Veröffentlicht am 29.07.2013 17:44

„Viele können nicht den normalen Weg gehen”

Susanne Schoch (l.) im Gespräch mit Farsana Q., die nach ihrer Ausbildung zur Dienstleistungshelferin Hauswirtschaft einen Teilzeit-Arbeitsplatz bei der Social Sense bekommen hat. (Foto: DS)
Susanne Schoch (l.) im Gespräch mit Farsana Q., die nach ihrer Ausbildung zur Dienstleistungshelferin Hauswirtschaft einen Teilzeit-Arbeitsplatz bei der Social Sense bekommen hat. (Foto: DS)
Susanne Schoch (l.) im Gespräch mit Farsana Q., die nach ihrer Ausbildung zur Dienstleistungshelferin Hauswirtschaft einen Teilzeit-Arbeitsplatz bei der Social Sense bekommen hat. (Foto: DS)
Susanne Schoch (l.) im Gespräch mit Farsana Q., die nach ihrer Ausbildung zur Dienstleistungshelferin Hauswirtschaft einen Teilzeit-Arbeitsplatz bei der Social Sense bekommen hat. (Foto: DS)
Susanne Schoch (l.) im Gespräch mit Farsana Q., die nach ihrer Ausbildung zur Dienstleistungshelferin Hauswirtschaft einen Teilzeit-Arbeitsplatz bei der Social Sense bekommen hat. (Foto: DS)

Sehr einladend, sehr durchdacht gestaltet und aufgeräumt sieht es aus im „kinderkram”. Kinderkleidung, Spielsachen und Bücher wirken absolut neuwertig. Und es riecht nach – nichts. Das ist ungewöhnlich für einen Kinder-Secondhand-Laden. Normalerweise riecht es da nach den unterschiedlichen Waschmitteln, mit denen die Mütter die abgelegte Kinderkleidung gewaschen haben. Doch „kinderkram” in der Kidlerstraße 34a ist viel mehr als das, was auf den ersten Blick zu sehen ist: Nicht nur ein kundenfreundlicher Laden, sondern ein Integrationsprojekt. Seit seiner Eröffnung vor gut einem Jahr konnten hier 13 leistungseingeschränkte Mädchen und Frauen Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln.

„Es gibt viele Frauen, die aus den verschiedensten Gründen nicht den normalen Weg gehen können”, berichtet Projektleiterin Susanne Schoch. Die wenigsten Behinderungen seien körperlicher Art. Es sind psychische Erkrankungen, Persönlichkeits- und Entwicklungsstörungen oder Lernschwächen, die die Frauen schnell aus dem Raster fallen lassen. In den Integrationsprojekten der gemeinnützigen Social Sense GmbH können sie sich in einem Rahmen ausprobieren, in dem auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen wird. Die Arbeitszeiten sind flexibel je nach Arbeitsfähigkeit und Lebenssituation: Junge Mütter können dann arbeiten, wenn ihr Kind betreut ist. „Es steckt so viel Potenzial in den Frauen”, sagt Diplom-Betriebswirtin Susanne Schoch. „Wir helfen ihnen beim Start in ein eigenbestimmtes Leben.”

Tochtergesellschaft des SkF

Die Social Sense gGmbH wurde 2006 gegründet und ist eine hundertprozentige Tochter des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), dem auch das Gebäude in der Kidlerstraße gehört. Hinten liegt der Neubau der Kinderkrippe in den letzten Zügen, wo künftig auch die Mittagsbetreuung einziehen wird. Der SkF unterhält in München eine Vielzahl an sozialen Angeboten, von Schwangerenberatung, Kinderkrippen und Mutter-Kind-Häusern über Wohnungslosenhilfe, Straffälligenhilfe, Hilfe bei häuslicher Gewalt bis zur rechtlichen Betreuung. Die Social Sense gGmbH ist eine eigenständige Gesellschaft, aber natürlich sind viele Stellen miteinander vernetzt. Zum Beispiel werden Kindersachen, die dem „kinderkram”-Laden gespendet werden und dort nicht verkauft werden können, über den „Babykorb” des SkF verschenkt.

Drei Integrationsprojekte hat die Social Sense gGmbH mittlerweile geschaffen. Diese bieten Praktikums-, Ausbildungs- und Arbeitsplätze für benachteiligte Frauen. Als Erstes entstand die Wäscherei „picobella” in der Maria-Einsiedel-Straße 14 in Thalkirchen, dann ebendort die Snackbar mit Catering-Service „GaumenFreunde” und als Drittes der „kinderkram”-Laden in Sendling.

„picobella”: eine saubere Sache

In der professionell ausgestatteten Wäscherei wird Kleidung, Tisch- und Bettwäsche gewaschen, gemangelt oder von Hand gebügelt und zusammengelegt. Die Frauen mit besonderem Förderbedarf arbeiten hier unter Anleitung einer erfahrenen Wäschereifachkraft. Für Firmen bietet „picobella” einen Hol- und Bringservice an. Montags, mittwochs und freitags kann hier jedermann die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, zu ganz normalen Preisen. „Eine Hand wäscht die andere”, steht im Werbe-Flyer der Wäscherei, denn jeder Kunde hilft dabei, die Arbeitsplätze zu sichern.

„GaumenFreunde”: alles hausgemacht

„Der einzige Geschmacksverstärker: Handarbeit” – damit wirbt die GaumenFreunde-Snackbar, wo von Montag bis Freitag mittags Suppen, Snacks und Kuchen angeboten werden. Vor allem versorgt die Küche auch Kinderkrippen und Kindergärten mit gesundem, einfachem Essen. Die Zutaten: so wenig Zucker wie möglich, vorwiegend Bio-Produkte, pflanzliche statt tierische Fette und saisonales Obst und Gemüse von regionalen Lieferanten. „In der Küche arbeiten ein schwerbehinderter Koch und ein Spüler – hier haben wir also unsere Männerquote”, erzählt Susanne Schoch.

„kinderkram”: alles mütterfreundlich

Zum „kinderkram”-Laden gehört ein Stehcafé, das von der „GaumenFreunde”-Küche beliefert wird. Hier können sich Mütter einen Kaffee, ein Stück Kuchen oder einen Imbiss gönnen, während ihre Kinder sich schon mal im Laden umsehen. „Die Hälfte unserer Mitarbeiterinnen hat kleinere Kinder – sie wissen, in welcher Höhe man was platzieren kann”, erklärt die Projektleiterin. Alles was hier verkauft wird, ist gespendet; und gespendet wird reichlich, von Firmen sogar Neuware. Mütter aus der Nachbarschaft bringen ihre gut erhaltenen gebrauchten Sachen. Und alles wird erst mal in der „picobella”-Wäscherei gewaschen, mit einem sehr neutralen Waschmittel, so erklärt sich der eingangs erwähnte Geruch nach nichts. Der nächste Plan von Susanne Schoch zur weiteren Vernetzung der Angebote ist es, im „kinderkram” auch eine Annahmestelle für die Wäscherei zu schaffen. So kann man als Mutter seine Schmutzwäsche abgeben, es sich im Café gut gehen lassen und nach benötigten Kindersachen stöbern. Seit dieser Woche laufen hier Sonder-Verkaufsaktionen, weil die Sommerware allmählich den Platz in den Regalen räumen muss.

Ausbildung staatlich anerkannt

So traumhaft das alles auch klingt – bis jetzt rechnet sich „kinderkram” nicht. Denn die Ausbildungsplätze sind teuer. Die Social Sense wurde letztlich gegründet, um mit ihren Integrationsprojekten die Ausbildung zur staatlich anerkannten Dienstleistungshelferin Hauswirtschaft langfristig zu finanzieren. Die Ausbildung ist von der Arbeitsagentur gefördert. Wer sie machen möchte, muss die Schulpflicht erfüllt und von der Arbeitsagentur die Genehmigung für eine Reha-Ausbildung bekommen haben. Inhalte sind Verpflegung und Service (Zubereitung von Speisen, Büffetservice mit Dekoration, Eindecken von Tischen), Hausreinigung, Textilreinigung (Waschen, Glätten, Schrankfertigmachen) und Qualifikationen wie kunden- und dienstleistungsorientiertes Handeln, soziale Kompetenzen und Qualitätssicherung. Mit dieser Ausbildung finden die Frauen Arbeit in Großhaushalten, Kantinen oder gastronomischen Betrieben zum Beispiel in der Küche, im Service, in der Hausreinigung oder in der Wäscherei, in gewerblichen Reinigungsunternehmen oder Wäschereien oder im Wohnbereich von Senioreneinrichtungen. Die Auszubildenden werden individuell gefördert und psychologisch und sozialpädagogisch betreut.

Das Beschäftigungsprojekt der Social Sense bietet darüber hinaus auch niederschwellige Praktika und in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter München AGH-Stellen („1-Euro-Jobs”) an. Ziel ist es, die Frauen allmählich an die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes heranzuführen.

Win-Win-Situation

Die neuste Idee ist das „Mentoringprojekt” für arbeitsuchende Frauen, die aufgrund psychosozialer Problemlagen längere Zeit ohne Erwerbstätigkeit waren. Die Social Sense möchte mit Unternehmen im Hotel- und Gaststättengewerbe oder im Einzelhandel Kooperationen aufbauen, indem sie ihnen qualifiziertes Personal vermittelt. Die Unternehmen lassen Mitarbeiter bei der Social Sense zu Mentoren schulen. Die Mentoren stehen den vermittelten Frauen unterstützend zur Seite und erleichtern ihnen daduch den Schritt in das Arbeitsleben – eine Win-Win-Situation.

Nähere Informationen zu allen Angeboten unter www.social-sense.de im Internet.

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