: pi)
MdB Julia Obermeier (CSU). (Foto: pi)
MdB Julia Obermeier (CSU). (Foto: pi)
MdB Julia Obermeier (CSU). (Foto: pi)

Als „Weltfrauentag” wird der 8. März (der kommende Dienstag) begangen. Er soll weltweit auf Missstände aufmerksam machen, von denen die Mehrheit der Bevölkerung (die Frauen) betroffen ist. Wie ist die Lage der Frauen in Deutschland? Zwei Abgeordnete aus unterschiedlichen Parteien - Julia Obermeier (CSU) aus dem Bundestag und Diana Stachowitz (SPD) aus dem Landtag - beantworteten die Fragen von Johannes Beetz.

Das Leben selbst bestimmen

Als Clara Zetkin 1910 die Einführung eines internationalen Frauentags vorschlug, ging es ihr vor allem darum, das Frauenwahlrecht durchzusetzen. Als die UN dann 1975 erstmals eine solchen Tag feierten, stand der Kampf gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und für Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen im Vordergund.

Was halten Sie für die größte Leistung, die Frauen in den letzten beiden Generationen gelungen ist?

Diana Stachowitz: Es gibt mehrere Errungenschaften, die den Frauen in Deutschland das selbstbestimmte Leben in der Gesellschaft zuerst ermöglicht und dann erleichtert haben:

Zunächst natürlich die Einführung des Frauenwahlrechts 1918 (vorausgegangen war im Jahr 1900 die Einführung des Frauenstudiums auch in Deutschland – England, Spanien und die Schweiz waren da viel früher dran).

Dann das erste Eherechtsreformgesetz unter Helmut Schmidt 1976: Die „Hausfrauenehe“ wurde durch ein Partnerschaftsmodell ersetzt, der Ehemann hatte kein Recht mehr, ein Arbeitsverhältnis der Frau auch gegen ihren Willen zu kündigen, und das Verschuldensprinzip bei der Scheidung wurde aufgehoben.

Schließlich die Strafgesetzänderung 1997, nach der auch die Vergewaltigung in der Ehe nach § 177 StGB strafbar ist.

Julia Obermeier: Mit der Reform des Eherechts 1977 wurde deutlich gemacht: Die Frau ist dem Mann nicht untergeordnet, sondern gleichgestellt. Seitdem dürfen Ehefrauen auch ohne die Erlaubnis des Mannes eine Arbeitsstelle annehmen. Auch entfiel das Schuldprinzip bei der Scheidung, das geschiedenen Frauen den Unterhalt verweigern konnte. Seitdem gab es weitere Verbesserungen wie die Errichtung von Frauenhäusern, die Schaffung des Straftatbestandes der Vergewaltigung in der Ehe 1997 und die Aufhebung des letzten deutschen Berufsverbotes für Frauen 2001 mit dem Dienst an der Waffe bei der Bundeswehr.

Frauen besser vor Gewalt schützen

Frauen haben im Schnitt eine bessere Schulbildung als Männer. Dennoch sind sie in der Regel schlechter bezahlt, werden öfter mit Teilzeitjobs abgespeist, sind in ihrem alltäglichen Umfeld wesentlich mehr Gewalt ausgesetzt, sind sozial schlechter abgesichert, bekommen weniger Rente und sind massiver von Altersarmut bedroht als Männer.

Wenn Sie drei Dinge sofort und dauerhaft zugunsten von Frauen ändern könnten, welche wären das?

Diana Stachowitz: Es stimmt: Während bei Abiturienten und sogar Studienabsolventen das Verhältnis von Männern und Frauen mit ca. 40 % zu 60 % noch fast ausgeglichen ist, ändert sich das bis heute nach Familiengründung und erstem Kind. Damit Frauen die gleichen beruflichen Chancen erhalten wie Männer – und Arbeit ist übrigens der beste Schutz gegen Altersarmut – würde ich umgehend die von der SPD schon lange geforderte Kindergrundsicherung einführen. Die Familienphasen müssen deutlich geschützt werden – hier sind auch die Arbeitgeber gefordert. Sie müssen jungen Familien flexible Arbeitsmodelle anbieten, vor allem in den ersten Lebensjahren der Kinder (z.B. Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, JobSharing-Modell). So können sie auch in den Familienphasen von der hohen beruflichen Kompetenz der jungen, gut ausgebildeten Mütter profitieren.

Schließlich muss die Gewalt gegen Frauen viel konsequenter geahndet werden – ich spreche hier nicht nur von sexuellen Übergriffen durch Fremde, sondern vor allem von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Denn jede dritte Frau wird im Laufe ihres Lebens Opfer von Gewalt in einer Paarbeziehung (vgl. hierzu die von Familienministerin Schwesig 2012 herausgegebene Studie Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen).

Julia Obermeier: Mit der Mütterrente konnten wir bereits ein wichtiges Projekt der Frauen Union der CSU zu Gunsten der Frauen umsetzen. Für vor 1992 geborene Kinder können seit 1. Juli 2014 zwei Jahre Kindererziehungszeiten angerechnet werden. Ich würde mir noch die komplette Gleichstellung mit nach 1992 geborenen Kindern, also drei Jahre, wünschen.

Zudem würde ich gerne den Wiedereinstieg in den Beruf nach Erziehungszeiten verbessern: d.h. sowohl ein Anspruch auf flexible Teilzeitstellen – wie etwa 80 Prozent Wochenarbeitszeit – als auch später eine Rückkehr von Teilzeit auf Vollzeit. Auch würde ich gerne in mehr Unternehmen Führungskarrieren als Teilzeitmodelle sehen.

Um Frauen besser vor Gewalt zu schützen müssen wir auch den Vergewaltigungsparagraph §177 StGB so ändern, dass Nein auch definitiv Nein heißt! Um gerade junge Mädchen vor Ausbeutung und Zwang zu schützen ist es mir ein großes Anliegen, auch das Mindestalter für Prostituierte auf 21 Jahre anzuheben.

Andere Hürden stehen im Weg

In Bayern sind 50,2 % der Bevölkerung weiblich. Unter den Abgeordneten sind im Bundestag aber nur 36,5 % Frauen, im bayerische Landtag 28,3 %. Der Einsatz für Gleichberechtigung erschöpft sich inzwischen oft auf die Diskussion um das Binnen-I oder eine vermeintlich geschlechtergerechten Schreibweise, die Unterschiede unkenntlich macht. Gleichmachen schafft aber keine Gleichberechtigung.

Wie definieren Sie den Begriff „Gleichberechtigung”?

Diana Stachowitz: Gleichberechtigung erklärt sich für mich schon aus dem Wort: Es geht nicht darum, gleich zu machen, was von Natur aus unterschiedlich ist. Sondern es geht darum, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte bekommen. Denn der Unterschied im Geschlecht bedeutet einen Unterschied im Wesen, nicht im Wert. Im Klartext heißt das: Frauen haben das Recht auf gleiche Chancen bei der Wahl und bei der Ausübung ihres Berufes. Sie haben ein Recht auf gleiche Bezahlung bei gleicher Qualifikation. Das gilt übrigens auch für den Sport. Und sie haben ein Recht auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Julia Obermeier: Gleichberechtigung bedeutet für mich, dass Frauen wie Männer selbstverständlich die gleichen Rechte haben. Wir sollten jedoch nicht über Gleichberechtigung diskutieren, denn die haben wir in Deutschland! Vielmehr sollten wir aber über Chancengleichheit sprechen. Frauen müssen auch im praktischen Leben tatsächlich die gleichen Chancen bekommen. Nicht nur in der Politik, auch an Hochschulen und in der Wirtschaft sehen wir einen deutlich höheren Männeranteil in führenden Positionen. Offenbar haben Frauen, trotz formal gleicher Rechte, andere Hürden zu überspringen als Männer und scheitern an der oft zitierten gläsernen Decke. Daher begrüße ich es immer sehr, wenn sich Frauen gegenseitig helfen. Sei es durch gezielte Mentoringprogramme oder ein konsequentes „Frauen wählen Frauen“.

Familien sollen frei entscheiden

Frauen haben sich aus tradierten Rollenbildern gelöst, ohne dass es Männer in gleichem Maße versucht hätten. Familie und Beruf sind auch deswegen noch immer kaum ohne Reibungsverluste zu vereinbaren und Erziehung wird mehr und mehr aus der Familie in institutionelle oder staatliche Hände abgegeben.

Sehen Sie „die Männer” in einer höheren Bringschuld?

Diana Stachowitz: Bis heute haben es junge Familien in Deutschland schwer, die Familiengründung mit der Karriere im Job zu vereinbaren. Das gilt ganz besonders in großen Städten wie München, wo Mieten und Lebenshaltungskosten so hoch sind, dass beide Elternteile arbeiten müssen. Andererseits ist die Kinderbetreuung in Kitas heute schon lange keine notwendiges Übel, sondern vielmehr eine Chance für die Kleinen – nicht nur auf umfassende kindgerechte Bildung, sondern auch in Bezug auf die soziale Kompetenz im Miteinander, nicht nur für Einzelkinder. Dennoch sollte jede Familie frei entscheiden können, ob ein Elternteil daheim bleibt, solange die Kinder klein sind. Dafür brauchen wir die Kindergrundsicherung, die jungen Familien den Lebensunterhalt garantiert. Zu einer freien Entscheidung darüber, wer in Elternzeit geht und wer daheim bleibt, gehören flexible Arbeitsmodelle der Arbeitgeber. Frauen haben früher sicher aufgrund ihrer familiären Rollenerfahrungen eine höhere soziale Kompetenz mitgebracht – heute gleichen sich junge Frauen und Männer hier aber zum Glück sehr schnell an.

Julia Obermeier: Es gehören immer zwei dazu! Bayern ist das Land, in dem die bundesweit meisten Vätermonate genommen werden, insofern kann man unsere Männer schon mal loben. Leider fehlt es noch an einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz für Väter, die statt der üblichen zwei Monate ein ganzes Jahr der Familie widmen wollen. Hieran müssen wir noch arbeiten und ich meine hier insbesondere auch die Vorgesetzten und Kollegen! Mir ist wichtig, dass Familien selbst entscheiden können, welches Modell sie wählen. Dazu braucht es ein flächendeckendes Angebot an Kindertagesstätten, aber auch das bayerische Betreuungsgeld trägt zur Wahlfreiheit bei.

Wann hat Bayern eine Ministerpräsidentin?

„Frauen sind besser vorbereitet und überschätzen sich nicht so schnell. Sie überprüfen ihre Fähigkeiten und erreichen die Ziele, die sie sich vornehmen”, hat ein Extrembergsteiger über seine Kolleginnen gesagt - die unvorhergesehen Schwierigkeiten am Berg signifikant häufiger überleben als Männer.

Gilt das auch für den politischen Aufstieg? Und würde einem Freistaat Bayern nicht auch einmal eine Frau als Ministerpräsidentin gut tun? Ilse Aigner stünde ja bereit.

Diana Stachowitz: Es stimmt – die „typisch weiblichen“ Eigenschaften zielstrebig, konsequent, gesprächsorientiert, sozial kompetent und fachlich hoch qualifiziert treffen natürlich auch auf die Frauen in der Politik zu. Aber hier ist es eben genauso wie in Wirtschaft: Frauen haben es bis heute schwerer, zu den Spitzenpositionen durchzudringen, weil es an den Rahmenbedingungen fehlt, die ihnen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen.

Wie es anders geht, zeigt die SPD bereits seit 1989. Seit Einführung von Frauenquote und Reißverschlussverfahren bei der Besetzung von Positionen liegt der Anteil von Frauen auf den Listenplätzen bei 40,5 %. Von 192 Fraktionsmitgliedern der SPD im Bundestag sind 81 Frauen. In absoluten Zahlen weist die SPD damit den höchsten Frauenanteil im Parlament auf. Im bayerischen Landtag ist es ähnlich: Mit 18 von 42 Abgeordneten liegen die Frauen in der SPD-Landtagsfraktion bei 42,9 % - mehr als doppelt so viel wie bei der CSU. Frauen gestalten sehr erfolgreich unsere Arbeits- Familien und Städteplanung, das sehen wir an Ministerinnen wie Andrea Nahles, Manuela Schwesig und Barbara Hendricks. Ich bin überzeugt, dass die von der SPD im Jahr 2015 verbindlich eingeführte Frauenquote in börsennotierten Unternehmen auch auf die gesamte politische Landschaft abfärben wird.

Zu Bayern: In der SPD gibt es viele gute Frauen, die in der Lage wären, das Ministerpräsidentenamt optimal auszufüllen.

Julia Obermeier: Selbstüberschätzung ist sicherlich sowohl im Gebirge als auch in der Politik ein schlechter Begleiter. Eine gute Vorbereitung hingegen ist überall von Vorteil. Aus Gesprächen mit dem Kfz-Handwerk habe ich den Eindruck gewonnen, dass Frauen selten aus Zufall einen Beruf in klassischen Männerdomänen wählen, sondern aus einem besonderen Interesse für das Fach. Ähnlich mag das auch in der Politik sein. Aber nachdem heutzutage Kinder fragen, ob denn auch ein Mann Bundeskanzlerin werden kann, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis es die erste Ministerpräsidentin in Bayern gibt.

Unterstützung für die Frau an der Spitze

Zum ersten Mal führt eine Frau die Bundesregierung - und verliert an Rückhalt für ihre Flüchtlingspolitik, die auch die Schutzsuchenden im Blick behält.

Sind Sie stolz auf die Haltung der Frau an der Spitze?

Diana Stachowitz: Ich schätze die Haltung der Bundeskanzlerin, die zu einer einmal gefassten ethisch richtigen und politisch weitsichtigen Position steht und den Anfeindungen aus den verschiedenen populistischen rechten Lagern und Motivationen widersteht – genau das erwarte ich von einer Frau an der Spitze.

Julia Obermeier: Angela Merkel hat in den elf Jahren ihrer Kanzlerschaft enorme Verdienste um unser Land erworben. Rekordzahlen auf dem Arbeitsmarkt, ein ungebrochenes Wirtschaftswachstum und allen voran hat sie Europa durch die Schulden- und Finanzmarktkrise geführt, wie es wohl keinem anderen Regierungschef in Europa gelungen wäre.

Gott sei Dank ist nach wie vor ein Großteil der deutschen Bevölkerung der Meinung, dass Bürgerkriegsflüchtlingen geholfen werden muss. Und dazu stehen ausnahmslos alle in der Bundesregierung vertretenen Parteien. Allerdings wollen wir seitens der CSU noch klarer und konsequenter unterscheiden zwischen tatsächlich Schutzbedürftigen und jenen, die aus anderen Gründen nach Deutschland kommen. Auch unterstützen wir seitens der CSU die Kanzlerin dabei, auf europäischer und internationaler Ebene Erfolge zu erzielen. Gleichwohl sind wir für zusätzliche nationale Maßnahmen, falls Europa bei der Lösung nicht vorankommt. Aber ich bin fest überzeugt, wenn es jemandem gelingt, in dieser schwierigen Lage eine europäische Lösung zu finden, dann kann das nur Angela Merkel sein.

Zwei Frauen

Diana Stachowitz (SPD ) ist evangelisch, ledig und hat zwei Kinder. Die 52-Jährige war als Erzieherin tätig. Seit 2008 ist sie im Landtag vertreten. Sie ist u.a. stellvertretende Vorsitzende des Forums Kirche und SPD und als Richterin / Jugendschöffin ehrenamtlich engagiert.

Julia Obermeier (CSU) ist katholisch und verheiratet. Die 31-Jährige war u.a. Lehrbeauftragte der LMU. Seit 2013 ist sie im Bundestag vertreten. Sie ist Mitglied im Verteidigungsausschuss des Parlaments und in der Grundsatzkommission der CSU.

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