Eine gleichberechtigte Partnerschaft, die für beide Seiten von Nutzen ist und somit eine „Win-Win-Situation” bringen soll, das ist das Credo des Arbeitskreises SCHULEWIRTSCHAFT. Der vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e.V. gegründete Arbeitskreis bringt in etwa 100 lokalen Arbeitskreisen bayernweit Vertreter aus Schule und Wirtschaft zusammen. Dabei engagieren sich die Vertreter ehrenamtlich dafür, Jugendliche schul- und branchenübergreifend bei der Berufsorientierung zu unterstützen.
Vorstand eines dieser Arbeitskreise ist Norbert Lottner, Rektor der Georg-Büchner-Realschule in München Laim. Im Arbeitskreis traf er auf Martin Winhart, den Ausbildungsleiter bei Mercedes Benz, und die beiden beschlossen eine Partnerschaft anzukurbeln. Am vergangenen Dienstag nun besuchte Winhart mit seinem Kollegen Daniel Bantele und fünf Auszubildenden die Realschule. Dies sollte nur der erste von mehreren Terminen sein, bei denen die Schüler die Gelegenheit bekommen „zu hören, wie es draußen so zugeht”, erklärt Lottner.
Zunächst stellte Winhart das Unternehmen mit seinen Zweigstellen in München vor, danach berichteten die Auszubildenden, welche verschiedenen Ausbildungsberufe sie derzeit bei Mercedes Benz erlernen. Zwei Drittel der insgesamt 180 Auszubildenden bei Mercedes entscheiden sich für einen technischen, ein Drittel für einen kaufmännischen Beruf. Über den Beruf des Kfz-Mechatronikers, des Fahrzeuglackierers und des Mechanikers für Karosserieinstandhaltungstechnik konnten die Schüler ebensoviel erfahren wie über die kaufmännischen Berufe des Industrie- oder Automobilkaufmanns und der Fachkraft für Lagerlogistik.
Dabei wurde zugleich mit „falschen Vorstellungen” aufgeräumt, die sich Berufseinsteiger laut Martin Winhart machen. Beispielsweise gehört zum Beruf des Fahrzeuglackierers weit mehr, als nur den Lack auf die Autos zu sprühen. Neben den Unterrichtsfächern Mathematik und Deutsch erwirbt der angehende Fahrzeuglackierer Wissen über chemische Prozesse, die beim Mischen der Farbe notwendig sind. Ebenso gehört das Fachwissen über die Beschaffenheit von Metallen zum Berufsprofil sowie praktische Übungen im Bereich Schleifen, Polieren und Beseitigen von Rostschäden.
In gleicher Weise verhält es sich mit dem Beruf des Automobilkaufmanns. „Die meisten Jugendlichen möchten gerne Autoverkäufer werden und denken, dass man mit der Ausbildung zum Automobilkaufmann dann gleich Autos verkaufen darf. Aber die Ausbildung beinhaltet das Durchlaufen vieler Stationen zum Beispiel Lagerarbeit, Personal und Marketing. Erst mit der Erwerbung eines Zertifikates wird man dann Verkäufer”, erklärt Winhart.
Interessiert hörten etwa vierzig, freiwillig zum Berufsorientierungstermin erschienene Realschüler den Berichten der Azubis und des Ausbildungsleiters zu und stellen Fragen, insbesondere als es um die Darstellung des Bewerbungsprozesses ging. Nach der Online-Bewerbung fordert Mercedes einen Einstellungstest sowie die Teilnahme am Assessmentcenter. Neben guten Noten zählen auch soziale Kompetenzen und Begabungen wie räumliches Vorstellungsvermögen oder Sprachlogik. Entscheidend für einen guten Start ins Arbeitsleben ist allerdings laut Winhart die „frühzeitige Berufsorientierung und das frühzeitige Sich-Bewerben”. Azubi Alex Hennig: „Man bewirbt sich mit dem Zeugnis der 9. Klasse, um nach der 10. Klasse mit der Ausbildung anzufangen.”
Nach der Präsentation der Mercedes Vertreter erhielten die Schüler die Möglichkeit, sich in kleinen Gruppen zusammenzusetzen, um mit den nahezu gleichaltrigen Azubis auf Augenhöhe zu sprechen. Für diejenigen Schüler, deren Interesse an einem der vorgestellten Berufe geweckt wurde, bietet Winhart eine Betriebsbegehung an, durch die ein Einblick in den Berufsalltag der Azubis ermöglicht wird.
Ziel der Kooperation ist laut Winhart aber nicht, jemanden zu einer Ausbildung bei Mercedes zu überreden. Vielmehr sollen die Schüler Einblick in verschiedene Berufsfelder bekommen. Er erklärt: „Wenn einer wirklich will und informiert ist, haben wir auch einen Nutzen davon. Aber wenn einer denkt, Mercedes klingt gut und das Automodell gefällt mir, aber dann nach einem halben Jahr feststellt, dass er doch lieber Gärtner werden will, haben wir nichts davon.” Für diejenigen Schüler, die eine Bewerbung bei Mercedes anstreben (Bewerbungsschluss ist September), wurden durch die Kooperation von Schule und Wirtschaft nun die ersten Kontakte geknüpft.