Veröffentlicht am 15.02.2012 20:05

Was ist Liebe? Was ist Glück?

Radames (Jonathan Töllner) mit seinen Soldaten im Siegesrausch. (Foto: job)
Radames (Jonathan Töllner) mit seinen Soldaten im Siegesrausch. (Foto: job)
Radames (Jonathan Töllner) mit seinen Soldaten im Siegesrausch. (Foto: job)
Radames (Jonathan Töllner) mit seinen Soldaten im Siegesrausch. (Foto: job)
Radames (Jonathan Töllner) mit seinen Soldaten im Siegesrausch. (Foto: job)

„Jede Fabel und Geschichte, jedes Drama, jedes Stück handelt von demselben Thema: Was ist Liebe? Was ist Glück?” heißt es im Eröffnungslied des Musicals Aida von Elton John und Tim Rice. An fünf Abenden haben die Zwölftklässler des P-Seminars am Dante-Gymnasium ihre Version in der Klenze-Turnhalle aufgeführt. Eineinhalb Jahre hatten sie darauf hingearbeitet, in einer eigenen Inszenierung die Geschichte zu erzählen, die sich lose an Verdis Oper anlehnt. Unterstützt wurde das P-Seminar dabei von der Big Band der Schule und zahlreichen Mitschülern aller Jahrgangsstufen, so dass letztlich 110 Schüler an den Aufführungen mitwirkten. „Fiebrige Erregung umfasste das ganze Schulhaus”, schildert der stv. Schulleiter Andreas Jäger die Tage vor dem großen Ereignis, „die Aufführung ist auch Ausdruck der funktionierenden Schulgemeinschaft.”

Aida - die Geschichte

Die nubische Königstochter Aida (Alicia Grünwald) gerät in ägyptische Gefangenschaft. Kriegsherr Radames (Jonathan Töllner) macht sie der Tochter des Pharaos, Amneris (Victoria Link bzw. Melanie Gardisch), zum Geschenk. Zusammen mit ihr aufgewachsen, soll er sie bald heiraten, um selbst Pharao zu werden. So hat es sein Vater, der machthungrige Zoser (Lukas Hartmann), eingefädelt. Doch Radames und Aida entdecken trotz der Feindschaft ihrer Völker ihre Liebe zueinander. Zosers Pläne drohen zu scheitern. Amneris sieht sich zurückgewiesen. Intrige und Verrat, Hoffnung und Selbstzweifel, Betrug und Selbstlosigkeit bestimmen fortan das Spiel. Am Ende werden die Liebenden als Verräter verurteilt; man lässt sie in einer unterirdischen Kammer sterben.

Die Inszenierung

Vor drei Jahren hatte das Gymnasium mit Willy Russells „Blutsbrüder” schon ein erfolgreiches Musical inszeniert. Aida unter der musikalischen Leitung von Holger Dehm und der Regie von Stefan Rauwolf wurde aber ein wesentlich aufwändigeres Projekt. Die gesamte Produktion übernahmen die Schüler selbst - mit allem, was dazugehört: Stückauswahl und Vertragsabschlüsse, Casting der Talente, Inszenierungskonzepte, Regie und Choreographie, Kostümeschneidern und Technik bis hin zum Marketing nebst hervorragend gelungener Gestaltung des Programmheftes und einer eigenen Aida-Webseite ( www.dantes-aida.de.vu ).

Wenn Zoser (ein Sonderapplaus für sein herrlich höhnisches Lachen!) am Ende „Es hat uns allen Riesenspaß gemacht” in den ausverkauften Saal ruft, dann glaubt man das, denn man hat es in jeder Szene zuvor bei allen Schauspielern gespürt. Vielleicht traf nicht jeder von ihnen jeden Ton jedesmal ganz perfekt, dennoch beeindruckten alle Schüler durch eine überzeugende Darstellung, mit der sie die so gegensätzlichen Charaktere aus dem alten Ägypten für einen grandiosen Abend lebendig werden ließen. Hier wurden keine Texte aufgesagt, sondern eine facettenreiche Geschichte über Menschen erzählt, die vor grundlegenden Fragestellungen und Gefühlen stehen - die (weil ja jede Geschichte eine Liebesgeschichte ist) im antiken Isistempel letztlich die gleichen sind wie in einem sprachlichen Gymnasium des frühen 21. Jahrhunderts.

Kulisse und Kostüme trugen die Idee von der Verknüpfung der Epochen auf ebenso unaufgeregte wie einfallsreiche Weise mit. Typisch ägyptische Elemente setzten Akzente in einer zeitgemäßen Aufführung, die sich auch sprachlich an der Gegenwart orientierte (ein überraschend gut gelungener Effekt). Die Kulisse bestach durch funktionierende Schlichtheit: Allein der geschickte Wechsel dreier Tücher verwandelte die Bühne in so unterschiedliche Orte wie Nilbarke, Ägyptisches Museum, Pharaos Thronsaal, Verließ, Schlafzimmer der Prinzessin und Grabkammer.

Bei sich selbst bleiben

Liebe zwingt, wenn man sie überhaupt findet, zu harten Entscheidungen. Alle Figuren werden vor diese unerbittliche Wahl gestellt: Aida und Radames müssen sich zwischen ihrer Liebe und ihren beiden Völkern entscheiden, der Pharao zwischen dem Gesetz und dem Gnadenersuch seiner Lieblingstochter, Zoser zwischen seiner Familie und seiner Karriere, Amneris zwischen ihren Vertrauten und ihrer Verantwortung als Thronerbin. Aber was ist Liebe? Was ist Glück? Und welche Entscheidung ist die richtige?

Die womöglich schönste, in ihrem Beruf bis heute aber tatsächlich erfolgreichste Frau der Welt (Angelina Jolie) sagte es vor Jahren in Berlin so: „Man muss nicht Erfolg im konventionellen Sinn haben, um glücklich zu sein, sondern man muss bei sich selbst bleiben.” Alle Figuren verstehen dies und treffen ihre Wahl, um bei sich selbst zu bleiben - auch wenn dies von manchem einen großen Sprung über den eigenen Schatten oder eben gnadenlose Härte gegenüber sich und seinen Mitmenschen erfordert.

Gerade deshalb ist Aida kein „Am Ende wird alles gut”-Stück. Selbst wer sich „richtig” oder zumindest konsequent entscheidet, muss dafür einen kaum zu ertragenden Preis zahlen: Amneris wird ihre Träume aufgeben (man nennt das Erwachsenwerden) und sie wird ihre engsten Freunde verlieren. Zoser sein Leben. Radames und Aida all das. Nur ein Versprechen bleibt den Todgeweihten: sich einst wiederzufinden - selbst wenn 100 Menschenleben bis dahin vergehen. Dies öffnet den Liebenden zumindest eine vage Möglichkeit: In der Schlussszene treffen ein junger Mann und eine junge Frau vor der Statue der Amneris im Museum aufeinander. Sie sehen sich in die Augen: Ist es Liebe? Wird es Glück?

north