Veröffentlicht am 21.10.2015 16:49

„Ein Instrument muss mit Leben erfüllt werden”

Das Mundrohr im Blick hat Ausbildungsleiter Matthias Schelle. (Foto: bb)
Das Mundrohr im Blick hat Ausbildungsleiter Matthias Schelle. (Foto: bb)
Das Mundrohr im Blick hat Ausbildungsleiter Matthias Schelle. (Foto: bb)
Das Mundrohr im Blick hat Ausbildungsleiter Matthias Schelle. (Foto: bb)
Das Mundrohr im Blick hat Ausbildungsleiter Matthias Schelle. (Foto: bb)

Musikinstrumentenbau ist ein bodenständiges Handwerk und doch weit mehr als das, das wird dem Besucher klar, wenn er das „Wenzel Meinl – Haus der Musik” in Geretsried betritt. Das mehr als 200 Jahre alte Traditionsunternehmen, das seit einigen Jahren zur Buffet Group – dem führenden Hersteller von Blasinstrumenten in Europa – gehört, lässt das Herz eines jeden Musikliebhabers höher schlagen – vor allem, wenn er neben dem Showroom, der die von der Manufaktur hergestellten, hochwertgen Blechblasinstrumente birgt, auch einen Blick in die Fertigung werfen darf.

In dem verwinkelten Gebäude am Seniweg 4, dessen Kern ein ehemaliger Bunker ist, werden die Hörner, Trompeten und Tuben wie ehedem in sorgfältiger Handarbeit und mit viel Wissen und Gespür um die Seele des jeweiligen Werkstücks hergestellt – und zwar von A bis Z. „Das heißt”, so Vertriebs- und Marketingdirektor Andreas Gafke, „es wird nichts zugekauft.”

Leidenschaft gehört dazu

Am Anfang steht ein flaches Stück Metalllegierung, das entsprechend gebogen werden muss. Dies geschieht wie ehedem durch Blei oder Eis, die nach dem Biegevorgang wieder verflüssigt werden, so dass der Hohlkörper übrig bleibt. Bis zur Fertigstellung eines Instruments sind viele kleine und größere Schritte nötig. Rund 180 Stunden Arbeit stecken z.B. in der Fertigung einer einzigen Tuba.

„Die Leidenschaft für Musik beginnt beim Instrumentenbau”, betont Andreas Gafke. „Ein Instrument muss mit Leben, mit einer Seele erfüllt werden und dazu gehört Leidenschaft.” Dafür halte es dann auch ein Leben lang, versichert er und schmunzelt. „Das ist unser einziges Problem.” Gebaut wird in Geretsried die Marke „Melton Meinl Weston”, aber auch Teile für andere Marken der Buffet Group werden hier hergestellt.

Kontakt zu Musikern aus der ganzen Welt

Jedes Jahr beginnt ein neuer Azubi seine dreijährige Ausbildung zum Metallblasinstrumentenmacher in der Wenzel Meinl Musikinstrumentenmanufaktur, und der Betrieb ist stolz, viele Landes- und Bundessieger in den Reihen seines Berufsnachwuchses zu haben, also solche Prüflinge, die wegen ihrer sehr guten Leistungen bei der Gesellenprüfung auf Handwerkskammerebene ausgezeichnet wurden. Dass die rund 30 Mitarbeiter am Standort Geretsried – einschließlich der Vertriebs- und Marketingleute – fast allesamt selbst aktive Musiker oder Dirigenten und regional in Musikvereinen engagiert sind, verwundert kaum, denn der ganze Betrieb atmet buchstäblich Musik.

So hat Betriebswirt Andreas Gafke Tenorhorn und Schlagzeug gelernt und der Entwicklungschef der Buffet Group, Ferdinand Kleinschmidt, ist studierter Tubist. Letzterer leitet die Entwicklungs- und Forschungsabteilung im Haus der Musik, die das Kompetenzzentrum der gesamten Buffet Group ist. Hierher nach Geretsried kommen Musiker aus der ganzen Welt, die den perfekten Klang suchen und ihr Instrument entsprechend individualisieren lassen möchten oder aktiv an der Entwicklung eines Instruments mitarbeiten.

Entwicklung braucht Zeit

Mitglieder der New Yorker Philharmoniker, der Wiener und Berliner Philharmoniker gehen bei „Wenzel Meinl” ein und aus, die BigBand der Bundeswehr testet hier ihre Instrumente und renommierte Blechblasmusiker aller Sparten – von der Klassik über Jazz bis hin zur Volksmusik (darunter auch Ernst Hutter, Leiter der Egerländer Musikanten) – unterhalten enge Beziehungen zu dem Traditionsunternehmen. Im Showroom, der nicht nur Ausstellungsraum ist, sondern auch die Möglichkeit zum Ausprobieren eines Instruments gibt, seien täglich Musiker zu Besuch, erklärt Benjamin Dausch, der ebenfalls im Marketingbereich des Unternehmens tätig ist. Einen Direktverkauf – wie man als Laie vielleicht vermuten würde – gibt es in Geretsried allerdings nicht. „Wenn ein Instrument fertig entwickelt ist, dann kann es im Fachhandel gekauft werden”, beschreibt Dausch den Weg. „So eine Entwicklung braucht Zeit”, fügt Andreas Gafke hinzu. „Da muss viel ausprobiert werden. Und es darf kein Druck aufkommen.” Er will damit andeuten, dass der Prozess keine Sache von Tagen oder Wochen ist, sondern durchaus einige Jahre dauern kann.

Wechselvolle Geschichte

Im Gegensatz zu den Werkbänken in der Montagewerkstatt beherrscht im Kompetenzzentrum für Forschung und Entwicklung High Tech die Szene. Johann Langhammer, einer der Urahnen der Familie Langhammer-Meinl, der 1810 in Graslitz seine eigene Musikinstrumentenbau-Werkstatt gründete und hauptsächlich Blasinstrumente herstellte, hätte nicht schlecht gestaunt, wenn er in diese moderne Szenerie geraten wäre, in der zum Beispiel Intonationsmessungen per Computer gemacht werden.

Und auch mehr als 100 Jahre später, als Anna Langhammer den Kaufmann Wenzel Meinl (1992 - 1958) heiratete, war an dergleichen nicht zu denken. Unter der Leitung von Wenzel Meinl begann die wohl wechselvollste Zeit des Familienunternehmens. Es überstand durch seine Findigkeit die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg; mit dem Zweiten Weltkrieg jedoch kam das Aus für den Instrumentenbau in Graslitz (heute Kraslice, Tschechien) . Wenzel Meinl und seine Frau Anna teilten das Schicksal vieler Sudetendeutscher: Flucht und Vertreibung.

Neuanfang in Geretsried

Am 6. April 1946 kam das Ehepaar in Geretsried an. Seinen Sohn Anton Meinl (1922 - 2006), der aus russischer Kriegsgefangenschaft geflohen war und inzwischen in Österreich lebte, konnte es durch einen glücklichen Zufall 1948 wieder in die Arme schließen. Damit war der Grundstein gelegt für eine neuerliche Herstellung von Blechblasinstrumenten. Anton Meinl, der bereits vor dem Krieg diesen Beruf erlernt hatte, entwickelte sich zu einem „kongenialen Instrumentenbauer” und seinen Betrieb zu einem weltweit etablierten Unternehmen.

Antons Sohn und Nachfolger Gerhard A. Meinl – Jurist, Metallblasinstrumenten- und Schlagzeugmacher – baute den Erfolg der Firma Wenzel Meinl stetig aus. Seitdem diese ein Teil der Buffet Group ist, gehört er deren Aufsichtsrat an. Und als 3. Bürgermeister von Geretsried – so zumindest steht es in einer Pressemitteilung – ist er sich zwar sicher, dass nicht alle Deutschen die Stadt zwischen Loisach und Isar kennen, er weiß aber auch genau, dass sie für jeden Blasmusikprofi einen wohlbekannten Klang hat.

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