Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte Anna Handler die Kinder auf ihrer Seite. Gut, gelegentlich wurde getuschelt. Aber das dürfen Erst- und Zweitklässler ja auch mal. Als dann aber das Orchester zu seinem ersten Werk von Mozart ansetzte, herrschte staunendes Schweigen.
Mozart? Orchester? Grundschüler? Funktioniert prima. Und zwar so: Da gibt es also Anna Handler, 18 Jahre, das Abitur seit kurzem in der Tasche, ein klares Ziel vor Augen: Klavierstudium in München. Und einen Traum hat sie auch: irgendwann am Dirigentenpult eines großen Orchesters stehen. Als Dirigentin ist sie bereits aktiv, nämlich vor einem Schülerochester. Klein, aber ziemlich fein. Jetzt besuchte sie gemeinsam mit den Musikern die Grundschule an der Königswieser Straße. Den Kontakt hatte Christine Weingartner hergestellt, Lehrerin am Pestalozzi-Gymnasium, die selbst ein Kind in der Grundschule hat.
Viele Arme schießen in die Höhe, als Anna Handler die Kinder fragt, wer denn ein Instrument spiele. Trompete, Klavier, Gitarre, Akkordeon ... allein daraus könnte die junge Frau schon wieder ein Orchester bilden. So, wie sie es im Frühjahr vergangenen Jahres gemacht hat. Damals besuchte sie noch das Pestalozzi-Gymnasium, der Wunsch, Dirigentin zu werden, war schon fest in ihrem Kopf verankert. Also gründete sie ein Schülerorchester, das New Munich Youth Orchestra, probte, organisierte und trat bereits öffentlich auf, unter anderem vor ugandischen und syrischen Flüchtlingskindern. „Einige der Musiker sind noch Schüler am Pestalozzi-Gymnasium”, so die 18-Jährige gegenüber dem Sendlinger Anzeiger. Darunter ist auch ihre zwei Jahre jüngere Schwester Laura, die Geige spielt.
Anna Handler steht nicht einfach in der Turnhalle, Rücken zu den Kindern, und dirigiert ein Orchester. Sie nimmt die Schüler mit auf eine spannende Reise durch die Musikgeschichte, stellt Fragen, animiert zum Mitmachen und erzählt schier Unglaubliches. Mozart hat schon als Kind komponiert? Wahnsinn! Beethoven hat im Laufe seines Lebens sein Gehör verloren? Boaahh!
Ihre Liebe zur Musik schwappt direkt auf die Kinder über. Ein Mädchen darf auf die Pauke hauen, andere Kinder holt sie zum Dirigieren zu sich. „Beim Dirigieren”, sagt die junge Frau und strahlt, „hat man diesen Gesamtklang da vorne. Das ist schon toll.” Weiter geht es im Programm. Was ist ein Dreivierteltakt und ein Crescendo? Wie funktioniert das mit der Luft in einem Horn? Dann erklingt noch die Coriolan-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven. Bevor die Musiker spielen, erfahren die Kinder den geschichtlichen Hintergrund des Werkes, aufregend verpackt von der Dirigentin. „Und jetzt schließt die Augen und stellt euch das bei der Musik vor”, sagt sie.
Die Stunde endet mit viel Applaus. Die angehende Studentin ist begeistert von den Kindern. „Sie haben super mitgemacht”, freut sie sich. Es gibt eine kurze Stärkung mit Kaffee und Butterbrezen für das ganze Orchester, dann geht es auch schon weiter. Die Mädchen und Buben der dritten und vierten Jahrgangsstufe möchten ja auch wissen wie das war mit Mozart und Beethoven und wie die Geige funktioniert.
Und Anna Handler? Die hat einen Traum - nein, ein klares Ziel vor Augen: Sie möchte Dirigentin werden.