Veröffentlicht am 10.10.2011 10:41

Kampf gegen die Partyzone

Tagsüber ist auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz vor dem Freiheiz nicht viel los, doch abends und spätnachts verursacht das Publikum auf dem Platz eine „unerträgliche” Geräuschkulisse für die Anwohner. (Foto: ws)
Tagsüber ist auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz vor dem Freiheiz nicht viel los, doch abends und spätnachts verursacht das Publikum auf dem Platz eine „unerträgliche” Geräuschkulisse für die Anwohner. (Foto: ws)
Tagsüber ist auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz vor dem Freiheiz nicht viel los, doch abends und spätnachts verursacht das Publikum auf dem Platz eine „unerträgliche” Geräuschkulisse für die Anwohner. (Foto: ws)
Tagsüber ist auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz vor dem Freiheiz nicht viel los, doch abends und spätnachts verursacht das Publikum auf dem Platz eine „unerträgliche” Geräuschkulisse für die Anwohner. (Foto: ws)
Tagsüber ist auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz vor dem Freiheiz nicht viel los, doch abends und spätnachts verursacht das Publikum auf dem Platz eine „unerträgliche” Geräuschkulisse für die Anwohner. (Foto: ws)

Tagsüber wirkt der Rainer-Werner-Fassbinder-Platz vor der Freiheizhalle trist und langweilig – doch spätabends und nachts geht nach den Beobachtungen der direkten Nachbarn die Post ab: Bis fünf Uhr früh steigen im Freiheiz Techno-Partys mit „brutaler Bassmusik”. Eben gab es etliche After-Wiesn-Partys, allein acht Partys in zwei Wochen. Leute unterhalten sich auf dem Platz, trinken, lachen und grölen, zerschlagen Flaschen. Türen schlagen auf und zu. Der Bühnenabbau geht mit lautstarkem Beladen der Lkw bis in die frühen Morgenstunden. So schilderte Anwohner-Sprecher Stefan Lorenz die aktuelle Situation. Insbesondere den unmittelbaren Anliegern in der Lilli-Palmer-Straße reicht's: „Die Gesamtlautstärke ist relativ unerträglich für Leute, die nur 50 Meter weg wohnen und ihr Schlafzimmer zum Platz haben”, sagte Lorenz bei einer vom Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg einberufenen Sondersitzung im Freiheiz.

Die Bürger sind schon länger von der Partyzone vor ihrer Haustüre genervt und forderten bei der erneuten Krisensitzung einmal mehr Maßnahmen zur dauerhaften Beruhigung der Szene und zur Reduzierung des Lärms auf dem Platz. Am schlimmsten seien die Techno-Partys, beklagte sich ein Anlieger. „Der Bass ist so brutal, dass man nicht schlafen kann.” Anwohner-Sprecher Lorenz machte für die „unerträgliche Lärmbelästigung” hauptsächlich die Freiheizhalle verantwortlich: „Die Veranstaltungen sind zu lange, zu oft und zu laut.” Zum Teil werde die Sperrzeit um 5 Uhr nicht eingehalten, manchmal sei erst morgens um 6.30 Uhr, 6.45 Uhr Ruhe. „Pro Woche gibt es mindestens drei Veranstaltungen”, beklagte Lorenz. Er forderte im Interesse der direkten Nachbarn leisere Veranstaltungen in der Freiheizhalle, kürzere (nur bis 23, 24 Uhr), viel weniger Veranstaltungen (nur vier pro Monat) und zudem andere: mehr Theater, Kunst, Kino, Kindertheater, „Schluss mit Party und Kommerz”.

Großer Geräuschpegel

Die Freiheizhalle wurde vor vier Jahren im ehemaligen Heizkraftwerk der Bahn an der Donnersbergerbrücke eröffnet. Man habe von Anfang an auf ein gutes Verhältnis mit den Anwohnern im Arnulfpark gesetzt, betonte Gert Wohlgemuth, einer der Betreiber des Freiheiz. „Wir bemühen uns um ein buntes Programm: Konzerte, Kabarett, Kleinkunst, Theater. Wir haben Partys, aber sie nehmen einen äußerst geringen Anteil ein.” Die Hallenmiete sei sehr erheblich, und die Kosten müssten erwirtschaftet werden. Mit Kunst und Kindertheater allein sei das nicht möglich. So gebe es auch Partys und Firmenveranstaltungen, aber eben auch viel anderes. „Es ist eine gesunde Mischung, um die Kulturhalle am Leben zu halten. Das ist ansonsten nicht möglich”, stellte der Hallenbetreiber klar. Die Bezirksausschussvorsitzende Ingeborg Staudenmeyer (SPD) gab ihm Recht und betonte: „Nur vier Veranstaltungen pro Monat, das geht nicht.” Wohlgemuth wies außerdem darauf hin, dass man bei Veranstaltungen eine Unmenge von Sicherheitspersonal einsetze, das die Besucher auffordere, sich draußen nicht auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz aufzuhalten, sondern mehr in Richtung zur Donnersbergerbrücke. Gleichzeitig stellte der Hallenbetreiber klar: „Man kann den Rauchern nicht verbieten, dass sie sich rausstellen zum Rauchen.”

„Das Publikum im Freien” sei maßgeblich für den verursachten Lärm verantwortlich gewesen, erläuterte Helmut Jahn vom städtischen Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU). Er hatte vor ein paar Wochen zwei Mal spätabends Lärmmessungen bei Anwohnern vorgenommen, einen halben Meter vor dem geöffneten Fenster entfernt. 53 bis 55 Dezibel (A) habe er gemessen, erlaubt seien 45. Ein Anstieg um drei Dezibel, also von 45 auf 48, sei bereits eine Verdoppelung des Lärms. Jahns Fazit: „Es war eine hohe Überschreitung.” Und weiter: „Nur sich unterhaltende Leute ergeben einen großen Geräuschpegel.” Ein ähnliches Problem gebe es auf dem Gärtnerplatz. Hallenbetreiber Wohlgemuth entgegnete, dass man das Publikum auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz nicht nur den Besuchern der Freiheizhalle zuordnen könne. Vielmehr hielten sich auf dem Platz abends und nachts zum Teil auch „20 bis 30 Penner auf, die von der Donnersbergerbrücke kommen.”

Zweiter Zugang angedacht

Der Betreiber des Freiheiz versprach den lärmgeplagten Anwohnern, dass es nachts keinen Bühnenabbau mehr geben werde. Außerdem bemühe man sich um einen zweiten Ausgang aus der Halle, der jetzige führt direkt auf den Rainer-Werner-Fassbinder-Platz, der zweite soll die Freiheiz-Besucher in die andere Richtung raus zur Erika-Mann-Straße leiten. Doch für diesen zweiten Zugang an der Halle benötige man das Einverständnis des Eigentümers der Halle, eines internationalen Immobilienfonds, sowie die Zustimmung der Lokalbaukommission der Stadt. Der derzeitige Ein- und Ausgang müsse jedoch aus feuerpolizeilichen Gründen erhalten bleiben, betonte Wohlgemuth. Die anderen Forderungen seien hingegen nicht zu erfüllen (weniger und kürzere Veranstaltungen). Ein Anwohner zeigte Verständnis und plädierte unter Applaus für ein „Miteinander”. Bezirksausschussmitglied Georg Fichtner (FDP) würdigte ausdrücklich die vorgeschlagene Schaffung eines zweiten Ein- und Ausgangs als „Entgegenkommen des Betreibers”.

Auch Gremiumschefin Staudenmeyer forderte mehr gegenseitiges Miteinander und Verständnis. An die Adresse der aufgebrachten Anwohner gewandt, sagte die Politikerin: „Ihr seid da und er ist da.” Gemeint war Hallenbetreiber Wohlgemuth. Anwohner-Sprecher Lorenz versicherte denn auch, keine Front gegen den Betreiber des Freiheiz machen zu wollen und nannte den möglichen zweiten Eingang eine „gute Lösung” – allerdings sei diese Idee nicht neu, davon sei schon bei einem Krisentreffen im vergangenen Jahr die Rede gewesen, doch geschehen sei nichts, so Lorenz. So blieb bei dem Sprecher der Anwohner und wohl auch bei den anwesenden Bürgern eine gehörige Portion Skepsis zurück, ob sich die Lärmproblematik tatsächlich verbessern werde. „Wenn alles so bleibt wie es ist, wird sich die Beschwerdesituation nicht verbessern”, stellte der Vertreter der lärmgeplagten Anwohner im Arnulfpark klar.

Einer von ihnen wartete ganz am Ende der Diskussion mit einem ungewöhnlichen Vorschlag auf: Bei Regen stünden weniger Leute draußen, dann dürften sie sich auf dem Platz aufhalten. Wenn es hingegen schön und warm sei, dann nicht: Dann sollten sie woanders rauchen und herumstehen, aber bitte schön nicht auf dem Rainer-Werner-Fassbinder-Platz. Die Bezirksausschussvorsitzende nahm dies ganz humorvoll, Ingeborg Staudenmeyer ließ einen Seufzer los: „Leider können wir es nicht machen wie bei Karl Valentin: Am Montag dürfen's raus, am Dienstag müssen's drinbleiben, am Mittwoch dürfen's aufs Klo gehen...”

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