Das langweilige Kanalbett der Isar im Münchner Süden ist passé: Stattdessen plätschert der einst voralpine Wildfluss über Stromschnellen, vorbei an kleinen Inseln, Sandbänken und abwechslungsreichen Uferbereichen mit Kies, mächtigen Steinen und kleinen Gerölllandschaften. Das schaut ganz natürlich aus – ist es aber nicht.
Mehr als elf Jahre hat die sogenannte Renaturierung, die naturnahe Umgestaltung, des Flusses gedauert (Baubeginn war im Jahr 2000). Rund 35 Millionen Euro wird sie wohl am Ende kosten, wie Dr. Klaus Arzet, Leiter des staatlichen Wasserwirtschaftsamtes, auf Anfrage erklärte. Auf acht Flusskilometern hat man zwischen der Stadtgrenze im Münchner Süden und der Innenstadt „Neues Leben für die Isar” geschaffen. So wurde der kanalisierte Fluss in flache, teilweise terrassenförmig angelegte Uferbereiche verwandelt – attraktiv zum Spazierengehen, Rasten, Entspannen und Sonnen. Gleichzeitig wurden die Hochwasserdeiche instand gesetzt.
Es war ein großes, ehrgeiziges Vorhaben, ein Gemeinschaftsprojekt von Freistaat Bayern (Wasserwirtschaftsamt) und Stadt (Baureferat), das wohl in diesem Sommer seinen Abschluss findet. Die Bürger können das ordentlich feiern: mit Isarfesten. Die Vorbereitungen laufen bereits. Im Stadtbezirk Isarvorstadt möchte man auf Initiative von Stadtrat Paul Bickelbacher (Grüne), zugleich Mitglied im örtlichen Bezirksausschuss, die Vollendung des Isarplans mit einem autofreien Samstag oder Sonntag feiern. Dazu sollen Wittelbacher- und Erhardtstraße entlang der Isar ein paar Stunden komplett gesperrt werden. „Es wäre ein einmaliges Erlebnis für die Bürger des Stadtbezirks und für die gesamte Stadtgesellschaft, den Fluss an einem Samstag- oder Sonntagnachmittag autofrei zu erleben und an der Isar entlang flanieren zu können”, so jedenfalls die Vision der Lokalpolitiker. Eine „Partymeile” wollen sie jedoch nicht. Ob die Verkehrssperre tatsächlich kommt, entscheidet indes die Stadtverwaltung.
Unterdessen wird an der Isar noch eifrig gearbeitet. Der letzte Bauabschnitt läuft derzeit auf Hochtouren. Bagger und schwere Baugeräte sind südlich der Reichenbachbrücke im Einsatz: Dort türmen sich Berge von Erdreich, Kies und großen Steinen auf. Die größeren Arbeiten am letzten Teilstück des sogenannten Isar-Plans sollen im Mai beendet sein, hofft Arzet, die restlichen im Juni – falls es im Frühjahr kein Hochwasser oder Dauerregen gibt. Das könnte die Fertigstellung des Gesamtprojektes verzögern. „Die Isar ist immer für eine Überraschung gut”, weiß der Leiter des Wasserwirtschaftsamtes aus seiner Erfahrung. Fest steht für ihn in jedem Fall eins: Die naturnahe Umgestaltung der Isar komme bei der Bevölkerung gut an. Auch bei der Stadt sieht man das Projekt positiv: „Die Renaturierung hat eine Landschaft mit hohem Freizeitwert geschaffen.”
Das war vor dem Millenniumswechsel noch ganz anders: Wehre, Ufermauern und ein festes, sicheres Hochwasserbett, in dem die Isar träge dahinströmte, sollten die Gefahr eines Hochwassers für die angrenzenden Stadtteile eindämmen. Anfang des 19. Jahrhunderts war damit begonnen worden, die Ufer zu befestigen und den Fluss zumindest teilweise zu kanalisieren. Mitte der 1980er Jahre folgte die Kehrtwende. Es gab erste Bestrebungen, die Isar im Stadtgebiet in einigen Abschnitten wieder aus ihrem Korsett zu befreien und zu renaturieren.1988 brachte der Stadtrat den Isar-Plan auf den Weg. Ziele sind die ökologische Aufwertung sowie die Verbesserung des Hochwasserschutzes und des Freizeitwertes.
Das ist offensichtlich gelungen: „Die Menschen können ihren Fluss wieder neu erfahren”, bilanziert das städtische Planungsreferat auf den Internet-Seiten zum Isar-Plan unter dem Thema „Der Fluss in der Stadt”. Die neu gestalteten Abschnitte der Isar würden von den Bürgern „durchwegs anerkannt und sehr positiv beurteilt.”
Die naturnahe Umgestaltung der Isar hat sogar einen Preis gewonnen. Die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) hat im Jahr 2007 erstmals den DWA-Gewässerentwicklungspreis für vorbildlich durchgeführte Maßnahmen zum Erhalt, der naturnahen Gestaltung und Entwicklung von Gewässern in Städten vergeben. Die ersten – gemeinsamen – Preisträger waren 2007 das staatliche Wasserwirtschaftsamt München und die Landeshauptstadt München für das Projekt Isar-Renaturierung.
So ist man nun nach dieser langen Zusammenarbeit bei beiden Behörden bereits in Jubel-Stimmung: Dr. Klaus Arzet, Leiter des staatlichen Wasserwirtschaftsamtes, bilanziert: „Es war eines der erfolgreicheren Projekte zwischen Landeshauptstadt und Freistaat.” Die Bürger hätten die neue, natürlichere Gestalt des Flusses „sehr gut angenommen”. Viele wüssten jedoch gar nicht, dass es ein Gemeinschaftsprojekt sei und dächten irrtümlicherweise, dass allein die Stadt dafür zuständig sei, so Arzet. Dabei trage der Freistaat sogar mehr als die Hälfte der Kosten (genau 55 Prozent) und beteilige sich auch an den Unterhaltskosten für das neue Isar-Ufer. Dass der Umbau sieben Millionen Euro mehr als geplant gekostet habe (35 statt 28 Millionen Euro) erläutert der Leiter des staatlichen Wasserwirtschaftsamtes so: Zum einen hätten viele Altlasten entsorgt werden müssen. Und zum anderen „sind viele Unwägbarkeiten aufgetreten”. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren liege man mit Mehrkosten von sieben Millionen „trotzdem noch gut”, sagt Arzet.
Auch das städtische Baureferat zieht ein positives Fazit:: „Der ursprüngliche voralpine Wildfluss lässt sich zwar nicht mehr herstellen. Aber die Isar wird ihre Herkunft wieder zeigen und viele Erholungsmöglichkeiten bieten.” Dazu gehöre auch eine ausreichende Wasserführung und Wasserqualität. „Die wichtigste und schönste Aufgabe hat die Isar selbst: Sie wird sich ihr Flussbett im Laufe der Zeit selbst gestalten”, lautet der fast schon philosophische Schlusssatz des Baureferates zur Isar-Renaturierung auf den Internetseiten der Stadtverwaltung zu dem Projekt.