Veröffentlicht am 04.11.2010 13:32

„Ich lerne zu leben”

Sülo (Giovanni Arvaneh) hat Krebs. Was passiert mit seinem Sohn Bruno (Shayan Hartmann)? (Foto: ARD/Jo Bischoff)
Sülo (Giovanni Arvaneh) hat Krebs. Was passiert mit seinem Sohn Bruno (Shayan Hartmann)? (Foto: ARD/Jo Bischoff)
Sülo (Giovanni Arvaneh) hat Krebs. Was passiert mit seinem Sohn Bruno (Shayan Hartmann)? (Foto: ARD/Jo Bischoff)
Sülo (Giovanni Arvaneh) hat Krebs. Was passiert mit seinem Sohn Bruno (Shayan Hartmann)? (Foto: ARD/Jo Bischoff)
Sülo (Giovanni Arvaneh) hat Krebs. Was passiert mit seinem Sohn Bruno (Shayan Hartmann)? (Foto: ARD/Jo Bischoff)

Seit beinahe 16 Jahren ist Schauspieler und Musical-Darsteller Giovanni Arvaneh als „Sülo Özgentürk” täglich im Fernsehen bei „Marienhof” zu sehen. Für viele Fans ist er untrennbar mit der Serie verbunden. Das dies nur eine Facette seines Werdegangs als Schauspieler ist, verrät der charismatische Künstler im SamstagsBlatt-Interview.

SamstagsBlatt: Am 1. Oktober 1992 ging „Marienhof” an den Start, seit Folge 167 (1994) sind Sie als „Sülo Özgentürk” zu sehen. Wie ähnlich sind sich Sülo und Giovanni?

Giovanni Arvaneh: Als professioneller Schauspieler hat man gar keine andere Möglichkeit, als Anteile der eigenen Persönlichkeit mit in die Rolle zu bringen. Zum Beispiel ist Sülo viel temperamentvoller als ich, doch da ich Anteile davon auch in mir habe, kann ich das transportieren. Ich habe mir vor kurzem die ersten Folgen mit Sülo angesehen und stelle fest, dass meine Stimme und mein Verhalten sich sehr verändert haben. Je mehr ich in meiner persönlichen Entwicklung gewachsen bin, desto mehr hat sich dadurch auch Sülo entwickelt. Das finde ich sehr spannend!

SaBl: Neben dem abgeschlossenen Schauspielstudium haben Sie auch eine Musicalausbildung absolviert. In welchem Fach fühlen Sie sich mehr „zuhause”?

G.A.: Ich fühle mich in beiden Fächern zuhause und würde mich nicht entscheiden wollen. Im Idealfall spielt man immer ganz intensiv. Teil eines Musicals zu sein, ist natürlich schon was ganz Tolles. Man spielt mit den Träumen und Sternen. Das klingt jetzt zwar etwas pathetisch, aber beim Singen kann man seine Seele nicht verstecken. Gerade das Leuchten in den Augen der Zuschauer, die „Korrespondenz” miteinander, das baut eine unglaubliche Nähe auf. Und wenn ich mir verinnerliche, wieviele exzellente Musicaldarsteller in diesem Genre arbeiten, dann ist es für mich schon eine große Ehre, ein Musical machen zu dürfen. 2012/2013 ist übrigens eine Singtournee geplant. Darauf freue ich mich sehr.

Ganz anders ist natürlich die Arbeit als Schauspieler, da ja beim Dreh das Publikum fehlt. In der Vorlaufzeit bereite ich mich intensiv und hochkonzentriert auf die Rolle vor – beim Spiel auf der Theaterbühne dagegen ergeben sich Anfang und Ende AUS dem Spiel und vor Zuschauern. Das ist ein ganz spannender Prozess. Wenn ich etwa eine Rolle spiele, die traurig ist, muss ich aufpassen, dass ich nicht zuviel Pathos auf die Bühne bringe. Das „Leiden” muss den Zuschauern überlassen bleiben, der Schauspieler dagegen muss den Plot weiterbringen, weiterentwickeln, sonst ist das Publikum schnell gesättigt.

SaBl: Sie sprechen neben deutsch, englisch und Ihrer Muttersprache italienisch auch türkisch. Wie kommt das?

G.A.: Meine Mutter kommt aus dem Gräner Tal (Tirol) und da spricht man neben deutsch und italienisch auch rätoromanisch. Bis zu meinem siebten Lebensjahr habe ich dort gelebt. Mein Vater ist Perser, daher wurde bei uns zuhause ausschließlich türkisch gesprochen.

SaBl: Neben Ihrer „Soap”-Rolle sind Sie auch Charakterdarsteller in Fernsehfilmen und -serien (z.B. SOKO 5113, Küstenwache, Unser Charly) und im Theater. Läuft man als Serienstar nicht Gefahr, auf diese Figur festgelegt zu werden?

G.A.: Zuallererst versuche ich immer, authentisch zu spielen und alles zu geben - egal ob „Soap” oder Film. Ich glaube, das hat auch viel mit dem Mut des Produzenten zu tun, wer welche Rolle bekommt und was dieser dem Schauspieler zutraut. Ich spiele seit 17 Jahren als Italiener einen Türken, da besteht schon Gefahr, dass man in einer Schublade verschwinden könnte. Die Omnipräsenz mancher Schauspielkollegen, auf die also immer wieder zurückgegriffen wird, schadet der Branche. Es liegt vielleicht auch zu einem kleinen Teil an den Zuschauern, die sich mehr in die Verantwortung für das Fernsehprogramm nehmen sollten. Man kann tatsächlich mitgestalten, indem man sich bemerkbar macht und Wünsche oder Kritik äußert – sei es durch Leserbriefe oder Anrufe.

SaBl: Apropos „Soap”-Star. Stört Sie dieser Ausdruck?

G.A.: Mich trifft es noch heute – nach der langen Zeit bei Marienhof – persönlich sehr, wenn mich jemand auf der Straße anquatscht und fragt, warum ich eigentlich bei diesem „Scheiß” mitspiele. Was viele nicht wissen, es handelt sich bei allen Akteuren um ausgebildete Schauspieler. Es ist ehrliche und anstrengende Arbeit. Ein Drehtag ist lang und die Szenen müssen schnell im Kasten sein. Am Ende des Tages hast du die selbe Arbeit geleistet wie ein Kinoschauspieler. Und: Viele Menschen sehen jeden Tag „Marienhof”. Das ist doch in Ordnung! In Südamerika werden „Soap”-Darsteller mit Achtung und Verehrung behandelt. Es sollte bei uns auch einen Preis für Soapdarsteller geben.

SaBl: Werden Sie auf der Straße oft erkannt und wie gehen Sie damit um?

G.A.: Ich werde sehr oft angesprochen und halte immer gern ein „Schwätzchen”. Ich bin einer, den man „anfassen” kann, der sich fotografieren lässt. Viele Leute reagieren fast ehrfürchtig, wenn sie einem Schauspieler gegenüber stehen. Was besonders schön ist: Man wird so gut wie immer angelächelt! Nur manchmal gibt es Situationen, die nicht so toll sind. Ich war in Venedig, einfach als Privatmensch, habe mich wohlgefühlt, war entspannt. Und dann rief plötzlich jemand „Hey Sülo” zu meinem Hotelfenster hoch, ich sehe hin und ein Blitzlichtgewitter ging los. Das hat schon was mit Missbrauch zu tun.

SaBl: Für alle neugierigen Marienhof-Fans: Gibt es Neuigkeiten?

G.A.: Ja! Ab sofort ist der Marienhof stark auf Sülo konzentriert. Anfang November geht die Geschichte los: Sülo hat Krebs - wird er es schaffen oder nicht? Er ist ja alleinerziehender Vater eines Sohnes. Der Fokus liegt die nächsten sechs Wochen auf dieser Geschichte: Was passiert mit dem Sohn, wie meistert Sülo seine Krankheit? Dieser Plot ist sensationell gut geworden, da bin ich wirklich stolz drauf. Jede Woche wird es zusätzlich auf Facebook einen Trailer dazu geben. Es wird wirklich spannend. Also, unbedingt einschalten!

SaBl: Ihre Freizeit wird knapp bemessen sein. Wie schaffen Sie sich Ausgleich und Entspannung?

G.A.: Mein absoluter Ausgleich ist das Motorradfahren. Das ist Freiheit, Gehirn abschalten, Geist durchlüften. Für mich hat es fast etwas mit Fliegen zu tun. Dann lese ich sehr viel. Mich begeistern Bücher, die Bilder im Kopf entstehen lassen. Das muss nicht zwangsläufig Belletristik sein, auch Sachbücher, gerade über Quantenphysik, interessieren mich sehr. Intensiv beschäftige ich mich auch mit Psychologie. Ich habe, neben meiner Ausbildung zum Schauspieler, auch eine Ausbildung zum Gestaltungstherapeut abgeschlossen. Die Arbeit mit Menschen berührt mich sehr.

SaBl: Als Schauspieler muss man mobil sein. Sie leben eigentlich in Berlin, gedreht wird in München. Wie schaffen Sie das?

G.A.: Seit elf Jahren ist Berlin mein Lebensmittelpunkt, da bin ich daheim. Aber auch München ist Heimat, nicht nur durch die Drehtage. Ich liebe die bayerische Gemütlichkeit, den Viktualienmarkt und das „Leben und leben lassen”. München ist in der Tat etwas ganz Besonderes. Für die Überfahrt Berlin – München nütze ich natürlich mein Motorrad, da ziehe ich dann gleich was für mich heraus.

SaBl: Gibt es eine „Traumrolle”, die Sie gerne einmal spielen möchten?

G.A.: Als Schauspieler habe ich ja schon einen „Traumberuf”. Mein ganz großes Bestreben ist es, die Menschen zum Lachen zu bringen und ihnen gleichzeitig etwas mitzugeben. Vielleicht ein Stückchen Wahrheit? Ich kann mir vorstellen, dass das ein Teil meiner Bestimmung ist. Auf alle Fälle bin ich immer offen für Neues. Sehr gut könnte ich mir vorstellen, wieder in einer Serie mitzuspielen. Oder ein Kinofilm, das wäre toll! Letzten Endes hat mir Sülo aber schon zu einer Traumrolle verholfen: Durch ihn bin ich gewachsen. Er hat mich gelehrt, zu leben. Dadurch lebe ich im Jetzt, ich mache alles bewusster. Aufgrund der anstrengenden Drehzeit, also wegen Sülo, habe ich sogar aufgehört zu rauchen! Ich bin sehr dankbar für alles.

north