Ganz Deutschland streitet über die Frauenquote: Während EU-Justizkommissarin Viviane Reding bis zum Jahr 2020 mindestens 40 Prozent der Aufsichtsratposten in börsennotierten Unternehmen per Gesetz mit Frauen besetzen will, setzt sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CSU) für die so genannte Flexi-Quote ein: Sie sieht vor, dass Unternehmen sich selbst ein Ziel für die Förderung von Frauen in Führungspositionen setzen. Doch braucht Deutschland die Frauenquote überhaupt? Und warum werden unter diesem Stichwort nur Stellen in Aufsichtsrat- oder Vorstandsposten verhandelt? Dass Frauen in höheren Positionen in der Arbeitswelt allgemein unterrepräsentiert sind, belegen zahlreiche Studien: Im Vergleich mit den EU-Mitgliedsländern liegt Deutschland mit einem Anteil von 30,8 Prozent Frauen in allgemeinen Leitungspositionen unter dem EU-Durchschnitt und damit erst auf Rang 11. Die Benachteiligung der Frauen in der Arbeitswelt spiegelt sich unter anderem in den Beschwerden wider, die bei der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes eingehen: Unter den seit 2006 gemeldeten rund 6.800 Fällen nehmen Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts den zweiten Platz ein.
Zum kontroversen Thema „Frauen in Führungspositionen – Klappt das?“ diskutierten im Rahmen der Werbe-Spiegel-Reihe „Sommergespräche im Hirschgarten“ interessierte Leserinnen und Leser mit Claudia Odekerken. Die Rheinländerin ist seit Oktober 2008 bei der Münchner Straßenreinigung tätig, und das nicht nur als einzige Frau unter rund 450 Männern sondern auch noch als deren Chefin. Besonderes Durchsetzungsvermögen und einen „langen Atem“ beweist Odekerken auch als Sportlerin. So hat sie unter anderem schon zweimal am „Marathon de Sables“ in Marokko teilgenommen: 246 Kilometer mit Gepäck durch die Wüste legte sie 2008 als beste deutsche Läuferin zurück. Und dies ist nur ein Baustein ihrer beeindruckenden Laufbiografie, zu der unter anderem auch der Ironman Hawaii und ein Zugspitz-Extremberglauf gehören.
Claudia Odekerken hat Bauingenieurwesen studiert: Zu ihrer Zeit ein fast ausschließlich von männlichen Studenten dominiertes Fach. „Man wächst da einfach rein“, erklärte sie zu Beginn des Werbe-Spiegel-Sommergespräches. Deshalb sei es für sie auch kein Problem gewesen, als sie erfahren habe, dass sie – als einzige Frau der Abteilung – Chefin von 450 Männern werden soll. „Was mir glaube ich hilft, ist, dass ich relativ groß bin, das macht auf die Kollegen gleich einen ganz anderen Eindruck“, so Odekerken. Auch ihre sportlichen Leistungen, die ihr natürlich via Internet an ihre neue Stelle in München vorausgeeilt seien, wären wohl hilfreich gewesen: „Die Kollegen hatten zwar zunächst Angst, dass sie mit mir jeden Morgen durch den Wald joggen müssen, was natürlich nicht der Fall ist, aber sie hatten dadurch auch den Eindruck gewonnen, dass ich mich gut durchsetzen kann und einen langen Atem habe.“
Diskriminierungen oder abschätzige Bemerkungen habe sie bisher in ihrer Laufbahn eigentlich kaum erlebt, erklärte Odekerken. Ihre Strategie sei, ganz offen mit eventuellen Schwächen umzugehen. Dies funktioniere in der Regel ganz gut: „Wer offen mit seinen Schwächen umgeht, der nimmt dem Gegner häufig damit schon den Wind aus den Segeln.“
Ist eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote der Königsweg des Dilemmas? Diese Frage sorgte vor allem unter den jungen Anwesenden für Diskussionsbedarf: „Meiner Meinung nach ist eine Frauenquote ein zweischneidiges Schwert“, erklärte Teilnehmerin Elisabeth Schönberger. Einerseits bekämen viele qualifizierte Frauen dadurch überhaupt erst die Chance, sich auf der Führungsebene zu beweisen, was ihnen häufig durch die 'gläsernen Decke' verwehrt bleibe. Diese ist ein Erklärungsmodell für das Phänomen, dass die meisten hochqualifizierten Angehörigen von Minderheiten und Frauen beim Aufstieg innerhalb von Unternehmen spätestens auf der Ebene des mittleren Managements hängenbleiben und nicht bis in die Führungsetage kommen. „Die 'gläserne Decke' könnte durch eine Frauenquote durchbrochen werden. Die Kehrseite ist dann aber wahrscheinlich, dass Frauen in Führungspositionen öfter gegen das Vorurteil ankämpfen müssen, dass sie ihre Position einer Quote und nicht ihrer Leistungen zu verdanken haben“, so Schönberger.
Auch Werbe-Spiegel-Leserin Jessica Prantner sieht die Frauenquote kritisch: „Im Grunde bestätigen diese Überlegungen ja überhaupt erst wieder das gängige Klischee, dass Frauen das schwache Geschlecht seien, dem man unter die Arme greifen müsse.“ Gleichzeitig sei es ihrer Ansicht nach aber auch häufig so, dass Frauen Angst vor männerdominierten Berufen hätten: „Das ist wie mit dem gängigen Vorurteil, dass Frauen nicht einparken können. Gerade, weil wir es immer wieder zu hören bekommen, schaffen wir es dann auch nicht“, so Prantner. Sie selbst habe solche Zweifel nie gehegt, meinte Claudia Odekerken. „Ich wusste immer schon, dass ich etwas Technisches und etwas mit Bauen machen wollte, danach habe ich mein Studium ausgewählt und mir über die Zukunft sonst eher wenig Gedanken gemacht.“
Einig war sich die Werbe-Spiegel-Sommergespräch-Runde, bestehend aus fünf Frauen und einem Mann, über die Tatsache, dass der entscheidende gesellschaftliche Umbruch derzeit bereits in Gang sei. Wichtig sei es aber nach wie vor, den eigenen Töchtern und anderen Frauen und Mädchen Emanzipation entsprechend vorzuleben: „Ich habe zum Beispiel sehr viele Nichten, die sich zum Teil auch an mir orientieren. Ich muss ihnen eben zeigen, dass es selbstverständlich ist, dass eine Frau einen solchen Beruf ausübt und Chefin ist.“
Zusätzlich sollte es aber auch noch mehr Mentorenmodelle geben, durch welche Frauen auf ihrem Weg an die Spitze der Karriereleiter von anderen erfolgreichen Männern und Frauen unterstützt würden, schlug Teilnehmerin Elisabeth Schönberger vor. „Man hat in Studien herausgefunden, dass Frauen schlechter gefördert werden und deshalb nicht so häufig an Führungspositionen kommen. Wenn sie aber dann doch in einer sind, dann hatten sie oft zuvor einen männlichen Mentor“, berichtete die studierte Soziologin. „Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen“, so Odekerken.
Frauenquote, Mentorenmodelle: Hilft das alles wirklich dabei, den Frauen zu mehr Chancen in der Arbeitswelt zu verhelfen? „Insgesamt müsste man es auch noch schaffen, dass Frauen selbstbewusster werden und sich nicht mehr so oft hinterfragen“, meinte Claudia Odekerken. Leserin Jessica Prantner bestätigte die Auffassung: „Viele Männer treten sehr selbstbewusst auf, wenn sie gefragt werden, ob sie eine bestimmte Fähigkeit haben, während die Frauen oft an sich zweifeln“, meinte sie. Zudem seien viele Frauen zu konfliktscheu, während ihnen zeitgleich aber ein starkes Durchsetzungsvermögen oft angekreidet werde.
Auch Odekerken war im Vergleich mit ihren Studienkollegen lange Zeit diejenige, die gehaltsmäßig hinter den Jungs herhinkte: „Heute habe ich sie natürlich alle eingeholt“, erklärte sie lachend. Sie habe aber nie darauf geschaut, wie viel Geld man in einem Job verdienen könne, sondern immer, welche Aufgaben sie erwarten würden. „Das muss man sich aber natürlich auch leisten können“, gestand Odekerken ein.