In Todesanzeigen, auf Beileidskarten, auf Grabsteinen: Trauersprüche haben eine lange Tradition. Es sind die Worte großer Dichter und Denker oder auch anonymer Verfasser, die es oft schaffen, die eigenen Gedanken und Emotionen auszudrücken. Sie können vor Jahrtausenden, Jahrzehnten oder erst vor kurzem entstanden sein – kein Thema könnte zeitloser sein. Nicht selten, so haben es Studenten in linguistischen Forschungsarbeiten herausgefunden, werden Zitate auch fälschlicherweise großen Namen zugeordnet. Die Hauptsache ist, dass sie trösten, wenn der Abschied eines geliebten Menschen verkraftet werden muss.
„Die Bande der Liebe werden mit dem Tod nicht durchschnitten” (Thomas Mann)
„Der Mensch geht. Die Liebe bleibt für immer”
Ein weiterer Effekt von Trauersprüchen kann sein, das Bewusstsein des Lesers für das eigene Leben zu schärfen:
Darin nämlich täuschen wir uns,
dass wir den Tod vor uns sehen:
Ein großer Teil des Todes ist schon vorbei.
Alles, was von unserem Leben hinter uns liegt,
gehört ihm.
Seneca
Seit Menschengedenken beschäftigen sich auch nicht religiöse Denker und Dichter mit dem Tod, ist er doch für jeden Menschen die einzige unausweichliche Tatsache im Leben, der er sich stellen muss. Dabei sind auch viele tröstliche Ansätze entstanden, die in einem Todesfall Mut und Kraft geben können. Die Frage, ob der Mensch eine unsterbliche Seele hat und was mit dieser nach dem Tod geschieht, wird dabei von verschiedenen Denkern unterschiedlich beantwortet.
Viele weltliche Denker betonen, dass der Mensch wie alle Lebewesen am Kreislauf der Natur teil nimmt, bei der es immer wieder um Werden und Vergehen geht. Der Tod ist also eine sehr natürliche Tatsache, die zum Leben dazu gehört – ohne ihn gäbe es auch kein neues Leben, der Kreislauf wäre unterbrochen. Daher ist es tröstlich zu wissen, dass der Mensch mit seinem Tod nur in den Schoß der Natur zurückkehrt.
Viele weltliche Autoren zeigen auch den Aspekt auf, dass der Tod nichts anderes ist als eine Transformation von einem Zustand in den nächsten. Da alles Lebendige, selbst die unbelebte Welt, ständig einem Prozess der Veränderung unterworfen ist und in keiner Sekunde noch genau so existiert wie in der zuvor, wird auch der Übergang vom Leben zum Tod nur als eine weitere Veränderung angesehen, die den Menschen in einen anderen Zustand transformiert.
Nach einem langen und womöglich beschwerlichen Leben kann der Tod auch als Erlösung angesehen werden. All die diesseitigen Schmerzen, Verluste, Beschwerden und Leiden finden mit dem Tod ein gnädiges Ende, der Mensch ist von allen Bürden befreit. Diese Vorstellung findet zum Beispiel im Buddhismus (der ja eher eine philosophische Strömung als eine Religion ist) ganz besonders Ausdruck. Das Aufgehen im Nirwana, frei von jeglichen Bürden, Begierden und Bindungen, wird dort als paradiesischer und friedvoller Zustand angesehen.
Gerade im systemischen Denken geht man davon aus, dass alles mit allem zusammenhängt. So findet das Individuum im Leben wie im Tod einen Sinn, der über die eigene Existenz heraus geht. Seine Taten haben im Leben das Leben anderer Menschen beeinflusst, und auch sein Tod hat im Gefüge des größeren Ganzen einen Sinn, auch wenn er vielleicht nicht sofort erkannt werden kann.
Die weltlichen Autoren stellen auch sehr schön heraus, dass ein Mensch nicht gestorben ist, solange er in der Erinnerung der Menschen noch präsent ist. So schöpfen viele Trauernde ihren Trost daraus, dass sie mit dem Tod den geliebten Menschen nicht aus ihren Gedanken und Herzen verbannen müssen, sondern dass er im Gegenteil in ihren Gedanken und Gefühlen weiterhin ein präsenter Begleiter bleiben kann, nur in anderer Form als bisher.
Viele weltliche Trauersprüche setzen bei einem Todesfall auch einen starken Fokus auf das Diesseits. Sie heben noch einmal hervor, welche glücklichen Momente man mit dem Verstorbenen erlebt hat, die in der Erinnerung weiter bestehen, und sie betonen noch einmal, wie viel der Tote zur Bereicherung des Lebens anderer Menschen beigetragen hat. Auf diese Bereicherung sollte man sich stärker konzentrieren als auf den Verlust, den man erlitten hat. So wird tröstlich klar, dass es Dinge gibt, die auch der Tod nicht rauben kann. Diese Haltung erleichtert es auch, den Tod als Tatsache zu akzeptieren und sich mit ihm aus zu söhnen.
Manche Denker und Dichter zielen auch darauf ab, dass alles im Leben vergänglich ist, und dass dies nicht nur natürlich, sondern auch wünschenswert sein kann. Denn so sind auch Schmerz und Trauer vergänglich und dauern nicht ewig an, weil sich alles stetig wandelt. Darin liegt natürlich ein großer Trost, das aktuelle Leid wird nicht für immer so intensiv bleiben.
Viele Dichter haben in besonders bewegenden Worten ihren Schmerz über den Verlust einer geliebten Person ausgedrückt. Diese Worte können sehr bewegend sein und zu Tränen rühren, weil man die Erfahrung, die dahinter steht, so gut nach voll ziehen kann und sich so – wenn man in der gleichen Situation ist – besonders gut verstanden fühlt. Es ist, als hätten die Verfasser der Zeilen in das Innerste der Menschen geblickt und gesehen, was sie bewegt. Und durch die Worte eines anderen den eigenen Schmerz besonders treffend geschildert zu sehen, kann ein großer Trost sein.
Die religiösen Trauersprüche schöpfen ihre trostspendende Wirkung aus verschiedenen Aspekten des Glaubens und der Gottesvorstellung.
In der Vorstellung der meisten großen Religionen wird Gott als gütig verstanden; er leidet mit seinen Geschöpfen mit und erlöst sie von ihren Leiden und ihren Sünden. So wird gerade der Tod nach einer schweren Krankheit als gnädiger Akt des Schöpfers angesehen, und in seiner Güte wird er auch schuldbeladene Seelen erlösen. So finden die trauernden Hinterbliebenen Trost darin, dass der verstorbene Angehörige von irdischem Leid befreit ist und seine Seele Frieden gefunden hat.
Religionen gehen meistens davon aus, dass der Mensch eine unsterbliche Seele besitzt. Diese bleibt also nach dem Tod des Körpers weiter bestehen. Was genau mit der Seele nach dem Tod geschieht, ist in den Vorstellungen der verschiedenen Religionen unterschiedlich, aber die meisten sehen doch zwei grundsätzliche Alternativen: eine gewisse Vorstellung vom Himmel, die im Normalfall mit der Nähe zu Gott zu tun hat, und eine Vorstellung einer Hölle, die in modernen Strömungen nichts mehr mit ewiger Tortur zu tun hat, sondern eher mit der Ferne von Gott. Fundamentalistische Strömungen haben allerdings noch eine sehr konkrete Vorstellung von Himmel und Hölle, darauf sollte man bei der Auswahl seines Trauerspruches also Rücksicht nehmen.
Besonders tröstlich finden die meisten Menschen den Gedanken, dass sie aufgrund der Unsterblichkeit der Seele die bisher verstorbenen Menschen nach dem Tode wiedersehen werden. So ist der Tod kein endgültiger Abschied für immer, sondern nur einer auf Zeit, bis man sich im Jenseits wieder sieht.
Gerade wenn ein Tod unter sehr schrecklichen Umständen statt fand (ein Unfall oder gar ein Verbrechen), erscheint er völlig sinnlos und grausam. Gläubige Menschen können dann einen Trost darin finden, dass Gottes Wege unergründlich sind und sich dem menschlichen Verständnis entziehen. So schöpfen sie Trost daraus, dass in den Augen Gottes auch dieser Tod und das vielleicht viel zu kurze Leben des Menschen einen Sinn gehabt haben, auch wenn sich dieser dem menschlichen Auge nicht offenbaren will.
Für die Hinterbliebenen, die in der Religion verankert sind, ist es auch ein Trost zu wissen, dass Gott auch den Lebenden in ihren schweren Stunden bei steht und sie nicht allein lässt. Sie können sich in Gottes Liebe geborgen fühlen, sie müssen sich nicht einsam und verlassen fühlen.
Die Trauersprüche, die den großen Schmerz ausdrücken, den der Tod ausgelöst hat, und die die Leere beschreiben, die der verstorbene Mensch hinterlassen hat, spenden ihren Trost dadurch, dass sie mit bewegenden Worten genau das ausdrücken, was die Menschen gerade empfinden. So fühlen sie sich verstanden und können sich fremder Worte bedienen, wo es ihnen an eigenen fehlt, um ihren innersten Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Und diesen Ausdruck des Schmerzes wird Gott hören und seine ganze Liebe mit dem Trauernden teilen.
Darin nämlich täuschen wir uns,
dass wir den Tod vor uns sehen:
Ein großer Teil des Todes ist schon vorbei.
Alles, was von unserem Leben hinter uns liegt,
gehört ihm.
Seneca
Den Strom der Trauer mildert, wer ihn teilt.
Edward Young