Veröffentlicht am 21.07.2015 12:43

„Ich bin stolz auf unsere Schule”

Heribert Riedhammer ist seit 2009 Schulleiter der Montessorischule der Aktion Sonnenschein. (Foto: bb)
Heribert Riedhammer ist seit 2009 Schulleiter der Montessorischule der Aktion Sonnenschein. (Foto: bb)
Heribert Riedhammer ist seit 2009 Schulleiter der Montessorischule der Aktion Sonnenschein. (Foto: bb)
Heribert Riedhammer ist seit 2009 Schulleiter der Montessorischule der Aktion Sonnenschein. (Foto: bb)
Heribert Riedhammer ist seit 2009 Schulleiter der Montessorischule der Aktion Sonnenschein. (Foto: bb)

1968 gründete der Kinderarzt Prof. Theodor Hellbrügge den „Aktion Sonnenschein – Hilfe für das mehrfach behinderte Kind e.V.” und im gleichen Jahr richtete der Verein seinen ersten Kindergarten ein, den Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam besuchen konnten. 1971 konnte die Aktion Sonnenschein mit einer Integrationsklasse einen Schulversuch am Dantegymnasium starten und 1972 wurden Modellklassen in der Reutbergerstraße installiert. Seit 1985 besteht der Kindergarten, die Integrationsschule und die Heilpädagogische Tagesstätte in der Heglhofstraße in Großhadern. Damit lebt die Aktion Sonnenschein seit mehr als 40 Jahren Integration und Inklusion wie kaum eine andere Institution in München. Um die Erfolge dieser Aufbaujahre langfristig zu sichern, wurde 2003 die „Stiftung Aktion Sonnenschein – Hilfe für das mehrfach behinderte Kind“ gegründet.

Zum Thema Integration und Inklusion sprach der Münchner Wochenanzeiger mit Schulleiter Heribert Riedhammer, der seit 25 Jahren als Lehrer der Sekundarstufe an der Schule tätig ist.

Was hat die Montessori-Schule der Aktion Sonnenschein anderen Schulen beim Thema Inklusion voraus?

Zum einen haben wir viel Erfahrung, weil wir Inklusion schon seit langer Zeit zu unserem Thema gemacht haben, zum anderen wissen wir, was wirklich geht und wo für uns die Grenzen des Machbaren sind. Aus diesem Grund nennen wir uns auch Schule der Vielfalt und nicht Schule für alle, wie man es oft bei Montessori-Einrichtungen hört. Wir haben in unserer Schulfamilie unterschiedliche Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen, aber wir können nicht alle aufnehmen – zum Beispiel keine schwerst körperbehinderten oder blinden Kinder. Dazu bräuchten wir eine andere, größere personelle Ausstattung und eine andere entsprechende Qualifiaktion.

Wo liegt Ihr Schwerpunkt?

Wir sind ein Förderzentrum mit Schwerpunkt Sprache, Lernen, sozial-emotionale und geistige Entwicklung. Darauf ist unser Personal abgestimmt und unter diesem Schwerpunkt werden wir von Staat gefördert. Um unser Konzept zu verwirklichen, haben wir darüber hinaus zusätzliche Lehrerstunden, die vom Träger gestemmt werden müssen. Konkret werden 1650 Lehrerstunden vom Staat refinanziert und 550 Stunden vom Träger finanziert – das sind immerhin ein Viertel unserer Stunden und dafür brauchen wir Schulgeld und Spenden. Wir haben 39 Klassen mit 560 Schülern, davon 285 Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf. Schüler mit ADHS, Legasthenie, Dyskalkulie und anderen Teilleistungsstörungen kommen noch dazu. Diese 550 zusätzlichen Stunden setzen wir dafür ein, dass unser inklusiver Alltag und unser Bildungsdorfkonzept funktioniert und wir eine individuelle Förderung anbieten können. Denn nicht nur die schwachen sondern auch die starken Kinder müssen ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert werden. Wir haben übrigens kaum Klassenwiederholer und super Abschlussergebnisse mit vielen Bestnoten.

Was versteht man unter Bildungsdorf?

Die Schüler einer Jahrgangsstufe ergeben ein Bildungsdorf. In jeder Jahrgangsstufe haben wir neben den Inklusionsklassen mit Kindern mit Behinderungen und nicht behinderten Kindern eine kleine Klasse für den Förderbedarf geistige Entwicklung. Um diese Klasse besser in den inklusiven Alltag einzubinden, wurde das Bildungsdorf entwickelt. Die Klassenzimmer einer Jahrgangsstufe sind rund um einen „Dorfplatz” angeordnet und die Schüler arbeiten Klassen übergreifend bei verschiedenen Projekten zusammen, machen gemeinsame Ausflüge und gehen gemeinsam auf Klassenfahrt. Das funktioniert hervorragend.

Im April erhält die Montessori-Schule der Aktion Sonnenschein vom Kultusministerium die Auszeichnung „Inklusionsschule“. Angesichts der über 40-jährigen Geschichte der Schule fragt man sich unwillkürlich: Warum erst jetzt?

Das Profil „Inklusive Schule” gibt es erst seit drei Jahren und Förderzentren können es erst seit August 2014 beantragen. Die Schulaufsicht hat uns ermuntert und bestärkt, uns dafür zu bewerben. Wir mussten unser Konzept einreichen und es persönlich vorstellen. Es ist gut angekommen, und es freut mich sehr, dass wir das Profil nun verliehen bekommen.

Ihre Schule nimmt auch an dem Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” teil. Was beinhaltet das Projekt?

Für uns ist es sehr wichtig, dass sich die Kinder wohl fühlen und als Teil der Schulfamilie und der Vielfalt sehen. Das gab auch den Ausschlag, in das Projekt einzusteigen. Mir geht es um eine friedliche, tolerante Einstellung der Schüler und um die Courage, nein zu sagen zu Gewalt. Unsere Kinder haben manchmal keine einfachen Schicksale, und es kann schon mal Frust hochkommen. Doch da wird nicht weggeschaut, sondern das wird aktiv bearbeitet.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft?

Inklusion muss in Zukunft nicht nur in der Schule sondern in allen Bereichen der Gesellschaft bis hin zu Alten-WGs und Pflegeheimen stattfinden. Auch bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit geistigen Behinderungen besteht noch viel Nachholbedarf. Wir haben zwei Arbeitsplätze für ehemalige Schülerinnen geschaffen. Die eine, die inzwischen Anfang 50 ist und sozusagen seit Schulbeginn mit dabei ist, betreut und verteilt das Büromaterial und die Post, die andere kümmert sich um die Hygiene in der Küche. Natürlich brauchen die beiden Frauen mehr Unterstützung und Strukturierungshilfen als normale Mitarbeiter, aber es hat sich bewährt. Das sind wirklich gelungene Beispiele für inklusive Arbeitsplätze. Es kann aber nur funktionieren, wenn die Grundhaltung stimmt. Hier haben wir wirklich ein gutes Miteinander. Ich bin stolz auf unsere Schule!

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