Die Familien im neuen Wohngebiet im Hirschgarten standen vor einem großen Problem: Als sie sich letztes Jahr Wohnungen dort kauften, wussten sie noch nicht, dass es für die heranwachsenden Kleinkinder keinerlei freie Kinderkrippen- bzw. Kindertagesstättenplätze gibt. Viele betroffenen Familien standen vor existentiellen Problemen und warteten bereits seit über einem Jahr auf einen Betreuungsplatz, obwohl sie sich bei einem Dutzend Einrichtungen beworben hatten. Für einige stellte sich die Frage, ob sie in der Lage sein werden, die Zinsen für die neu erworbenen Eigentumswohnungen weiter zu bezahlen, wenn ein Elternteil wegen der fehlenden Betreuung keine Arbeit findet.
Im Mai diesen Jahres haben sich viele Eltern zusammen getan und eine Elterninitiative für eine Krippe gegründet. Bereits einige Wochen nach der Gründung der Elterninitiative schienen die wichtigsten Hürden überwunden. Nikolaus Hoenning, der Vorsitzende des Vereins, erinnert sich: „Wir haben drei Betreuerinnen gefunden und der Bauträger Concept Real hat uns zwei Erdgeschosswohnungen in Aussicht gestellt, für die wir bereits eine Nutzungsänderung einreichen wollten. Im letzten Moment allerdings, ist die Bauträgerfirma dann abgesprungen. Bei den Nachbarn, die keine Kinder haben, hätte sich Widerstand formiert. Die Elterninitiative stand vor dem Aus.”
Den Eltern wurden zwar noch weitere Wohnungen angeboten, doch die bürokratischen Hürden waren einfach zu hoch. Zufällig kam Nikolaus Hoenning über Facebook mit dem Geschäftsführer vom Backstage München Hans-Georg Stocker in Verbindung. Der Betreiber des Backstage handelte schnell und unbürokratisch, als ihn die Anfrage der Elterninitiative erreichte. Stocker stellte für die Kinder „den schönsten Raum zu Verfügung, den das Backstage hat”, so Hoenning.
Für die neu gegründeten „Hirschgarten Zwerge” musste die Betreuung noch vor September starten, damit sie noch Fördergelder erhalten. Am 22. August um 9 Uhr begann die Betreuung für sechs Kinder aus dem Hirschgarten. Zwei der Betreuerinnen arbeiten in Teilzeit und haben ihre Kinder selbst in der Gruppe untergebracht, die dritte Betreuerin ist Vollzeit beschäftigt. Die Ausstattung ist natürlich nicht umfangreich, die Spielsachen brachten die Familien selbst mit. Doch für die Eltern ist die nahe Betreuung eine Erleichterung, denn einige mussten vorher Fahrtwege von über einer halben Stunden auf sich nehmen, falls sie überhaupt Betreuungsplätze hatten.
Stocker selbst war bei der Gründung des Backstages vor 20 Jahren selbst ein Hauptinitiator und vergleicht die Elterninitiative mit dem Beginn damals: „Es gab einen Missstand hinsichtlich der Kultur, Musik und auch der Jugend. Wir haben damals die Räume selbst gesucht und gefunden.” Auch bei der Krippen-Suche mussten die Eltern selbst aktiv werden. Deswegen unterstützt Stocker die Initiative und hofft, ein „positives Beispiel zum Umdenken” zu geben. Er will aufzeigen, dass es anders geht. Dass der Backstage-Chef selbst vier Kinder hat, ist für ihn nicht der Grund den Eltern zu helfen. Er kennt das Leid der Eltern und weiß, dass „der Wahnsinn weitergeht”. Denn nach dem Kindergarten kommt die Schule, die Universität, und immer sind die Eltern in Sorge einen guten Platz für ihre Kinder zu bekommen.
„Man muss darüber reden können, wie es besser geht. In der Politik wird Kritik gleich als majestätische Beleidigung empfunden”, so Stocker. „Lieber ein kleiner Raum in einem Container, als gar nichts. Doch man hängt leider immer dem Bedarf hinterher, der Mensch hat Bedürfnisse bis ins Alter.”
Natürlich wirkt eine Kinderkrippe direkt neben einer Konzerthalle für Jugendliche und Erwachsene ungewöhnlich. „Doch auf Dauer ist das auch interessant, es ist ein Ort um Leute zusammen zu bringen,” so die Sozialpädagogin und Betreuerin der neuen Gruppe, Sabine Schmalzried. „Außerdem sind die Konzerte ja nicht unter der Woche.”
Die Kinderkrippe ist für Kids verschiedenen Alters gedacht. Auch jetzt sind die Kinder zwischen 15 Monate und drei Jahren alt. Einen Garten hat der Kinder-Container zwar nicht, aber in der Nähe befinden sich drei gut ausgebaute Spielplätze, zu denen die Gruppe spazieren kann.
Die Eltern und Mitbegründer sind weiter offen für Ideen und Veränderungen. Außerdem suchen sie noch dringend weitere Betreuer, vor allem für Bewerbungen von männlichen Helfern ist die Gruppe offen.