Veröffentlicht am 25.09.2012 12:42

Tag der Erinnerung: Der Einmarsch der Amerikaner 1945 in Allach

Bild 3 (Foto: US-Army)
Bild 3 (Foto: US-Army)
Bild 3 (Foto: US-Army)
Bild 3 (Foto: US-Army)
Bild 3 (Foto: US-Army)

Einer der Wege in die fast menschenleere Stadt München führte die amerikanischen Soldaten, d.h. das 232. Infanterieregiment, am 30.April 1945 über Dachau, Allach und Untermenzing. „The March through Munich” ist im Bild 1 dargestellt. Neben vielen mündlichen Berichten von befragten Zeit- und Ortszeugen liegt zu diesem Ereignis glücklicherweise ein „Kriegs- und Einmarschbericht” des damaligen Stadtpfarrers von St. Peter und Paul, M. Fichter, vor, den mir Herr Dr. Rudolph freundlicherweise aus dem Pfarrarchiv Maria Himmelfahrt zur Verfügung stellte.

Dass der westliche Teil Allachs zwischen 1939 und 1945 größtenteils unversehrt geblieben war, bestätigen neben Luftaufnahmen der Allierten auch heute lebende Personen. Das Leben haben aber zu verschiedenen Zeiten auch 10 deutsche Personen, 30 Italiener und ein Franzose durch einen Volltreffer in einem Erdbunker verloren, wobei nicht bekannt ist, wieweit noch andere Zwangsarbeiter in anderen Lagern ums Leben kamen. Bekannt ist auch, dass Schäden an einigen kirchlichen und anderen Gebäuden entstanden, wie z.B. durch einen Brand des Modellhauses von Krauss-Maffei, große Teile der BMW, einige Lager von KM und BMW. Auch Häuser in der Waldkolonie, die nahe an der von allierten Bombern heimgesuchten Güterbahnlinie lagen, erlitten Kriegsschäden. Im Gegensatz zu Untermenzing sind jedoch die Bombenopfer nirgends namentlich aufgeführt.

Dem Einmarsch der Amerikaner gingen noch einige Ereignisse voraus, die die einheimische Bevölkerung in Schrecken versetzte. So berichtet Veronika Diem in ihrer Dissertation über „Die Freiheitsaktion Bayern”, dass am 28.04.1945 der Leiter des Volkssturms, Erich Spahn (1896-1945), von seinem Stellvertreter Johann Hohenleitner in Allach erschossen wurde. Hohenleitner wollte zusammen mit einem französischen und einem jugoslawischen Zivilarbeiter aus dem Waffenlager des Volkssturms Schußwaffen in seinen PKW laden und wurde dabei von Spahn nach seinen Absichten befragt. Spahn griff gleichzeitig zur Waffe, Hohenleitner gab schneller die tödlichen Schüsse ab. Wo aber war das besagte Waffenlager, und wer kannte die beiden? Der Nachfolger Spahns wurde der in Allach bereits bekannte Erich Klapproth (1894-1945), von dem noch kurz die Rede sein wird.

Bevor das amerikanische Militär in Allach einmarschierte, schickte es einige Artillerie- oder Panzergranaten auf den Weg, die auf der Nordseite der Kirche Peter und Paul die Kirchenfenster und die Friedhofsmauer, angeblich aber auch umliegende Häuser und Dächer beschädigten. Eine Granate schlug, wie ein Augenzeuge berichtete, im Garten seines Vaterhauses (damals Friedhofgasse 1) ein, zerstörte einen Stadel, und die Splitter der Granate schlugen heute noch erkennbare Löcher in die Friedhofmauer. Wie aus vielen Orten Bayerns bekannt, und wie auch ich es in Reichertshofen b. Ingolstadt erlebte, wurde durch das Hissen einer weißen Fahne auf dem Kirchturm weiterer Beschuß vermieden. Einige Mitglieder der schon erwähnten „Freiheitsaktion Bayern” (FAB) zogen dem 232. Inf. Regt. entgegen, um Schaden von Allach und Untermenzing abzuwenden. Diese FAB war eine Widerstandsgruppe, die am 28. April versuchte, die Gauleitung und militärische Befehlshaber zu entmachten, um einen Waffenstillstand mit den Alliierten zu erwirken, so auch in Allach. Der frühere Feilitschplatz wurde 1947 zu Ehren dieser letztlich gescheiterten Widerstandsbewegung in „Münchner Freiheit” umbenannt.

Tote des Einmarschtages waren ein Lageraufseher, der von freigelassenen Russen erschlagen wurde, und ein unbekannter Soldat, den vermutlich US-Soldaten erschossen. Die beiden Toten wurden im Allacher Friedhof auf der Nordseite der Kirche (Bild 2) anonym begraben und in das Totenbuch der Pfarrgemeinde eingetragen.

Das neue Schulgebäude, gemeint ist die von Sep Ruf entworfene und 1938 gebaute heutige Mittelschule an der Franz-Nißl-Str. 55, wurde neben anderen Einrichtungen, wie der NSV- Kindergarten (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt), von den Amerikanern besetzt. So waren (Bild 2, Pfarrhof heute) „in der ersten Nacht nach dem Einmarsch 20 amerikanische Soldaten im Pfarrhof, kochten aus der Küche des Pfarrers, der Pfarrer musste Holz herbeiholen, das ganze Pfarrhaus wurde von oben bis unten durchstöbert. Als Souveniers nahmen sie mit: 3 Uhren, 4 Füllfederhalter, 2 Wolldecken und andere Dinge, ca. RM 1500,-- Bargeld, darunter RM 200,-- Stipendiengelder. Messwein wurde nicht angetastet. Drei Tage waren notwendig, um die Wohnung wieder in Ordnung zu bringen. In den Nachbarhäusern ging es ähnlich oder schlechter zu”, so der sicher etwas aufgebrachte Stadtpfarrer Fichter, an den sich einige noch gut erinnern, in seinem Bericht vom 25.10.1945. So wurde angeblich auch im Mesnerhaus viel zerschlagen und Geld gestohlen, in anderen Häusern machte man schon in der ersten Nacht Jagd auf Frauen und Mädchen. Der Löschzug der freiwilligen Feuerwehr Allach erlebte das Kriegsende auf dem Weg zu einem Einsatz in Obermenzing, als einmarschierende amerikanische Truppen die Mannschaft schon kurz nach dem Ausrücken wieder nach Hause zurückschickten.

Schon am ersten Tag nach dem Einmarsch der Amerikaner begann das große Plündern durch die freigekommenen russischen, polnischen, italienischen und französischen ehemaligen Zwangsarbeiter, die in den vergangenen Jahren zu Tausenden in den verschiedenen Lagern untergebracht waren. Zuerst gaben die Besatzer die Diamaltgebäude zum Plündern frei, dann waren die Geschäftshäuser dran. Pfarrer Fichter berichtete, dass sich auch viele Einheimische, die schon vor dem Einmarsch der Amerikaner einen Eisenbahnzug mit Stoffen, Schuhen, Lebensmittel u.a. ausgeräumt hatten, an den Plünderungen beteiligten. Aber auch Privatwohnungen von Parteigenossen und anderen Verdächtigten fielen den Plünderern anheim. Es sollte aber noch schlimmer kommen, so der Pfarrer: „Am Abend (des 1. Mai) legte sich ein bleierner Schrecken über die Ortschaft. Es gingen Gerüchte um über eine ‚Bartholomäusnacht', in der alle Männer ermordet, alle Frauen und Mädchen geschändet werden sollten, ganz Allach in Flammen aufgehen sollte, weil auch im Gebiete Allach ein Ableger des Dachauer Konzentrationslagers war. Man bemühte sich um Schutz bei den Amerikanern, der auch gegen Abend eintraf. So verlief die Nacht ruhig.”

Dann kamen die Bauernhöfe dran, wo die Plünderer alles Schlacht- und Essbare wie Enten, Gänse, Hühner, Schweine, Eier, Getreide u.v.m. stahlen und auf den Straßen Räder, Motorräder und Autos requirierten. Fichter sah die Beteiligten am FAB-Aufstand, die sich um Ordnung kümmern wollten, von zweifelhaften Elementen durchsetzt und als Plünderer in den Wohnungen. Mehrere Personen, die alle in Allach bereits hinreichend bekannt waren und hier nicht genannt werden sollen, machten von sich reden.

So wurde der schon genannte Volkssturmführer E. K. in seinem Haus mutmaßlich von Hilfspolizisten aufgespürt, sofort erschossen und an Ort und Stelle (?) begraben, wie Pfarrer Fichter berichtet. Sein Tod scheint jedoch keineswegs klar: So schreibt z.B. seine Frau, er wäre gefallen; andere berichten anderes. Man weiß auch von einem höheren Parteifunktionär R., der sich im Keller seines Hauses selbst richtete und angeblich im Allacher Friedhof begraben wurde.

Das Plündern, in der Ortschaft wurde bald von den Amerikanern unterbunden, setzte sich in den Gehöften und Häusern der weiteren Umgebung fort und dauerte so lange an, bis der größte Teil der befreiten Zwangsarbeiter (DP= Displaced Persons) abtransportiert war. Das sog. Polenlager, in dem im Oktober 1945 noch ca. 4000 Polen, Ukrainer und Ungarn untergebracht waren, wurde von den Amerikanern bewacht und von Priestern aus dem Dachauer KZ betreut. Während die meisten Menschen in Allach sich noch über den Einmarsch der Befreier freuten, aber auch die ersten negativen Erfahrungen machten, verhandelte der amerikanische Major Kenneth A. Nozar von der 3. Infanterie-Division im Münchner Polizeipräsidium schon um die Übergabe der Stadt München (Bild 3, US Army).

Nach Abschluß meines Artikels erhielt ich von unserem Heimatforscher J. Tausch zum Einmarsch der Amerikaner noch die Kopie eines Polizeiberichts von 1945 und einen Bericht des Würmtalboten von 1955, von Frau Dr. Diem weitergehende Ergänzungsvorschläge.

Ich bitte alle Leser um weitere Informationen.

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