Veröffentlicht am 05.12.2012 15:52

„Es brennt!”

Stadträtin Manuela Olhausen (CSU). (Foto: job)
Stadträtin Manuela Olhausen (CSU). (Foto: job)
Stadträtin Manuela Olhausen (CSU). (Foto: job)
Stadträtin Manuela Olhausen (CSU). (Foto: job)
Stadträtin Manuela Olhausen (CSU). (Foto: job)

In Sendlinger Kinderkrippen, in denen die Kleinsten betreut werden (Babies ab 6 Wochen bis Kinder zum Alter von dreieinhalb Jahre) herrscht seit Wochen erheblicher Personalmangel. Die für die betroffenen Familien dramatische und für die verbliebenen Betreuer belastende Situation schilderten Eltern jetzt dem Bezirksausschuss Sendling (BA 6).

Stellen seit Monaten unbesetzt

In der städt. Kinderkrippe am Kidlerplatz (derzeit 45 Kinder) wurden die Eltern bereits an zwei Tagen gebeten, ihre Kinder möglichst erst gar nicht in die Krippe zu bringen, berichtete Stadträtin Manuela Olhausen, die selbst ein Kind in dieser Krippe hat. Die Leiterin der Einrichtung ist seit Juli krank, seit mehreren Monaten ist eine Erzieherstelle frei. Im November gingen die stv. Leiterin sowie eine Kinderpflegerin. Laut städt. Bildungsreferat braucht eine Krippe aber zwei pädagogische Fachkräfte für jeweils 12 Kinder. „Der andauernde Personalmangel hat gravierende Folgen für alle Beteiligten“, so Olhausen. „Die Kinder sind nun jeweils in zwei Gruppen zusammengefasst und damit in doppelt so großen Gruppen untergebracht wie üblich. Für das verbliebene Personal bedeutet das eine erhebliche, fast nicht mehr zumutbare Mehrbelastung. Für die Kinder hat die Situation zur Folge, dass die bekannten und für Krippenkinder wichtigen Tagesstrukturen und die ihnen vertrauten Räume teilweise nicht mehr vorhanden sind. Mitunter erleben sie morgens keine einzige vertraute Betreuerin mehr, sondern sehen nur noch fremde Gesichter.“

Krisenstab senkt Standards ab

Bereits im Oktober hatte Manuela Olhausen mit einer Anfrage an OB Christian Ude auf den Personalmangel in der Kidlerkrippe aufmerksam gemacht. Doch erst am Tag nach der BA-Sitzung (sechs Wochen nach der Anfrage) antwortete ihr Stadtschulrat Rainer Schweppe. Seine Lösung ist recht pragmatisch: „Sofern besonders gravierender Personalmangel herrscht, können die … Standards der pädagogischen Qualität … gesenkt werden“, schrieb er. Von den betroffenen Familien verlangt dies noch mehr Flexibilität: Die Öffnungszeiten der Krippe werden verkürzt, die Weihnachtsferien verlängert. Für die Kleinkinder sind die Folgen weitaus verwirrender: Rituale wie gemeinsames Frühstück, Imbiss und Morgenkreis sind aufgehoben. Diese Einschränkungen hat sich der „Krisenstab Personalmangel“, den es im Bildungsreferat gibt, ausgedacht. „Es brennt!“ fasste Olhausen die Lage zusammen. „Ich habe Angst, dass weitere Mitarbeiter, die unter enormer Belastung stehen, nicht mehr können!“

Stadt nennt verschiedene Fehlzahlen

Schweppe beschreibt den Personalmangel in der Kidlerkrippe indes weitaus weniger dramatisch als die Eltern: Er spricht lediglich von einer einzigen, seit September unbesetzten Stelle. Und für die gebe es bereits Ersatz. Allerdings könne die neue Erzieherin (wegen ihrer bestehenden Kündigungsfrist) ihren Dienst erst am 1. Januar oder 1. Februar antreten.

Dem Sendlinger Anzeiger gegenüber nannte eine Sprecherin des Bildungsreferats allerdings andere, höhere Zahlen - wie die Eltern: Von den sechs Erzieherstellen seien derzeit drei unbesetzt (dafür gebe es aber eine andere Erzieherin als Aushilfe). Auch die fünf Kinderpflegestellen seien nicht voll besetzt: eine Mitarbeiterin hat ihre Arbeitszeit (wegen Ausbildung) reduziert, eine andere sei krank (diese werde aber vertreten). Länger krank sei auch die Sprachberaterin. „Der Fachkräftemangel ist deswegen spürbar, weil wir Krankheitsfälle nicht mehr mit ausreichend mobilen Kräften ersetzen können”, erklärte das Bildungsreferat. Auch wenn Mitarbeiter lange krank sind, gelten ihre Stellen im Bildungsreferat als „besetzt”. Immerhin weiß man dort zumindest, dass „es vor Ort wie unbesetzt aussieht”.

Aufgabe von Gruppen möglich

Die Angst der Eltern, dass bei einem Andauern des Personalnotstandes Krippengruppen aufgegeben werden müssen, teilt Rainer Schweppe: „Grundsätzlich besteht diese Möglichkeit, wenn sich die Personalsituation weiter verschärft“. Die Kidlerkrippe werde aber von den Mitarbeitern zweier Nachbarkrippen unterstützt.

„Absoluter Notstand”

Allerdings haben andere Sendlinger Krippen ähnliche Probleme wie die am Kidlerplatz. Doris Kirmeyer schilderte dem BA 6 die Lage in der Krippe am Johannes-Timm-Platz: Im November kümmerten sich dort zeitweise nur noch vier Betreuungskräfte um die 36 Kleinen. Auch hier wurden die Eltern gebeten, ihre Kinder zuhause zu lassen. Im Januar soll die Krippe außerplanmäßig geschlossen werden, die pädagogische Arbeit sei jetzt schon eingeschränkt, das noch vorhandene Personal stark belastet. Hier fehlten vier Betreuer, so dass Auszubildende als Ersatz voll herangezogen werden. „Es ist bedauerlich, dass dieser Zustand eingetreten ist, da gerade im frühkindlichen Bereich die pädagogische Arbeit so wichtig ist und Kinder in dieser Altersklasse enorm betreuungsintensiv sind“, so Kirmeyer. Die Eltern unterstreichen, dass sich das Personal stark engagiert, sie wollen aber aufzeigen, dass ein „absoluter Notstand“ herrscht und Unterstützung unbedingt nötig ist.

Das Bildungsreferat bestätigte gegenüber dem Sendlinger Anzeiger, dass in dieser Krippe am 22. und 23. November nur vier Vollzeitkräfte für 36 Kinder anwesend waren und die Eltern gebeten wurden, ihre Kinder nicht zu bringen oder früher abzuholen. Laut Bildungsreferat fehlten zeitweilig fünf Fachkräfte: Es sind zwei Fachkräfte längerfristig krank, eine Frau darf wegen ihrer Schwangerschaft nicht beschäftigt werden und zwei Mitarbeiter hatten Urlaub. Dass die Krippe in der ersten Januarwoche schließe, liegt laut Bildungsreferat daran, dass nur für vier Kinder in dieser Zeit Betreuung gebraucht werde. Diese vier Kinder werden während der Schließwoche durch ihre vertrauten Bezugspersonen betreut, sicherte das Bildungsreferat zu, allerdings müssen sie dazu in die Kita Ganghoferstraße ausweichen.

Bezirksausschuss ratlos

Der Bezirksausschuss Sendling zeigte sich nach dem Bericht der Eltern zunächst etwas ratlos. „Man kann das Personal schlecht herzaubern“, meinte Anja Berger (Grüne). Dass es zu wenig Erzieher gebe, sei ein Systemfehler und liege u.a. an der für Münchner Verhältnisse schlechten Bezahlung. Andreas Lorenz (CSU) verlangte, die Stadt müsse mehr für ihr KiTa-Personal tun und z.B. für günstigen Wohnraum sorgen – dies wies Peter Rosner (SPD) als „Wahlkampfrede“ zurück.

„Es läuft etwas skandalös falsch“, meinte Leo Brux (Grüne) und forderte, generell mehr Geld für das Krippenpersonal auszugeben. Margot Fürst (CSU) erinnerte ihre Kollegen daran, dass das allgemeine Problem eben auch in Sendling bestehe: „Wir brauchen jetzt eine Lösung!“ Michael Bergmann (SPD) stimmte ihrer Forderung nach einem „Brandbrief an die Stadt“ zu: Man müsse mit aller Deutlichkeit Abhilfe fordern, meinte er. Einstimmig forderte der BA daraufhin Bürgermeisterin Christine Strobl zu einer Erklärung auf, welche Sofortmaßnahmen für die Sendlinger Krippen im Januar umgesetzt werden könnten.

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