Schon für Normalverdiener ist es schwierig, in München eine Wohnung zu finden. Alleinerziehende oder Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht arbeiten könnten, hätten kaum eine Chance. Diese Einschätzung teilen Caritas, Katholischer Männerfürsorgeverein (KMFV) und der Sozialdienst kath. Frauen (SkF). Die Verbände fordern, die städtische Wohnraumplanung dem Bedarf anpassen. Es sei ein Förderprogramm für 6.000 Wohnungen jährlich notwendig.
631 Millionen Euro will die Stadt München in den fünf Jahren von 2014 bis 2018 in den Wohnungsbau investieren (zum Vergleich: die Untertunnelung des Mittleren Rings Südwest hat knapp 300 Millionen Euro gekostet). Fast jeder achte Euro, den die Stadt investiert, flösse damit in die Schaffung von Wohnraum. „München leidet unter dem Mangel an Wohnungen”, fasste Stadträtin Evelyne Menges kürzlich die Lage zusammen. „Jeder müsste es sich leisten können, in München zu leben. - Jeder weiß, dass die Realität anders aussieht.”
„In München müssen auch Normalverdiener und Menschen in sozialen Notlagen noch bezahlbaren Wohnraum finden”, fordert Norbert Huber, Geschäftsführer der Caritas-Zentren München Stadt / Land. „Die Situation in der Wohnungslosenhilfe ist besonders prekär”, sind sich Ludwig Mittermeier, Vorstand des KMFV, und Alexandra Heidecker, stv. Geschäftsführerin des SkF einig. Jetzt müssten endlich die Weichen für einen sozial verträglichen Wohnungsbau neu gestellt werden.
Als kontraproduktiv bezeichnen die katholischen Sozialverbände, dass das Münchner Planungsreferat sich beim Wohnungsbau nicht am tatsächlichen Bedarf orientiere, obwohl das Sozialreferat über entsprechende Bedarfszahlen verfüge. Sie haben Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter aufgefordert, „dass die Erfahrungen und Warnungen des Sozialreferats und seines Wohnungsamts ernst genommen und die Planungszahlen dem Bedarf angepasst werden.”
Sie beziehen sich dabei unter anderem auf Grundsätze, auf die sich die Stadt München, der Bezirk Oberbayern, die Stadt Freising und die Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in München und Oberbayern auf der Freisinger Fachkonferenz „Wohnen für alle ermöglichen” im Sommer geeinigt hatten. Im „Freisinger Appell” forderten sie, die Zielzahlen für geförderten Wohnungsbau in München und den angrenzenden Städten und Gemeinden auf 6.000 Wohnungen pro Jahr zu erhöhen, ein entsprechendes Förderprogramm auf den Weg zu bringen, Kooperationen für gemeinsame Wohnungsbauprojekte zu knüpfen und neue Wohnkonzepte zu verwirklichen.
Caritas und Kirche loten zurzeit die Möglichkeiten aus, im eigenen Bereich Wohnraum zu schaffen. Katholische Sozialverbände, Ordinariat und städtische Stellen haben Anfang Oktober Möglichkeiten bezahlbaren Wohnraums in München diskutiert. Alle zeigten großes Interesse, eng zu kooperieren, um bezahlbare Wohnungen zu schaffen und das kommunale Wohnförderungsprogramm für Kirche und die katholischen Verbände als Bauträger zu nutzen.
Eine Zusammenarbeit, um etwa Wohnungen für Wohnungslose zu schaffen, sei gut vorstellbar, hieß es von Seiten des Wohnungsamts. Auch der Einstieg in den sozialen Wohnungsbau wurde geprüft. Caritas-Geschäftsführer Norbert Huber wertete den Austausch als „sehr vielversprechend“. Seit 40 Jahren seien die Bundes- und Landesmittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus rückläufig. Entsprechend lang gebe es keine baulichen Aktivitäten bei den katholischen Verbänden mehr. Das sei angesichts des akuten Mangels an bezahlbarem Wohnraum dringend veränderungsbedürftig. Entgegenkommen bei den strengen Kriterien, die die Stadt an die Vergabe von Grundstücken oder Fördermitteln anlegt, sei deshalb unbedingt notwendig.
In München mangelt es an Wohnungen. Die katholischen Sozialverbände haben darauf hingewiesen, dass die Lage für die Wohnungslosenhilfe besonders prekär ist.
Wie sieht es in den Nachbargemeinden der Großstadt aus? Welche Maßnahmen sind in den Gemeinden umsetzbar? Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land optimiert werden? Die Bürgermeisterinnen von Gräfelfing und Gauting nehmen Stellung:
Uta Wüst, Bürgermeisterin Gräfelfing:
„Die Gemeinde Gräfelfing hält derzeit zwei einfache Wohngebäude für die Unterbringung von Wohnungslosen vor. Eines der Häuser ist mit mehreren Personen belegt, das andere dient als Reserve für die Wintermonate. Die Fälle sind momentan noch überschaubar, ihre Zahl könnte sich aber natürlich schlagartig verändern, wenn die bei uns untergebrachten Flüchtlinge anerkannt werden. Mit der Anerkennung sind diese Menschen gezwungen, aus der Unterkunft für Asylbewerber auszuziehen. Dass dann zum Teil siebenköpfige Großfamilien mit bescheidenem Einkommen in Gräfelfing auf dem freien Wohnungsmarkt eine Wohnung finden, ist nahezu ausgeschlossen. Diese Situation findet sich aber im gesamten Ballungsraum München. Umso wichtiger ist der Gemeinde Gräfelfing ein gemeindeeigener Wohnungsbau, um den Bürgern mit bescheidenem Einkommen Wohnraum anbieten zu können. Daran arbeiten wir. Ein Projekt mit rund 26 Wohnungen befindet sich gerade kurz vor dem Start. Weitere Standorte sind in der Prüfung. Eine Zusammenarbeit mit anderen Kommunen findet bei diesem Thema nicht statt, da immer die Kommune zuständig ist, in der sich ein Wohnungsloser meldet.”
Brigitte Kössinger, Bürgermeisterin Gauting:
„Auch die Gemeinde Gauting hat hier erhebliche Schwierigkeiten. Derzeit können die aktuellen Zahlen, mit großer Anstrengung und unter zur Hilfenahme von Pensionen, meist gerade noch bewältigt werden. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass die Unterbringungsmöglichkeiten für die bevorstehenden ansteigenden Zahlen nicht mehr ausreichend sind. Derzeit wird geprüft, ob es Möglichkeiten der Neuanmietung von passenden Objekten gibt. Alternativ wird ebenso der Kauf oder Neubau von geeignetem Wohnraum geprüft. Die Gemeinde wird entsprechendes Bauland ausweisen.
So kann die Zusammenarbeit optimiert werden:
- Erleichterungen im Baugenehmigungsverfahren, um ggf. schneller Bau-Maßnahmen einleiten zu können;
- Förderungen für Wohnungsbau ausbauen;
- steuerliche Abschreibungen für Wohnungsbau verbessern;
- verstärkte Unterstützung durch soziale Fachkräfte, um ggf. Obdachlosigkeit vorzeitig abzuwenden;
- Es wäre auch zu überlegen, ob sich auch Wohnungsbaugesellschaften der Stadt München durch entsprechende Bauprojekte im Umland engagieren, um so insgesamt den Nachfragedruck nach Wohnraum in der gesamten Region abzumildern.”